Das Leben ist irgendwann vorbei. Dessen ist sich Sascha Lahr bewusst, auch wenn er sich mit seinen 48 Jahren eigentlich noch nicht mit seinem Tod beschäftigen möchte. Eines ist für ihn aber heute schon klar: „Wenn es soweit ist, möchte ich, dass meine Lebensgefährtin, unser Sohn und meine beiden Hunde Micky und Niki versorgt sind.“ Deshalb befindet sich Lahr derzeit in einer bedeutenden Phase seines Lebens: Er regelt seinen Nachlass.
Lange Zeit hat sich der 48-Jährige nicht mit seinem eigenen Tod befasst und, wie er sagt, auch nicht befassen wollen. Heute sieht er das anders und ist sich darüber im Klaren, dass er sein Leben regeln muss, bevor es zu spät ist. Sascha Lahr lebt in Scheidung, hat mit seinem alten Leben – bis auf die rechtlichen Wege, die noch ausstehen – abgeschlossen und lebt in einer neuen Partnerschaft mit seiner Lebensgefährtin Catharina Müller und dem gemeinsamen vier Monate jungen Sohn Simon. „Nach seiner Geburt war für mich klar, ich muss meine Familie absichern.“
Laut Angaben des Statistischen Bundesamts sind 21 930 Menschen allein im Jahr 2013 durch verschiedene Arten von Unfällen ums Leben gekommen. Diese Zahl zeigt deutlich, dass das Leben schnell und unerwartet zu Ende sein kann und es eben nicht reicht, wenn man erst in hohem Alter seinen Nachlass regelt. Aber: Unfälle enden nicht zwangsläufig tödlich. Oft hat ein Unglück oder eine Krankheit zur Folge, dass die betroffenen Personen pflegebedürftig werden und keine eigenen Entscheidungen mehr treffen können. Wer also schon frühzeitig an eine Patientenverfügung denkt, kann seinen Angehörigen in ohnehin schweren Zeiten noch schwerere Entscheidungen abnehmen – oder zumindest versuchen, ihnen diese zu erleichtern.
Den ersten Schritt ist Lahr schon gegangen und hat in einem handschriftlichen Testament seinen Nachlass geregelt. Dieses bewahrt er zu Hause auf. Seine Vertrauten sind informiert, dass dieses existiert und wissen, wo sie es finden. Experten raten allerdings dazu, wenn man sein Testament nicht kostenpflichtig beim Gericht hinterlegen möchte, dass man mehrere Kopien anfertigt und sie an unterschiedlichen Orten aufbewahrt. Bei nur einem Exemplar besteht die Gefahr, dass beispielsweise durch einen Hausbrand die Dokumente vernichtet werden. Auch der Verbleib des Hauses in Geisingen, in dem die Familie mit ihren beiden Hunden lebt, ist dokumentiert. „Wenn ich nicht mehr bin, sind meine Partnerin und mein Sohn durch eine Lebensversicherung finanziell abgesichert und das Haus geht in Catharinas Besitz über.“ Professionelle Hilfe dafür fand Lahr bei seinem Bankberater.
Während Sohn Simon mit großen Augen auf Mamas Schoß sitzt und mit seinen vier Monaten natürlich ganz andere Interessen hat, fällt es dem Paar sichtlich schwer, sich über den Tod zu unterhalten. Dennoch sind sich die beiden bewusst, dass dieses Thema unumgänglich ist. Und deshalb will Sascha Lahr auch Stück für Stück alles Weitere regeln, was im Ernstfall hilfreich sein kann. „Auch der Gedanke, unser Sohn könnte durch einen Unfall von uns beiden von heute auf morgen alleine sein, ist nicht schön“, sagt er.
Den perfekten Zeitpunkt, um über dieses schwierige Thema zu sprechen, wird es aber wohl nie geben, da ist sich das Paar einig. „Selbst im engsten Familienkreis fällt einem das sehr schwer, weil es natürlich niemand erwartet und erst recht nicht hofft“, sagt Sascha Lahr. Deshalb bleibt ihnen nur eines: „Wir müssen uns dafür die Zeit nehmen. So unangenehm es auch ist.“
Es gibt die unterschiedlichsten Methoden, den eigenen Nachlass zu regeln. Ein Testament ist für viele das Erste, was sie im Zusammenhang mit dem Tod verbinden. Doch es gehört noch mehr dazu. Ob Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, oder auch Vollmachten für Konten, Verträge oder Ähnliches. „Je mehr du dich mit dem Thema Tod und Nachlass beschäftigst, desto mehr wird dir bewusst, dass es ein sehr wichtiges Thema ist“, betont Lahr.
Für ihn zählt allerdings nicht nur, dass alles Wesentliche geregelt ist. Für ihn ist auch wichtig, dass die entsprechenden Dokumente geordnet vorliegen und dass die betroffenen Personen informiert sind. „Meine Partnerin weiß Bescheid. Und alles was wir in nächster Zeit noch angehen und an Formularen ausfüllen werden, machen wir ohnehin gemeinsam“, sagt Lahr. Auch an den Verbleib seiner beiden Vierbeiner hat er gedacht. „Wenn mir etwas zustößt, bleiben sie natürlich bei Catharina. Sollte uns beiden etwas passieren, würde sich ein guter Freund um sie kümmern.“ Das sei schriftlich nicht fixiert, aber mit diesem Freund abgesprochen. Um auf Nummer sicher zu gehen, würde Sascha Lahr aber selbst das noch dokumentieren. „Die Hunde gehören ebenso zur Familie und sollen versorgt sein.“
Haustiere werden nach dem Ableben des Halters rechtlich an die Hinterbliebenen vererbt. Gibt es diese Erben nicht, gehen die Tiere als Erbmasse an den Staat (siehe Interview rechts). In der Praxis bedeutet das, dass die Tiere ins Tierheim kommen und weitervermittelt werden. Das muss im Falle von Sascha Lahr nicht sein: „Mir ist es natürlich auch lieber, wenn ich weiß, dass Micky und Niki liebevoll versorgt sind.“
Es klingt im Gespräch alles so logisch und auf eine gewisse Art auch selbstverständlich, dass man sich mit seinem eigenen Tod beschäftigen und lange, bevor der Tag X kommt, die Zeit nach dem Ableben geregelt haben sollte. Doch Sascha Lahr weiß genau: „Das ist alles andere als die Regel.“ Es ist seiner Meinung nach ein Tabu-Thema, das in jungen Jahren „ganz weit weg ist“. Auch er muss einräumen, dass er dieses Schlüsselerlebnis „Scheidung und neue Partnerschaft“, wodurch sich sein bisheriges Leben vollkommen verändert hat, gebraucht hat, um sich über seinen Tod Gedanken zu machen. In dieser gedankenintensiven Phase, in der Lahr ausschließlich im Konjunktiv denken muss, gewinnt das Thema Tod jedoch an Bedeutung. „Du überlegst dir schon, was unangenehmer ist. Das Thema Tod jetzt anzusprechen, solange du es kannst, oder Angehörige irgendwann vor Entscheidungen stellen zu müssen, die sie womöglich aus rechtlichen Gründen nicht einmal treffen dürfen“, denkt er an eine mögliche Pflegebedürftigkeit. Doch diese Gedanken widersprechen Lahr eigentlich, denn er ist ein Mensch, der im Hier und Jetzt lebt und das Familienleben mit seiner Partnerin Catharina, seinem Sohn Simon und den beiden Hunden in vollen Zügen genießt.
„Ich kann Menschen verstehen, die ihre Schwierigkeiten mit dem Thema haben, aber ich kann jeden Einzelnen nur dazu ermutigen, sich damit zu beschäftigen“, sagt er.
Mit dem Ausdruck „alles regeln“ tut sich Sascha Lahr selbst schwer. „Ich bin jetzt nicht der Typ, der eine genaue Vorstellung davon hat, wie mein Begräbnis aussehen oder gar ablaufen muss.“ Aber dennoch habe er selbst das mit seiner Lebensgefährtin schon besprochen. Zumindest insoweit, als dass er eine Urnenbeisetzung für angemessen hält. „Welche Musik gespielt und welche Blumen gekauft werden, möchte ich aber wirklich nicht im Vorfeld bestimmen“, betont er. „Es klingt hart, aber wenn wir ehrlich sind, bekomme ich das sowieso nicht mehr mit.“
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