Der Freiburger Mietspiegel, der die ortsübliche Vergleichsmiete festlegt, war nie unumstritten. Doch nun kommt Kritik von unerwarteter Seite: Göran Kauermann, Statistik-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, hält das Zahlenwerk für nicht korrekt. „Aus statistischer Sicht ist der Freiburger Mietspiegel grob falsch, weil alle Mieten um fünf Prozent zu hoch ausgewiesen sind.“ Das Institut Gewos, das den Mietspiegel im Auftrag der Stadt Freiburg erstellt, will den Vorwurf prüfen.
Göran Kauermann weiß, wovon er spricht. Der 50-Jährige hat den Lehrstuhl für Statistik an der Ludwig-Maximilians-Universität inne; sein Team wertet von TNS Deutschland erhobene Daten für den qualifizierten Mietspiegel der Stadt München aus. Auf die methodischen Fehler im Freiburger Mietspiegel kam Kauermann eher zufällig: Weil in Freiburg 2017 ein neuer, qualifizierter Mietspiegel erhoben werden muss, überlegte Kauermann, sich auf die Ausschreibung zu bewerben – was er dann aber doch nicht tat, weil ihm die Bewerbungsfrist mit drei Wochen zu kurz erschien. Bei dieser Gelegenheit jedoch las er den aktuellen Freiburger Mietspiegel durch und stieß, wie er sagt, auf einen gravierenden methodischen Fehler. Die statistische Auswertung der erhobenen Zahlen, sagt Kauermann, sei „absolut dilettantisch“. Den Fehler zu erkennen ist für Nicht-Statistiker extrem schwierig. Ganz vereinfacht: Um die Zu- und Abschläge bei den Mieten für einzelne Wohnungen bestimmen zu können, braucht man eine Referenzwohnung. Diese Wohnung ist sozusagen der Standard, mit dem man alle anderen vergleicht.
Die Miete dieser Wohnung geht als sogenannte Konstante in den Mietspiegel ein; in Freiburg ist das ein Koeffizient von 0,953. Mit diesem muss man die Mieten aller Vergleichswohnungen multiplizieren, um dann Zu- und Aufschläge bestimmen zu können.
So weit, so kompliziert. Jetzt kommt der Fehler: Beim Freiburger Mietspiegel hat man offenbar vergessen, in einem ersten Schritt alle Mieten mit 0,953 zu multiplizieren. Das wiederum heißt: Am Ende sind alle Mieten um fünf Prozent zu hoch, und das seit Jahren. „So ein Fehler darf nicht passieren, und einem Statistiker passiert er auch nicht“, sagt Göran Kauermann. Auch beim Berliner Mietspiegel hatte er methodische Fehler ausgemacht – die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte Kauermanns Vorwurf zurückgewiesen, sich gleichzeitig jedoch für Änderungen aufgeschlossen gezeigt. Es sei „nichts so gut, dass es nicht noch besser werden könnte“, sagte ein Senatssprecher. Die von Kauermann kritisierte Berechnung der Mietwerte sowie der Zu- und Abschläge werde ein wichtiges Thema für den nächsten Mietspiegel 2017 sein. In Freiburg gibt es seit neun Jahren einen qualifizierten Mietspiegel. Beim ersten Mal hatte ihn das bayerische EMA-Institut für empirische Marktforschung erarbeitet, in Kraft trat er am 1. März 2007. Seit 2010 wird er vom Gewos-Institut für Stadt-, Regional- und Wohnungsforschung aus Hamburg erstellt. Die Freiburger Stadtverwaltung als Auftraggeberin hat Gewos über die Kritik von Kauermann informiert und um eine Stellungnahme gebeten. Gewos-Geschäftsführerin Renate Szameitat erklärte auf Anfrage, man sei derzeit dabei, die Vorwürfe zu prüfen.