Bevor in wenigen Tagen die heiße Phase der Fastnacht beginnt, hat die Volkshochschule der Stadt Villingen-Schwenningen zu einem Vortrag über das närrische Brauchtum eingeladen. Der Rottweiler Brauchtums- und Fastnachtsexperte Werner Mezger nahm die Zuhörer mit auf eine ethnologische Betrachtung von Fastnacht, Fasnet und Karneval, wie sie in 20 europäischen Ländern gefeiert werden.
Närrische Traditionen als einigendes Band Europas
Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass ausgerechnet die närrische Zeit des Jahres unterschiedliche Kulturen stärker verbindet als viele politische Bemühungen, die Menschen in Europa zu vereinen.
Stets derselbe Ursprung für die Bräuche
Denn egal wo in Europa Häs- und Schementräger auf die Straßen gehen, unterschiedliche Bräuche feiern und ihre eigene Ästhetik haben: Sie gehen laut Mezger alle auf denselben Ursprung zurück und die Motive wiederholen sich.
Schwellenfest zwischen Winter und Frühling
Ob in Österreich, Slowenien, Ungarn und Rumänien, aber auch in Frankreich, Spanien und Portugal – in allen Ländern sei die Fastnacht ein Schwellenfest, das den Übergang vom Winter in den Frühling markiere, so Werner Mezger.
Es ging nicht darum, den Winter zu "erschrecken"
Der Experte drehte das Rad der Zeit zunächst um einige hundert Jahre zurück und räumte mit dem Glauben auf, dass die Fastnacht den Winter austreiben solle. „So einfältig waren unsere Vorfahren nicht, dass sie glaubten, man müsse den Winter erschrecken, damit er geht.“
Christliche Variante schon früh in Verbindung mit Ostern
Vielmehr habe die christliche Ausprägung der Fastnacht bereits im 14. Jahrhundert in Kausalität mit der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern gestanden. Bis Ende des 14. Jahrhunderts habe die Kirche die Fastnacht auch unkommentiert toleriert. Erst als die Franziskaner- und die Dominikanerorden die Fastnacht immer stärker mit einem Teufelsstaat verglichen hätten, habe die Kirche das närrische Treiben unterbunden.
Renaissance erst wieder im 19. Jahrhundert
Es habe bis ins 19. Jahrhundert gedauert, dass die Fastnacht als zartes Pflänzlein wieder aufgekeimt sei. Zu jener Zeit sei auch der Begriff Karneval entstanden. 1823 wurde laut Mezger in Köln der Neuanfang gewagt und vornehm Karneval gefeiert. Gut 60 Jahre später sei die historische Narrozunft Villingen gegründet worden.
Bunte Vielfalt von Fastnacht und Karneval
Bei einem mit zahlreichen Bildern unterlegten Ritt durch die 20 europäischen Länder bekamen die Zuhörer im kleinen Saal im Theater am Ring einen Einblick in die unterschiedlichsten Häser und Kleidle, Masken, Schemen und Larven, Gschell und Rollen der Butz, Hansili und Jockili.
Riesen-Umzug auf Malta
Werner Mezger förderte auf seinen intensiven wissenschaftlichen Forschungen über närrische Brauchtümer erstaunliche Details zu Tage. So findet auf Malta der größte Umzugskarneval des Mittelmeerraums statt, „der sogar den Umzug in Köln in den Schatten stellt.“
Fußball kommt von der Fastnacht
Und wer hätte gedacht, dass die wohl beliebteste Sportart Fußball aus einem britischen Fastnachtsbrauch heraus entstanden ist? „Wenngleich das heute keiner hören will“, wie Mezger schon mehrfach leidvoll erfahren musste.
Neidvoller Respekt eines Rottweilers für den Villinger Narro
Natürlich konnte der Fastnachtsexperte keinen Vortrag in Villingen halten, ohne auf die Villinger Fasnet einzugehen. „Der Villinger Narro ist mit seinem Häs und seiner Scheme durch nichts zu übertreffen, das gibt man auch als Rottweiler neidvoll, aber unumwunden zu“, zollte Mezger der Villinger historischen Narrenfigur das höchste Kompliment.
Neue Gruppen sollten zur Brauchtumspflege vor Ort beitragen
In der Gesprächsrunde wollte ein Zuhörer wissen, wie der Brauchtumsexperte zu den zahlreichen Neugründungen von Fastnachtsgruppierungen stehe. Hierzu sagte Werner Mezger, dass sich die Faszination für die Fastnacht in den Neubegründungen widerspiegele. „Und wenn so eine Gruppe Bestand hat und es nicht nur irgendeine neue Hexengruppe ist, dann ist es okay.“
Nicht in Ordnung findet es der Brauchtumsfachmann dagegen, wenn sich Fastnachtsvereine gründen, die in ihrem eigenen Ort nichts zur Brauchtumspflege beitragen würden und nur bei anderen Veranstaltungen feiern wollten.
Zur Person
Werner Mezger, bekannt durch zahlreiche Buchveröffentlichungen, Rundfunk-und Fernsehsendungen, ist Professor für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie an der Universität Freiburg und Direktor des Freiburger Instituts für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa (IVDE).