Der Tod ist das letzte, worüber Evelyn und Thomas van Kreuningen aus Wutöschingen-Horheim im Kreis Waldshut nachdenken wollen. Trotzdem hat sich das Paar vor der Geburt der Tochter vor zwei Jahren mit dem Gedanken befasst und ein Testament aufgesetzt. Darin hat das Paar die Finanzen geregelt und eine Sorgerechtsverfügung für ihr Kind aufgesetzt. „Uns war es wichtig, dass wir den Verbleib unserer Kleinen bei einem möglichen Todesfall von uns beiden geklärt haben“, sagt der 35-jährige Thomas van Kreuningen. Seine Frau Evelyn (32) ergänzt: „Wir möchten, dass sie in gute Hände kommt und nicht in eine Pflegefamilie, die wir nicht kennen.“
Mit dieser Befürchtung liegt die Familie richtig, denn wenn Eltern nicht geregelt haben, wo die minderjährigen Kinder im Falle des Todes der Eltern aufwachsen sollen, entscheidet das Familiengericht. Bei diesen Entscheidungen wird zwar beachtet, wer die Voraussetzungen erfüllt, das Kind aufzunehmen – das muss aber nicht dem Wunsch der Eltern entsprechen. Auch wenn Familien einen Vormund per Testament bestimmt haben, entscheidet das Familiengericht über den Verbleib der Kinder, weiß Bernhard Götz, Notar in Waldshut. „Ist ein Vormund von Seiten der Eltern benannt, dann hat das Gericht einen Anhaltspunkt, muss sich aber nicht automatisch an den Wunsch der Eltern halten“, sagt Götz. Unter bestimmten Voraussetzungen könne der vorgeschlagene Vormund übergangen werden, beispielsweise, wenn er durch Krankheit beeinträchtigt ist, das Wohl des minderjährigen Kindes gefährden würde oder das mindestens 14-jährige Kind mit dem Vormund nicht einverstanden ist.
Allerdings sei der Wunsch des Kindes nicht rechtsverbindlich. „Man kann aber sagen, je reifer ein Mädchen oder Junge ist, desto mehr findet der Wunsch des Kindes vor Gericht Beachtung“, weiß Götz.
Familiengericht prüft Vorschläge
Eltern können in der Sorgerechtsverfügung nicht nur den Wunsch nach einem Vormund äußern, sondern auch bestimmte Personen ausschließen. „Aber auch in diesem Fall überprüft das Familiengericht, ob die Gründe dafür plausibel sind“, erklärt Götz. Im Zweifelsfall kann ein Gutachter beauftragt werden, um sich von den potenziellen Vormündern ein Bild zu machen, weiß Götz, der seit 1990 als Notar in Waldshut arbeitet. Speziell bei getrennt lebenden Paaren könne der Ausschluss beispielsweise der Großeltern nicht per se geschehen. „Es ist denkbar, dass die Mutter allein aus persönlichen Gründen die Eltern des Vaters ausschließt, obwohl das Kind ein sehr gutes Verhältnis zu den Großeltern pflegt“, so Götz.Eine lange Diskussion über einen Vormund habe es bei den van Kreuningens nicht gegeben. „Wir waren uns beide schnell einig“, erinnert sich der 35-jährige Thomas van Kreuningen. „Wir haben einer jahrzehntelangen Freundin die Vormundschaft bei einem Todesfall übertragen. Wir haben uns für sie entschieden, weil wir ihr vertrauen. Sie hat selbst schon zwei Kinder und geht mit ihnen wunderbar um. Wir wissen, dass unsere Tochter bei ihr sehr gut aufgehoben wäre“, sagt der Diplom-Betriebswirt. „Es ist uns wichtig, dass unsere Tochter selbstbewusst und selbstständig erzogen wird und das wäre bei unserer Freundin der Fall.
Bei aller Liebe möchten wir, dass unserem Kind auch Grenzen gesetzt werden. Und auch das würde sie tun.“ Ein langes Gespräch mit der Freundin habe es nicht gegeben. „Wir haben sie nur kurz angerufen und ihr Bescheid gegeben. Wir sind so gut befreundet, dass das bei uns eigentlich schon fast eine Selbstverständlichkeit gewesen ist, sie als Vormund einzusetzen.“ Fast täglich treffen sich die van Kreuningens mit ihrer besten Freundin und deren Ehemann. „So hat unsere Tochter schon jetzt einen sehr guten Bezug zu ihr. Auch unsere Kinder sind in etwa gleich alt, das passt gut zusammen“, sagt die pharmazeutisch-technische Assistentin. Die Voraussetzungen dafür, dass der Vormund der van Kreuningens vom Gericht das Sorgerecht übertragen bekommt, stünden gut. „Es ist wichtig, dass das Kind eine intensive Bindung zum Vormund hat“, informiert Bernhard Götz.Ausschlaggebend dafür, sich mit den Schicksalsschlägen des Lebens zu befassen, war für Evelyn van Kreuningen auch die schwierige Geburt ihrer Tochter. „Da macht man sich dann doch schon einmal Gedanken, ob einem etwas passiert“, so die 32-Jährige. Außerdem habe die Familie viele Sendungen gesehen, in denen die Wichtigkeit eines Vormundes betont wurde.Setzen Eltern keine Sorgerechtsverfügung auf, so bestimmt das Vormundschaftsgericht im Todesfall einen Vormund für die minderjährigen Kinder, weiß Götz. Das Gericht würde hierbei zunächst das zuständige Jugendamt einschalten und dann eine Person auswählen, die nach den persönlichen Verhältnissen sowie nach der Vermögenslage zur Führung der Vormundschaft geeignet ist.
„In der Regel werden Verwandte vorrangig als Vormund eingesetzt. Aber auch Nachbarn oder enge Freunde, zu denen das Kind einen guten Bezug hat, kommen in Frage“, erklärt Alexander Bartels, Richter beim Amtsgericht Waldshut-Tiengen. Gibt es niemanden, dann kommt das Kind zunächst in eine so genannte Bereitschaftspflegefamilie. Das Familiengericht überprüft dann laut Bartels, ob die Waise in eine Pflegefamilie kommen kann. Das letzte Mittel sei das Heim.Die van Kreunigens haben neben einer Sorgerechtsverfügung auch einen Taufpaten für ihre Tochter bestimmt. „Das ist bei uns ebenfalls die beste Freundin“, sagt Evelyn van Kreunigen. Wie die Horheimer verbinden viele Eltern mit dem Taufpaten den Wunsch, dem Kind vertraute Menschen an die Seite zu stellen, die es auf seinem Lebensweg begleiten. Allerdings hat die Patenschaft vor Gericht keine Verbindlichkeit, weiß Bernhard Götz. Das Patenamt bedeutet eine moralische und nicht eine gesetzliche Verpflichtung für das Kind. Im Todesfall der Eltern wird ein Pate nicht automatisch zum Vormund, erklärt Götz. Soll der Taufpate auch das Sorgerecht bekommen, dann sollten Eltern entweder im Testament, so wie die van Kreuningens, einen Vormund bestimmen, oder ein Schreiben aufsetzen, das notariell beurkundet ist. Bernhard Götz rät, das Schriftstück nicht zu Hause aufzubewahren. „Das Risiko, es nach einem Todesfall nicht zu finden, ist zu hoch. Am besten ist es, es beim Nachlassgericht, in Baden-Württemberg beim Notariat, aufzubewahren. Das kostet einmalig 75 Euro.
“Um die Finanzen der Familie würde sich im Todesfall ein Freund kümmern. Die van Kreuningens haben sich für eine Trennung zwischen Vormund und Testamentsvollstrecker entschieden. „Das ist aber nicht die Regel und kommt höchstens bei zehn Prozent der Familien vor“, sagt Götz. In den meisten Fällen bekommt der Vormund, den die Eltern sich wünschen, auch die Vollmacht über das finanzielle Erbe, weil meist keine Testamentsvollstrecker vorgesehen ist.Heute, zwei Jahre nach der Geburt ihrer Tochter, genießt die Familie das Leben zu dritt. „Wir sind jung, lebenslustig und gesund. Wir können nachts gut schlafen, weil wir wissen, dass wir alles getan haben, um unserer Tochter – falls uns etwas passiert – eine sichere Zukunft zu bieten“, sagt Evelyn van Kreuningen.
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