Lieber Paul,
Viren haben uns schon immer ganz schön viel Ärger gemacht und im letzten Jahr ganz besonders, seit das Coronavirus uns Menschen plagt. Schlimm genug, dass Viren uns krank machen, aber sie haben noch eine weitere gemeine Eigenschaft: Sie verändern sich ziemlich schnell. Aus einem Virus, das es schon gibt, kann deshalb ein neues Virus entstehen. Meistens bekommen wir das gar nicht mit, aber manchmal bewirkt eine solche Veränderung, dass eine Impfung oder ein Medikament nicht mehr richtig gegen ein Virus hilft – oder dass ein Virus, das zuvor nur Tiere befallen hat, plötzlich auch den Menschen krank macht. Dann kann sehr schnell eine neue Krankheitswelle ausbrechen oder schlimmstenfalls sogar eine Pandemie, also eine weltweite Krankheitswelle, so wie beim Coronavirus.

Wie aber passiert das alles? Viren sind winzig kleine Krankheitserreger. Sie dringen in die Körperzellen (das sind die kleinen Bausteine, aus denen unsere Körper bestehen) von Tieren, Pflanzen und auch dem Menschen ein und vermehren sich dort. Um in die Zellen reinzukommen, müssen sie dort erst einmal andocken, wie ein Schiff am Hafen. Die Zellen haben auf ihrer Oberfläche ein sogenanntes Eiweiß, die Viren haben ein dazu passendes Gegenstück. Damit können sie an den Zellen, zu denen ihr eigenes Eiweiß passt, kleben bleiben und schließlich in sie eindringen.
Schlüssel und Schlüsselloch
Das klingt nun alles sehr kompliziert, aber im Prinzip kannst Du es Dir wie bei einem Schlüssel und einem Schlüsselloch vorstellen: Das Virus braucht sozusagen den richtigen Schlüssel, um in die Zelle reinzukommen. Es gibt Schlüssel, die passen nur für die Zellen von Rindern, Vögeln oder Schweinen, und es gibt Schlüssel, die passen ganz speziell für die Zellen von uns Menschen. Mit dem passenden Schlüssel kann das Virus in die Zelle hinein und dort wie in einer Fabrik neue Viren erzeugen. Jedes dieser neuen Viren kann ein ganz klein wenig anders sein als das Virus, aus dem es entstanden ist. Auf diese Weise verändern sie sich allmählich, sie mutieren.
Wenn sich die Viren nun verändern, dann verändern sich mit ihnen manchmal auch ihre Zugangsschlüssel für die Zellen. Plötzlich kann ein Virus, das zuvor nur Schweine befallen hat, mit seinem neuen Schlüssel auch in die Zellen des Menschen hinein. Bei der Grippe passiert das sehr häufig: Grippeviren vermehren sich hauptsächlich in Schweinen, Rindern oder Vögeln, aber durch ihre Mutationen kann es passieren, dass sie plötzlich auch uns Menschen krank machen. Beim Coronavirus vermuten wir, dass es sich ursprünglich in Fledermäusen vermehrt hat, bevor es sich soweit verändert hat, dass es nun leider auch uns Menschen befällt.
Also: Neue Viren entstehen aus Viren, die es schon gibt. Sie vermehren sich in den Körperzellen von Tieren, Pflanzen und dem Menschen und verändern sich dabei zu neuen Viren.

Prof. Dr. Marcus Groettrup erforscht an der Universität Konstanz, wie sich unser Körper gegen Krankheiten wehrt und wie wir ihn dabei unterstützen können. Momentan arbeitet er an einem „Generalimpfstoff“, der uns auch vor mutierten Viren schützt.