Auf dem Pfeiler am Gartentor bei Hausnummer 200 sitzt eine Hunde-Statue, stolz blickt das Tier in den heißen Sommerhimmel. Darunter ein Schild aus Travertin, einem hellen Kalkstein, die Schrift ist nach vielen Jahren schon etwas verwaschen. „Casa Rosa“ steht dort geschrieben, „Pension für kleine Tiere, Krankenstation, Bestattungen“. Willkommen auf dem Tierfriedhof der Stadt Rom, dem ältesten Italiens, der 2022 sein 100-jähriges Bestehen feiert.
Man klingelt, das Gartentor ist offen. Luigi Molon grüßt schroff vom Balkon des Wohnhauses auf dem Grundstück und sagt, er komme gleich herunter. Von einer Krücke gestützt schlurft der 73-Jährige nach unten. „Ich bin vor zwei Wochen aus dem Krankenhaus gekommen, Herzinfarkt“, sagt er missmutig. Dann beginnt er von diesem erstaunlichen Flecken Erde im Südosten der italienischen Hauptstadt zu erzählen.
Alles begann um das Jahr 1922 mit dem Huhn von Benito Mussolini (1883-1945). Die Kinder des faschistischen Diktators hatten auf einem Jahrmarkt drei Küken gewonnen, von denen zwei gleich starben, heißt es. Das dritte Huhn liebten sie deshalb besonders. Als es starb, kümmerte sich Mussolini persönlich um die Bestattung und suchte Antonio Molon, Luigis Vater, am Stadtrand auf.
Besuch vom Diktator
Antonio Molon war Veterinär, betrieb eine Hundepension, der er den Namen seiner Frau Rosa gegeben hatte, und kümmerte sich auch um die Doggen des Diktators. Ob er nicht dieses Huhn bestatten könne, fragte der Diktator. Molon willigte ein. Das sprach sich herum – und so wurde die „Casa Rosa“ über die Jahre zum römischen Tierfriedhof.
„Ich betone, dass Mussolini meinen Vater aufgesucht hat und nicht umgekehrt.“Luigi Molon
Damit man nicht auf schiefe Gedanken kommt, will Tierfriedhofs-Betreiber Luigi Molon nun aber festhalten, dass sein Vater zwar das Huhn Mussolinis begrub und sich um dessen Hunde kümmerte. Das aber weniger als überzeugter Anhänger, sondern angeblich nur aus Tierliebe. „Ich betone, dass Mussolini meinen Vater aufgesucht hat und nicht umgekehrt“, sagt Molon.
Über 1000 Tiere wurden über die Jahre bestattet, ihre Kadaver ruhen in der Erde auf den von einer Mauer umfassten 500 Quadratmetern in jener versteckten Ecke des Portuense-Viertels. Pinien, Zypressen und Palmen wachsen hier.

Neben Hunden und Katzen liegen hier Kanarienvögel, Tauben, Kaninchen, Hamster, Enten, Schildkröten, Fische, Schimpansen, eine Boa constrictor, ein Tiger namens Sade und das Löwen-Baby Greta. Einfache Schilder, aber auch Holzkonstruktionen mit Foto oder massive Grabsteine erinnern an sie. Neben Blumen zieren Kerzen oder Tierspielzeug die Grabstätten.
Luigi Molon, der nach eigener Darstellung früher Polo-Spieler in der italienischen Nationalmannschaft, Turmspringer bei Olympia 1972 sowie später Cowboy in der toskanischen Maremma war, kann in Sekundenschnelle vom Profanen zur Tiefgründigkeit überwechseln. Er behauptet vielleicht nicht ganz zu Unrecht, dass die Liebe zu den Tieren den Zivilisationsgrad eines Volkes spiegele, dass Tierfreunde vor Abgründen aber auch nicht gefeit seien.
Dass manche Halter auf den Gräbern ihrer geliebten Begleiter als „Mamma“ oder „Papa“ Abschied nehmen, hält er für – milde gesagt – grenzwertig. Aber Molon weiß auch, wie es ist, ein geliebtes Tier zu verlieren. Als 1989 seine Stute Genziana starb, die ebenfalls in der „Casa Rosa“ ihre letzte Ruhestätte gefunden hat, war er eine Woche krank.

Manchmal rufen die Tierhalter nachts um drei Uhr verzweifelt bei ihm an. „Was soll ich um diese Uhrzeit machen?“, echauffiert sich Molon. „Ich sage ihnen, sie sollen sich am nächsten Morgen wieder melden.“ Dann steht der kleine gelbe Schaufelbagger bereit, den ein Angestellter bedient. Das Loch wird gegraben, das Tier bestattet.
Für fünf Jahre werden die Gräber verpachtet, dann muss der Vertrag erneuert werden oder das Grab wird für ein anderes Tier frei. Bislang ist die „Casa Rosa“ der einzige römische Tierfriedhof mit Lizenz.
Fünf bis zehn Besucher kommen am Tag, es sind über die Jahre weniger geworden. Gerade hat ein Pärchen seinem verstorbenen Hund einen Besuch abgestattet. Gleich beim Grabstein des Löwen-Babys Greta sprießt ein Olivenbaum aus einem Grab. Die Dalmatiner-Hündin Maia ist hier seit 2004 begraben.

Ihr in die Jahre gekommenes Frauchen ist gerade da, ordnet das Grab und ist in ein Zwiegespräch mit der damals von einem Auto erfassten Hündin verwickelt. Den Grabstein zieren ein Foto von Maia sowie ein Abschiedsgedicht. Irgendwann unterbricht die Hundebesitzerin ihren Monolog. Sie kratzt die Mückenstiche an ihrem Bein, bekreuzigt sich. Bevor sie geht, sagt sie leise: „Ciao, Maia, mach‘s gut!“