Mehr als 20 Jahre in Folge fuhr der Küchenbauer Alno Verluste ein, bevor er Mitte 2017 endgültig pleite ging. Wie kann das sein, angesichts einer boomenden Konjunktur in Deutschland im selben Zeitraum? Ein Prüfbericht der Frankfurter Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Andersch, der im Auftrag der Alno-Insolvenzverwaltung erstellt wurde und der dieser Zeitung vorliegt, gibt jetzt detaillierte Einblicke. Demnach waren es unter anderem die ambitionierten Expansionspläne des ehemaligen Alno-Chefs Max Müller, aber auch Managementfehler seines Nachfolgers im Alno-Chefsessel, Christian Brenner, die dem Unternehmen das Wasser abgruben.
Als Müller sein Amt Mitte 2011 antrat, kündigte er an, das Auslandsgeschäft zu forcieren, um den Küchenbauer wieder auf die Erfolgsspur zu bringen. Das letzte Geschäftsjahr, das von Müller-Vorgänger Jörg Deisel bis Mai mitverantwortet wurde, brachte Alno einen Rekordverlust von (bereinigt) fast 45 Millionen Euro ein. Schon wenige Monate nach Amtsantritt verkündete Müller die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit einem chinesischen Partner. Wenig später expandierte Alno in die Schweiz – Müllers Heimat – und nach Russland, wo jeweils eine Produktion aufgebaut wurde. Auch in die USA wurden die Fühler ausgestreckt. Kritiker bemerkten schon damals, das sei zu viel für ein mittelständisch geprägtes Unternehmen.

Ein Einwand, der in dem Prüfbericht des Insolvenzverwalters bestätigt wird. Die vor allem duch die Gründung von Auslandstöchtern und Gemeinschaftsunternehmen getragene "Internationalsieirungsstrategie", sei ein "Grund für die heutige wirtschaftliche Schieflage der Alno-Gruppe", schreibt Insolvenzverwalter Martin Hörmann. Insbesondere die Übernahme der Schweizer AFP-Küchen AG habe sich zu einem "wesentlichen Verlustbringer" entwickelt, der die Ertragskraft von Alno bis tief ins Jahr 2017 belastet habe. Aber schon Mitte 2016 stand Alno mit dem Rücken zur Wand. Im Frühsommer 2016 wurden daher nach Informationen dieser Zeitung Vorbereitungen für eine Kapitalerhöhung getroffen und parallel Gespräche mit chinesischen Investoren sowie Beteiligungsgesellschaften geführt. Am Ende war es Müller, der die Kapitalerhöhung abbließ und den Einstieg von Tahoe Investors, hinter dem die bosnische Hastor-Familie steht, unterstützte. Von informierter Seite heißt es, Müller selbst habe bei Alno erhebliche "strukturelle Probleme", insbesondere in der ineffizienten Porduktion und Logistik des Küchenbauers erkannt und daher den Einstieg der im hochproduktiven Automobilzuliefergeschäft erfahrenen Hastor-Familie unterstützt. Ein Plan, der deutlich schief ging.
Tödliche Strategie
Der Versuch des neuen Vorstands um Tahoe-Mann Chrsitian Brenner, die aus dem Autobau bekannte just-in-Time-Produktion – also eine Fertigung ohne Lager – auf Alno überzustülpen, schlug fehl. Weil gleichzeitig Rechnungen an Vorlieferanten nicht mehr beglichen werden konnten, stockte der Teilenachschub. Ab Februar 2017 verließ nach Informationen dieser Zeitung keine Küche mehr vollständig die Alno-Produktionshallen. Die Folge waren "massenhafte Auslieferungen nicht funktionsfähiger Küchen". Das wiederum führte dazu, dass Kunden die Zahlung zurückhielten – ein Teufelskreis, der für Alno das Ende bedeutete. Als "tödliche Kombination" bezeichnet Hörmann, die Tahoe-Strategie in den letzten Monaten vor der Insolvenzanmeldung des Unternehmens.
Allerdings darf bezweifelt werden, ob die bosnischen Investoren, die dem Vernehmen nach zwischen Juli 2016 und Juli 2017 mindestens 70 Millionen Euro in Alno gesteckt haben, noch genug Zeit hatten, einen Umschwung herbeizuführen. Die Ergebnisse des Konsolidierungskurses reichten nicht aus. Maßgeblich dafür waren "Altlasten" – etwa in Form hoher Verbindlichkeiten, die wie Blei in der Bilanz lagen. Ausweis der Misere gibt eine Zahl. Zwischen 2013 und und der Insolvenz im Juli 2017 verbrannte Alno 91 Millionen Euro.