Bei Werner Trunz hat alles seine Ordnung. Die Geldangelegenheiten haben der 67-Jährige und seine Frau schon früh geregelt – „in jungen Jahren“, sagt er. „Für uns war es schon immer wichtig, dass die Familie alle Entscheidungen rund ums Geld selbst in der Hand hat.“ Trunz selbst wurde schon früh mit dem Tod konfrontiert, wie er erzählt. „Mein Vater verstarb, als ich gerade mal vier Jahre alt war, dann starb meine Mutter während meines Studiums und nur wenige Jahre danach mein Bruder. Danach war klar, dass die Dinge geregelt werden müssen. Es war für uns dann ganz selbstverständlich, das anzugehen“, erinnert er sich.
Die Geldangelegenheiten regeln – angesichts von 94,5 Millionen Girokonten in Deutschland eine große Aufgabe. Die Zahl der online geführten Konten steigt seit Jahren an, wie aus einer Statistik der Deutschen Bundesbank hervorgeht. Fast die Hälfte der Girokonten werden inzwischen per Internet gepflegt. Zum Vergleich: 2001 waren es rund 22 Prozent – und mit 87,1 Millionen auch deutlich weniger Girokonten.
Ohne das Einverständnis des Kontoinhabers darf im Fall von Krankheit oder Tod nicht einmal der Ehepartner auf dessen Geld zugreifen, solange keine Vollmacht vorliegt oder man ohnehin ein gemeinsames Konto hat. Experten raten deshalb dazu, für den Notfall einer Vertrauensperson eine Vollmacht zu erteilen – denn wird der Kontoinhaber beispielsweise durch einen Unfall entscheidungsunfähig, hat der Bevollmächtigte Zugriff auf das Konto und kann zum Beispiel Arztrechnungen bezahlen. Für das Ehepaar Trunz, war von Anfang an klar, wem es die Vollmacht über seine Geldangelegenheiten gibt – ihren beiden Söhnen, denen sie voll und ganz vertrauen, wie er sagt. „Wenn das so ist, kann man ihnen diese Dinge meiner Ansicht nach übergeben. Und genau das haben wir auch getan.“
Keine Angst vor Missbrauch
Schon seit vielen Jahren haben die Kinder des Donaueschinger Ehepaars Trunz alle Vollmachten für die Geldgeschäfte der Familie. Diese Vollmachten werden nicht erst im Todes- oder Pflegefall gültig, sondern sind es bereits jetzt. Angst vor Missbrauch hat Werner Trunz allerdings nicht: „Wir haben Vertrauen in unsere Kinder“, betont er. Dazu kommt, dass die beiden Söhne nur gemeinsam entscheiden dürfen. Bei jeder einzelnen Überweisung, jedes Mal, wenn Geld vom Konto abgehoben werden soll, werden von der Bank beide Unterschriften verlangt.Eine einfache Bankvollmacht berechtigt dazu, Überweisungen auszuführen, Geld abzuheben, Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen – aber: Der Bevollmächtigte kann damit beispielsweise weder neue Kreditverträge abschließen noch Kreditkarten beantragen oder gar das Konto auflösen. Dennoch prüft die Bank nicht, ob der Bevollmächtigte zu Recht Gebrauch von seiner Vollmacht macht, ob der Kontoinhaber tatsächlich nicht handlungsfähig ist. Das Risiko trägt jeder selbst.Werner Trunz bereitet dieses Wissen keine schlaflosen Nächte. Erstens habe er keinen Grund für Misstrauen, sagt er mit Überzeugung; zweitens fühle er sich bei seiner Bank in guten Händen. „Ich weiß, dass sich meine Familie an die Bank wenden kann, wenn etwas ist.“ Seine Kundenberaterin bei der Sparkasse Schwarzwald-Baar kenne er seit vielen Jahren, so Trunz. Sie weiß über jedes finanzielle Detail Bescheid. „Wenn wirklich mal etwas wäre“, da ist er sicher, hat sie ein Auge darauf, dass mit der Vollmacht kein Missbrauch betrieben wird.
„Das ist für uns ganz wichtig“, betont der Donaueschinger. Zu wissen, dass es jemanden gibt, der den Überblick hat, findet er beruhigend.Auch wenn Werner Trunz sein Leben geregelt hat, soweit es möglich ist – von der Bankvollmacht über die Patientenverfügung bis hin zum Testament –, das Thema lässt ihn nicht los. Der 67-Jährige hält die Vorsorge für ein Thema, das man permanent im Auge behalten muss. Etwa alle zwei Jahre komme es wieder auf den Tisch, „zur Überprüfung“, sagt Trunz. „Je älter man wird, desto mehr Dinge ändern sich. Und im Alter sehe ich manche Dinge natürlich auch anders als vielleicht vor 30 Jahren.“ Bei Bedarf wird dann auch etwas an den bestehenden Dokumenten geändert. „Man muss sich im Alter auch vor sich selbst schützen“, gibt Trunz zu bedenken. Der Donaueschinger ist sich darüber im Klaren, dass es niemals eine hundertprozentige Sicherheit geben kann. „Man diskutiert und überlegt sehr viel. Aber nicht alles, was man gern hätte, kann man eben auch rechtssicher formulieren.“ Zudem, sagt er, könne beispielsweise eine Vorsorgevollmacht, die zu viele Details enthält, die Angehörigen auch überfordern.
Im Alter ist man sensibilisiert
Generell beobachtet Werner Trunz bei jüngeren Menschen eine gewisse Sorglosigkeit, die er durchaus kritisch sieht. „Die jungen Leute leben meines Erachtens nach ein bisschen zu sehr in den Tag hinein. Es kann einem so schnell etwas passieren – da braucht man einfach eine Vollmacht. Es kann doch nicht sein, dass ein fremder Mensch über mich bestimmt“, sagt er. Natürlich treffe man, wenn man jung ist, andere Regelungen als im Alter. Dann sei man sensibler für das Thema: „Durch eigenes Erleben wissen wir, wie hinfällig und entscheidungsunfähig man im Alter werden kann“, sagt er.
Ein Grund dafür, dass er recht früh nicht nur seine Geldangelegenheiten, sondern auch vieles andere geregelt hat, war nicht nur der frühe Tod seiner Angehörigen, sondern auch die Tatsache, dass er beruflich viel unterwegs war – da wollte er seine Familie abgesichert wissen. „Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn jemand stirbt und die Familie steht da und hat nichts, bis der Erbschein kommt. Das geht gar nicht!“, ist seine klare Meinung. In der Tat: Stirbt jemand, erhält der Partner bei getrennten Konten erst dann Zugriff auf das Geld des Verstorbenen, wenn das Testament vollstreckt wird. Bis dahin bleiben im schlimmsten Fall Rechnungen unbezahlt, Bargeld ist nicht verfügbar. Ähnlich im Betreuungsfall – ist nichts geregelt, kommt erst der vom Gericht bestimmte Betreuer ans Konto heran.
Der Gedanke an Krankheit oder Tod hält viele Menschen davon ab, ihr Leben rechtzeitig zu regeln, solange sie dazu problemlos in der Lage sind. Schließlich geht es auch beim Erstellen einer Bankvollmacht letztendlich darum, dass zum Beispiel der Partner handlungsfähig bleibt, wenn der Hauptverdiener nach einem Unfall im Koma liegt. Werner Trunz weiß aus Erfahrung, wie hilfreich es war, „dass die Dinge geregelt waren, als meine Eltern und mein Bruder starben“. Deshalb hat er sich auch nicht viel Zeit gelassen, als es darum ging, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln. „Das war eine Frage von wenigen Wochen.“ Das Thema aufzuschieben, kam für ihn nicht in Frage: „Wenn man eine Entscheidung gefällt hat, muss man sie auch umsetzen.“ Die Formulare für die Vollmachten waren kein Problem – die habe seine Bankberaterin ausgefüllt, seine Frau und er haben sie gelesen und unterschrieben. So einfach kann es sein. Seit er auch das geregelt hat, hat Werner Trunz das Gefühl, bestmöglich vorgesorgt zu haben: „Es ist gut zu wissen, dass diese Angelegenheiten geregelt sind.“
Wir posten Bilder, liken Beiträge, nutzen Online-Banking und an unser E-Mail-Passwort erinnern wir uns wesentlich leichter als an den Platz des Briefkastenschlüssels: Unsere Lebenswelt verändert sich, die digitale Realität nimmt immer weiter zu. Noch nicht dauerhaft, noch nicht für jeden, aber die Tendenz ist deutlich: Laut der JIM-Studie 2014, die das Mediennutzungsverhalten der Zwölf- bis 19-Jährigen abbildet, haben schon 88 Prozent der Jugendlichen in Deutschland ein Smartphone.
Ständig online – das wirft ganz neue Fragen auf. Eine lautet: „Was passiert eigentlich mit unserer ganzen digitalen Existenz nach unserem Tod?“ Während viele hier noch ratlos mit den Schultern zucken, reagiert José Morla aus Murg am Hochrhein ganz entspannt: „Meine Familie und ich wissen genau, welche Online-Zugänge wir haben und meine Frau und ich kennen auch sämtliche Passwörter.“ Was beeindruckend klingt, verdankt die sechsköpfige Familie Morla einer vorbildlichen Organisation. „Wir haben jetzt ungefähr ein Jahr einen Passwortmanager in Betrieb. Nach und nach wurden hier die wichtigsten Passwörter und Log-Ins ergänzt.“ Einen besonderen Anlass gab es nicht und das Thema Nachlass stand bei dieser Entscheidung auch nicht im Vordergrund. Ein Passwort ist schnell vergessen, ebenso wie die Registrierung bei einem Online-Shop. Der 37-Jährige erklärt: „Meine Frau und ich hatten einfach das Gefühl, dass irgendwo alles zentral zusammengestellt sein sollte, so dass jeder von uns beiden auch wirklich auf alles Zugriff hat.“ Aber sonst niemand: „Das Masterpasswort für diese Datenbank kennen nur meine Frau und ich, und ich denke hinsichtlich der Nachlassregelung ist es sinnvoll, dieses bei einem Anwalt oder Notar zu hinterlegen.“ Im Testament könnte Morla dann auch festlegen, ob alle oder nur einzelne Familienmitglieder Zugang zu den Daten bekommen und ob einige Konten direkt gelöscht werden sollen. Die Passwörter zu kennen, um Daten abzurufen und Accounts löschen zu können, kann im Ernstfall für die Hinterbliebenen ein entscheidender Vorteil sein.
Ohne die Passwörter wird es zum Teil sehr kompliziert bis unmöglich, an die Daten des Verstorbenen zu kommen. Manchmal braucht es einen Erbschein, manchmal bringt selbst dieser nichts. Doch welche Daten kursieren überhaupt im Netz? José Morla ist Datenschutzbeauftragter beim Deutschen Roten Kreuz und kennt sich hier bestens aus: „Alle Online-Dienste müssen auf Nachfrage angeben welche Daten sie von mir für welchen Zweck wann gespeichert haben und natürlich für wie lange.“ Es gibt gesetzliche Löschfristen, denn was viele Online-Anbieter machen, sei leut Morla nichts anderes als eine Vorratsdatenspeicherung. „Und hier habe ich natürlich ein Mitspracherecht, auch wenn das manchmal auf den ersten Blick nicht der Fall zu sein scheint.“ Die Sache mit dem Datenschutzrecht hat jedoch einen entscheidenden Nachteil: „Es gilt nur für lebende Personen und kann nicht übertragen werden.“ Das heißt, wenn Erben nur wenig über die digitalen Fußspuren des Verstorbenen wissen, kann das spätere Regeln sehr schwierig werden.
Bestes Beispiel ist das soziale Netzwerk Facebook. Der Anbieter lässt es gar nicht zu, den eigenen Zugang zu löschen. Der Status kann nur auf „inaktiv“ gesetzt werden. Im Todesfall wird das für die Erben kompliziert: Bisher wurde das Profil in eine Gedenkseite umgewandelt, wenn Sterbeurkunde und Erbschein vorlagen. Demnächst soll es möglich sein, das Profil des Verstorbenen entweder zu deaktivieren oder weiter zu pflegen – sofern der Facebook nutzer einen entsprechenden Kontakt benannt hat. Derzeit gilt diese Regelung nur in den USA.
Die Voraussetzungen zur nachträglichen Organisation der digitalen Spuren unterscheiden sich übrigens von Anbieter zu Anbieter. Und das können schnell viele sein. Für Familie Morla kam bei ihrer Online-Inventur einiges zusammen: Um den Überblick behalten zu können, musste José Morla eine entsprechende Struktur schaffen: „Die Passwörter sind gegliedert in verschiedene Rubriken.“ Und das gut durchdacht: Unter „Internet“ finden sich alle Online-Shop-Zugänge, unter „E-Mail“ die Passwörter für alle bestehenden Postfächer. Daneben richtete Morla die Rubriken „Zahlungsverkehr“ für Online-Banking, Paypal oder kostenpflichtige Softwareupdates und die Kategorien „Mobilfunk“ mit allen Zugangsdaten rund um Handys und mobile Endgeräte, sowie „Kinder-Accounts“ ein. Hier merkt man, dass Morla sich intensiv mit der digitalen Welt auseinandersetzt. Doch während sich ganz langsam erst wenige Internetnutzer mit dem digitalen Nachlass beschäftigen, sind einige Firmen bereits einen Schritt weiter. Sie bieten an, den digitalen Nachlass zu regeln. Kostenpflichtig und auf Wunsch bereits zu Lebzeiten. Was Experten kritisch sehen, gibt auch Morla zu denken. Er sagt: „Ich stelle es mir schwierig vor, solche sensiblen Daten auf einem Webserver abzuspeichern. Diese sind deutlich reizvoller zu hacken.“ Doch auch private PCs werden gehackt und hier liegt doch der Passwortschatz der gesamten Familie? Morla bringt die Frage nach dem Schutz dieser hochsensiblen Daten vor Angriffen nicht aus der Ruhe. Die Sicherung reicht von der Firewall des Routers über eine möglichst gute und aktuelle Virensoftware bis hin zum richtigen Verhalten im Netz.
Wer sich mit Datensicherung nicht so gut auskennt, kann das Problem durch Datenspeicherung auf externen Datenträgern, wie beispielsweise einem USB-Stick, umgehen. Bis Morlas jüngster Sohn – er ist zwei Jahre alt – online surfen kann, wird es noch etwas dauern. Aber: „Das Thema digitale Welt, und alles was dazugehört, wird immer wichtiger werden.“ So fortschrittlich wird an offizieller Stelle noch nicht überall gedacht. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg, Jörg Klingbeil, sagte auf Anfrage, dass das Thema „digitaler Nachlass“ wohl nur für kleinere Gesellschaftsgruppen interessant, im Großen und Ganzen aber eher unwichtig sei. Immerhin in Berlin wurde das Thema jüngst von der Verbraucherzentrale-Bundesverband aufgegriffen. Seit Oktober vergangenen Jahres soll die Kampagne „#machtsgut“ sensibilisieren und zum Nachdenken anregen: Was wird aus unserer Existenz in der digitalen Welt, wenn es uns nicht mehr gibt? Eine bunte Kampagne mit unterhaltsamen Grafik-Effekten. Während davon vor allem normale Internetnutzer angesprochen werden sollen, machen sich die echten Netzprofis schon seit einiger Zeit Gedanken. Deutschlandweit kursierte kürzlich ein so genanntes „Blogstöckchen“ zum Thema digitaler Nachlass. Eine Art Kettenbrief im Internet: Eine Sammlung von Fragen wird an Blogger verschickt, die auf ihren Seiten diese Fragen beantworten und weitere Personen nominieren. Aber so ein Blogstöckchen bekommt nicht jeder zugeworfen.
Was das Thema Nachlass angeht, so sieht Morla wenig Nachholbedarf: „Es ist ein Thema mit dem wir von Anfang an sehr offen umgegangen sind. Wir haben darauf geachtet, dass alles so angelegt ist, dass der Ehepartner auf alles Zugriff hat und überall drankommt – und das nicht nur digital, sondern auch im realen Leben.“
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