Der Küchenbauer Alno war mit großer Wahrscheinlichkeit schon Jahre vor der offiziellen Insolvenzanmeldung im Juli 2017 pleite. Zu diesem Ergebnis kommen zumindest Experten der Frankfurter Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Andersch. In ihrem Abschlußgutachten datieren sie den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit auf das "Jahr 2013", wie die Insolvenzverwaltung der Alno AG am Dienstag mitteilte.

Bereits vor Monaten hatte Alno-Insolvenzverwalter Martin Hörmann auf eine möglicherweise bereits vor Jahren eingetretene faktische Insolvenz des Unternehmens hingewiesen. Die Frage des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit ist wichtig, da von ihr beispielsweise die Höhe von Schadenersatzforderungen abhängig ist.

Vier Insolvenzverfahren

In einer Pflichtmitteilung informierte Insolvenzverwalter Hörmann, dass er auf Grundlage des neuen Gutachtens nun Schadenersatz- und Rückzahlungsansprüche gegen Verantwortliche erheben werde. Alle seit dem Jahr 2013 eingesetzten Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer könnten im Zuge einer sogenannten Organhaftung zur Rechenschaft gezogen werden. Zudem würden Ansprüche auf Rückzahlungen von Kunden und Lieferanten geltend gemacht, teilte Hörmann mit.

Auf Anfrage des SÜDKURIER erklärte ein Sprecher des Insolvenzverwalters, dass die Haftung eines Vorstandsvorsitzenden anders bewertet werde, als die eines Vorstandsmitgliedes mit weniger Entscheidungsbefugnis. Von 2011 bis 2017 stand der Schweizer Geschäftsmann Max Müller an der Spitze der Alno AG.

Kein Zweifel dürfte bestehen, dass sich die Gesamtsumme der Gläubigeransprüche von rund 270 Millionen Euro durch den nun festgestellten früheren Insolvenztermin erhöhen wird. Die Ermittlungen hierzu werden nach Angaben des Insolvenzsprechers noch geraume Zeit in Anspruch nehmen, denn man müsse nun viele tausend Geschäftsvorgänge prüfen.

Vom Alno-Management getäuscht? 

Da im Zuge der Alno-Insolvenz auch drei Tochterfirmen in Konkurs gingen, gibt es vier Insolvenzverfahren, wobei jeweils ein Gläubigerausschuss eingesetzt wurde. Hörmann wird das Prüfgutachten nun den vier Ausschüssen vorlegen und besprechen, wobei sich jederzeit weitere Gläubiger melden können.

Für einen Gläubiger, die zur Prevent-Gruppe gehörende Tahoe, die als Mehrheitsaktionär bei der Alno AG eingestiegen war, dürfte das Prüfergebnis ein gefundenes Fressen sein. Die Eigentümerfamilie Hastor fühlt sich bezüglich ihres Einstiegs im Jahr 2016 vom Alno-Management getäuscht und hat Schadenersatzansprüche geltend gemacht.

Aktuell sorgt Prevent mit einer Klage in Milliardenhöhe gegen den Automobilhersteller VW für Schlagzeilen. Unter dem Namen Neue Alno GmbH werden in Pfullendorf mittlerweile wieder Küchen produziert. Dieses Unternehmen hat mit der alten AG aber nichts zu tun.

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