Olympia ist das Sehnsuchtsziel vieler Sportler. Dabei sein ist alles, lautet die dazugehörige Redensart. Aber stimmt das auch, wenn man zwar dabei, aber nicht mittendrin, sondern nur außen vor ist? Der Deutsche Ruderverband schickt im Herren-Riemenbereich einen Achter und einen Zweier in olympische Rennen – und ein Rettungsboot für alle Notfälle. In dem sitzt der Konstanzer Jasper Angl. Einsatzwahrscheinlichkeit in Paris eher gering. Aus diesem Grund hat der 24-Jährige sein eigenes olympisches Motto formuliert: „Alles mitnehmen.“
Am Mittwochmorgen gab es endlich mal wieder Grund zum Feiern für Jasper Angl. Es wurde aus nachvollziehbaren Gründen keine rauschende Ballnacht. Aber ausnahmsweise stand der Ruderer des RV Münster im Trainingslager in Ratzeburg zumindest kurz im Mittelpunkt. Der Mann, der noch am Dienstag in der Olympiavorbereitung der besten deutschen Riemenruderer fernab der Kollegen seine einsamen Bahnen zog. Die Teamkollegen gratulierten am Mittwochmorgen recht herzlich zum 24. Geburtstag, zogen dann aber schnell wieder von dannen – wie jeden Morgen.
Steuermann Jonas Wiesen schnappte sich seine immergleichen acht Recken, und formt sie im Flaggschiff des Deutschen Ruderverbandes zu einer olympiatauglichen Einheit. Zweier-Trainer Alexander Weihe feilte mit Angls Clubkamerad Sönke Kruse und Julius Christ an den letzten Details für den großen Auftritt in Paris. Und Jasper Angl? Freute sich über einen Geburtstagsgast ganz besonders – wie ein Einzelkind, das seinen Kumpel zum Spielen mit in den Urlaub nehmen darf: Theis Hagemeister war frisch aus England angereist.
Der Frankfurter war bereits im österreichischen Völkermarkt Trainingspartner von Jasper Angl und teilt nach einem Abstecher nach Henley auch in Ratzeburg ein Boot mit dem Münsteraner. Nach Paris fährt Hagemeister nicht, in der französischen Hauptstadt ist Angl der einzige Ersatzmann für die deutsche Riemengarde: Elf Mann auf ihren Stammplätzen – einer auf Abruf.
Seinen Humor hat er nicht verloren
„So richtig toll finde ich das immer noch nicht“, sagt Angl, der bei den Weltmeisterschaften 2023 noch unverzichtbarer Teil des Großboots war und dem Achter einen Startplatz in Paris sicherte. Bundestrainerin Sabine Tschäge rotierte den Konstanzer aus dem Achter in den Vierer – in der deutschen Rudertradition gleichbedeutend mit einer lupenreinen Degradierung. Angl hat mittlerweile seinen Frieden mit seiner neuen Rolle gemacht: „Ich bin auch so selbstbewusst, dass ich nicht überrascht war, als Ersatzruderer nominiert zu werden. Aber natürlich war das nicht mein Anspruch. Jetzt nehme ich alles mit, was diese Situation zu bieten hat.“
Am vergangenen Freitag beispielsweise die offizielle Einkleidung für die Olympischen Spiele in Düsseldorf: „Das war schon ein cooler Termin. Die ganze Veranstaltung war auch ziemlich groß angelegt mit verschiedenen Stationen, man bekam einen Laufzettel, überall wurden die Sachen angepasst, das war eine runde Sache“, sagt der 24-Jährige. „Und überall wurden Interviews geführt – wenn auch nicht mit mir, für mich interessiert sich keiner.“
Ein Treffen mit dem DBB-Team?
Angl hat auch als Schattenmann seinen Humor noch nicht verloren. „Nein, ich mache jetzt einfach das Beste draus. Dazu zählt auch das Training als solches: Besser zu werden, an sich selbst zu arbeiten. Das ist auch eine gute Sache.“ Und auch das: In Düsseldorf packten neben den Ruderern auch Deutschlands Basketballer ihre Paris-Koffer. „Das war für mich als echter Basketballfan natürlich eine tolle Sache.“ Mit Dennis Schröder und Co. kam der gebürtige Konstanzer zwar (noch) nicht ins Gespräch, „aber schon mit einigen Betreuern. Und vielleicht ergibt sich ja in Paris noch einmal etwas.“
Noch lebt der Traum von Olympia, auch wenn die Chancen auf einen Noteinsatz – dessen ist sich Jasper Angl bewusst – erfahrungsgemäß gering sind, „und ich natürlich Keinem etwas Schlechtes wünsche.“ Aktuell sind Rollen und Rollsitze fest verteilt: Acht Mann plus Steuermann suchen ihren Takt im Großboot, zwei Mann reißen sich im Zweier am Riemen – und einer zieht stoisch seine eigenen Bahnen, in der großen Hoffnung, in diesem Jahr vielleicht noch ein Mal Grund zum Feiern zu haben...