Natürlich ist die Vorfreude bei Simon Stiebjahn auf die Deutschen Straßenmeisterschaften vom 23. bis zum 25. Juni groß – aus mehreren Gründen. Zum einen ist das große Radsport-Event in Bad Dürrheim und Donaueschingen für den 33-Jährigen eine Premiere, noch nie war er bei einer Straßen-DM am Start.
Zum anderen wird er sein Debüt in seiner Heimatregion feiern: Stiebjahn kommt aus Langenordnach, einem Ortsteil von Titisee-Neustadt. Ein Aspekt macht seinen Auftritt bei der DM aber ganz besonders: Als Mountainbike-Profi wird er auf dem Rennrad unterwegs sein. Kein Wunder, dass Stiebjahn von Organisator Rik Sauser bei einer Pressekonferenz als „Exot“ bezeichnet wurde. „Das kann man schon so unterschreiben“, sagt Stiebjahn mit einem Lachen.
Große Erfolge mit dem Mountainbike
Wobei der Mann aus dem Hochschwarzwald, der Deutscher Meister und Europameister ist sowie einige Gesamtsiege bei Etappenrennen vorweisen kann, im Training freilich nicht immer auf den dicken Reifen über Wurzeln und Steine brettert. Gerade wenn es um die Grundlagen geht, wie er erzählt: „Im Winter sitze ich viel auf dem Rennrad, im Sommer eher weniger.“ Was die Stunden betrifft, sei das Verhältnis sogar ausgeglichen, wobei er ein Drittel seiner Trainingstage auf dem Rennrad verbringt – bei 800 bis 900 Trainingsstunden im Jahr freilich trotzdem auf eine beachtliche Zahl.

„Die Straßen-DM hat für uns Mountainbiker nicht die oberste Priorität“, sagt Stiebjahn, der sich dennoch seit Jahren vorgenommen hat, mal dabei zu sein. Auch wenn sie in der Hochsaison für Mountainbike-Profis stattfinden. „Dieses Jahr lässt es sich gut kombinieren. Dass ich von zuhause aus hinfahren kann, macht vieles einfacher“, sagt der Profi, der 20 000 Kilometer im Jahr auf zwei Rädern zurücklegt – und um die 250 000 bis 300 000 Höhenmeter.
Angespannt ist der 33-Jährige vor seiner Premiere in der Heimat nicht. Die Vorfreude überwiegt. „Es ist nicht die Disziplin, in der ich aktiv bin. Favoriten sind andere, da muss man schon realistisch sein. Radsport ist nicht gleich Radsport, bei Straßenrennen spielen Komponenten eine Rolle, die für uns sonst nicht so wichtig sind“, ordnet der Langenordnacher ein.
Wie zum Beispiel sich in einem Fahrerfeld zu bewegen. Und eben auch der Faktor Team. „Es wird Mannschaften geben mit einigen starken Fahrern, die im Kollektiv stärker sein werden.“ Das ist für Stiebjahn aber gar nicht schlimm, denn: „Ich habe schon Rennrad-Fahrer erlebt, die bei uns einen Marathon mitgefahren sind und böse auf die Mütze bekommen haben.“
Stiebjahn will auf jeden Fall Akzente setzen, wie er selbst sagt. „Ich gehe ambitioniert an den Start und möchte mich von meiner besten Seite zeigen.“ Eines kommt ihm entgegen: Der aus seiner Sicht harte, relativ kurze Rundkurs. „Das Profil der Strecke ist mountainbike-freundlich, mit den steilen, kurzen Rampen. Diese ständigen Antritte um die Kurven herum, das ist ja genau das, was wir als Mountainbiker sehr gut kennen. Es gibt sicher schlechtere Kurse für uns.“

Letztlich geht es für Stiebjahn aber nicht nur um das Ergebnis. Er will viele Erfahrungen mitnehmen, das Event genießen. Als Lokalmatador darf er auf frenetisch jubelnde Fans am Streckenrad hoffen. Bei vergangenen Wettkämpfen in der Heimat, zum Beispiel beim Rothaus Bike Giro Hochschwarzwald oder beim RiderMan, sei die Stimmung überragend gewesen.
„Ich freue mich da richtig drauf. Die Leute am Streckenrand feuern die heimischen Athleten immer lautstark an. Für mich ist das eine zusätzliche Motivation“, sagt der Mann vom Singer Racing Team, der sich sicher ist, dass es eine „große Radsportparty wird. Für die Zuschauer ist es geil gemacht mit den Hotspots. Sie sehen die Fahrer mehrfach, haben einen guten Blick auf das Geschehen. Wenn das Wetter mitspielt, wird das ein richtig tolles Erlebnis.“
Und da spielt es dann auch keine Rolle, dass Stiebjahn lieber auf dem Mountainbike sitzt. „Mich hat das damals einfach mehr gereizt als das Rennrad. Ich liebe den technischen Aspekt und für mich ist es der ehrlichere Sport, weil es nicht viel mit Teamtaktik zu tun hat. Die Stärksten sind meistens vorne“, sagt Stiebjahn, der es liebt, in der Natur immer wieder neue Orte erkunden zu können – ganz gleich, ob in der Heimat oder auf anderen Kontinenten. Und er ergänzt: „Bei Mountainbike-Profis sind viele andere Sportarten ins Training involviert. Ich schätze die Abwechslung.“
Das Hobby zum Beruf gemacht
Das verwundert kaum, denn Stiebjahn ist im Winter gerne auf Langlauf-Skiern unterwegs. Und wenn im Schwarzwald kein Schnee liegt, werden auch mal die Kickschuhe angezogen: „Mein Herz schlägt immer noch für den Fußball“, sagt der 33-Jährige, der beim SV Hölzlebruck als kleiner Steppke kickte – ehe er sich irgendwann auf den Radsport fokussierte.
„Ich war als Kind einfach sehr sportbegeistert. Ich hätte niemals gedacht, dass mein Hobby mal mein Beruf wird“, erzählt er. Das Team Bulls, für das Stiebjahn zuletzt 13 Jahre fuhr, entdeckte ihn damals. „Dass ich Radprofi wurde, war dem glücklichem Umstand geschuldet, dass in mir ein Talent gesehen wurde, was mir selbst gar nicht so bewusst war.“
Daher legt der 33-Jährige nun großen Wert darauf, sein Wissen und Können weiter zu geben. Stiebjahn veranstaltet neben seinen Wettkämpfen Bike-Tage, feilt dabei mit Anfängern und Fortgeschrittenen an der richtigen Technik. „Ich hatte damals Glück, vom Nachwuchs- in den Profibereich zu kommen und weiß, wie viel einem der Sport geben kann.“