Vor dem Tod hat Roland Mehringer keine Angst – nur davor, dass vielleicht noch nicht alles zu seiner Zufriedenheit geregelt sein könnte, wenn er einmal stirbt. Aber für diesen Fall hat er vorgesorgt und alles organisiert, was aus heutiger Sicht vorhersehbar ist. „Ich bin ein Regler“, lacht der Tettnanger. „Bei mir muss alles geplant sein.“ Da spricht einerseits der Geschäftsmann: Mehringer will alles im Griff haben und genau wissen, was mit seinem Geld passiert, nichts wird dem Zufall überlassen. Andererseits hört man aus den Worten des 73-Jährigen auch den umsichtigen Ehemann und Vater heraus, dem es wichtig ist, die Weichen für die Zukunft zu stellen, für klare Verhältnisse zu sorgen und kein Chaos zu hinterlassen.
Das hat er mit einem großen Teil der Deutschen gemeinsam – denn laut einer Studie haben sich 57 Prozent der Menschen hierzulande mit dem Thema Vererben zumindest schon einmal beschäftigt. Ein Testament gemacht haben laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Postbank allerdings nur 18 Prozent. Roland Mehringer hat sein Testament schon vor vielen Jahren mit Hilfe eines Anwalts aufgesetzt. „Ich wollte alles rechtzeitig regeln, noch bevor ich in den Ruhestand gegangen bin“, erinnert er sich. Aber so ganz zufrieden war er damit nicht – bis ihm der Gedanke kam, sein Geld in eine Stiftung zu stecken. So wurde er Gründungsmitglied der Tettnanger Bürgerstiftung.
Für die Angehörigen sorgen
Mehringer hat eine ganz klare Vorstellung davon, was mit seinem Geld geschehen soll. „Ich kann und will nicht alles ausgeben, was ich mir erarbeitet habe“, sagt er. „Ich habe all das geschafft, weil ich ein gutes Umfeld hatte. Nun will ich der Gemeinschaft auch etwas zurückgeben.“ Das sei seine Motivation. In erster Linie geht es Mehringer natürlich darum, seine Angehörigen gut versorgt zu wissen – und damit ist er nicht allein. Drei Viertel aller Erbschaften in Deutschland werden für die Kinder geplant, an zweiter Stelle stehen Ehepartner (37 Prozent) als Nachlass-Empfänger. Sein Sohn sei gut versorgt, sagt Mehringer, auch seine Frau habe er abgesichert. Dennoch sei Geld übrig, „und ins Grab kann ich das nicht mitnehmen“. Daraus folgt: Er will damit anderen helfen. Und das hat er in seinem Testament bis ins Detail festgelegt. „Der Gedanke kam mir nach dem Verkauf meiner Firma“, erinnert sich Mehringer, der sein Vermögen Haarteilen verdankt. 2004 war das, inzwischen ist der 73-Jährige ein überzeugter Wohltäter und sagt: „Spenden macht Spaß.“ Wenn er sehe, dass etwas Vernünftiges mit seinem Geld passiere, mache ihn das froh. Deshalb wollte er auch nicht warten und hat schon zu Lebzeiten ein Mietshaus in die von ihm gegründete Treuhandstiftung eingebracht. „Ich kann darauf verzichten, deshalb habe ich es getan.“
Seine Stiftung, das sei „etwas für die Zukunft“. Jedes Jahr wird beispielsweise ein Stipendium vergeben, das Studenten eines technischen Fachs bis zum Master-Abschluss unterstützt. Mehringers Stiftung läuft unter dem Dach der Tettnanger Bürgerstiftung. Vorteil für ihn: weniger Verwaltungsaufwand und das gute Gefühl zu wissen, dass alles in geordneten Bahnen läuft.
Natürlich hat nicht jeder, der seinen Angehörigen etwas hinterlassen kann oder will, genug, um es in eine Stiftung zu stecken. Aber: Amtliche Statistiken zeigen, dass insbesondere das Immobilienvermögen der Deutschen wächst. „Seinen letzten Willen zu verfassen, lohnt sich nicht nur für Millionäre“, betont Benjamin Schmidt, Fachanwalt für Erbrecht aus Konstanz. Wer sich nun dazu entschließt, für die Zeit nach seinem Tod vorzusorgen, kann das mit Hilfe eines Anwalts machen oder auch von zu Hause aus regeln. Denn für ein einfaches Testament braucht man nur ein Blatt Papier und einen Stift – es muss handschriftlich verfasst sein; ein Computer-Ausdruck wird nicht anerkannt. Auch wer eine unleserliche Handschrift hat, kommt nicht darum herum, zum Stift zu greifen – kann jedoch eine am Computer getippte Abschrift beilegen.
Ohne Unterschrift geht es nicht
Experten weisen darauf hin, dass das Dokument einen entsprechenden Titel haben sollte („Testament“ oder „Mein letzter Wille“) und dass auf keinen Fall die Unterschrift fehlen darf. Wichtig ist, sich so auszudrücken, dass keine Fragen aufkommen. Unklare Fomulierungen führen dazu, dass ein Testament auf verschiedene Arten ausgelegt werden kann – was wohl kaum im Sinne des Verstorbenen ist. Ein Beispiel: Oft werden zwar Vermächtnisnehmer genannt („Meine Frau bekommt das Haus, mein Sohn das Auto, meine Tochter das Gartengrundstück.“), aber wer der Erbe, also Rechtsnachfolger wird, bleibt unklar. Zudem verwenden Laien Fach-Ausdrücke oft falsch, gibt die Konstanzer Anwältin Monika Pilz-Hönig zu bedenken.
Und noch etwas sollte man beachten, wenn man seinen letzten Willen verfasst: Das beste Testament nützt niemandem etwas, wenn es nicht auffindbar ist. Natürlich kann man es daheim aufbewahren, möglich ist aber auch, es beim Notariat zu hinterlegen, dann wird es im Zentralen Testamentsregister gespeichert. Experten raten außerdem dazu, das Testament regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Schließlich kann es passieren, dass zum Beispiel der als Erbe eingesetzte Ehepartner zwischenzeitlich verstirbt. Solange man testierfähig, also aus rechtlicher Sicht dazu in der Lage ist, sind Änderungen jederzeit möglich.
Mehringer, der gelernte Bankkaufmann, erzählt, es sei für ihn nie infrage gekommen, sich auf seinem Erfolg auszuruhen. Deshalb ist für ihn auch selbstverständlich, dass niemand sich auf ererbtem Vermögen ausruhen dürfe.
„Ich finde nicht, dass man den Kindern alles geben muss, dass es ihnen durch meine Arbeit besser gehen muss als mir.“ Er sehe sich moralisch verpflichtet, das weiterzugeben, was er geerbt habe. „Aber was ich erarbeitet habe, über das kann ich frei verfügen.“ Seine zweite Frau und seinen Sohn habe er über seine Pläne informiert, in die Entscheidung waren sie nicht einbezogen.
Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) schätzt, dass künftig jedes Jahr Vermögen im Wert von 260 Milliarden Euro den Besitzer wechseln werden – eine unglaubliche Summe. Als Grund dafür nennen Experten die Tatsache, dass erstmals eine Generation vererbt, die mehr als 60 Jahre Zeit hatte, Wohlstand aufzubauen – ohne Krieg, Hyperinflation oder Währungsreform. In diesem Jahrzehnt geht das DIA von mehr als fünf Millionen Erbfällen aus.
Roland Mehringer will mit seinem Entschluss, eine Stiftung zu gründen, auch andere dazu bewegen, über die Möglichkeit nachzudenken, beim Vererben nicht nur an die Familie zu denken. „Es gibt so viele Menschen, die Geld haben, und die sollten damit auch etwas für andere tun“, so Mehringer, der auch im Ruhestand noch arbeitet. Er ist sicher: Die wichtigen Dinge im Leben hat er geregelt. Zumindest fast. Denn da seien immer noch Kleinigkeiten wie die Baum-Patenschaft in Panama; es bleibt also immer noch etwas zu tun. Bloß um die Beerdigung muss sich niemand mehr kümmern, das hat er schon erledigt. Mehringer will seine Asche auf einer Alpwiese verstreut wissen. Dann müsse sich niemand um das Grab kümmern. „Aber ich erwarte, dass meine Familie mal dorthin geht.“
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