Herr Matthes, was ist Framing überhaupt?
Beim Framing geht es um die Deutungshoheit von Konfliktthemen. Zu jedem Thema existieren verschiedene Sichtweisen. Framing meint, ein Thema unter einer ganz bestimmten Sichtweise zu sehen, also einen Rahmen auf das Thema zu setzen. Beispielsweise kann man Biotechnologie unter dem Blickwinkel des medizinischen Fortschritts oder aber als Pandoras Box betrachten. Die entscheidende Frage ist, welche Sichtweise sich in der Diskussion durchsetzt. Die Sprache spielt dabei eine wichtige Rolle: Einzelne Schlüsselwörter können bestimmte Assoziationen nahe legen und andere ausblenden. Aber: Das bedeutet nicht, dass dadurch Menschen automatisch beeinflusst werden. Insgesamt ist Framing als Konzept alles andere als unumstritten. Es gilt mittlerweise als nahezu wertloses Konzept, da es auf alles anwendbar ist und damit aber nichts wirklich erklärt.

Wo verlaufen da die Grenzen, wo wird starkes Framing zur Gehirnwäsche?
Hier muss man klar sagen: Die Thesen von Elisabeth Wehling sind deutlich überzogen und auch nicht durch empirische Studien belegt. Ich sehe auch keine neurowissenschaftlichen empirischen Belege. Auch lassen sich Menschen nicht so einfach nur durch die Verwendung von einzelnen Schlüsselwörtern beeinflussen, so dass man von einer Gehirnwäsche oder Manipulation reden könnte. Ob Menschen beeinflusst werden, hängt in erster Linie von ihren Voreinstellungen und den dargebrachten Argumente ab sowie der Frage, wie intensiv wir uns mit einem Thema auseinandersetzen können und wollen.
Was kann das Gutachten für die ARD dann überhaupt bewirken?
Die Empfehlungen im Framing Manual hätten, würde man sie umsetzen, bestensfalls kosemetische Effekte, wenn überhaupt. Was die Menschen über die ARD oder die Privatsender denken, hängt immernoch vom Inhalt und den eigenen Erfahrungen ab. Man darf auf die Inszenierung der vermeintlichen Macht des Framings nicht hereinfallen. Leider ist dies gerade in der Öffentlichkeit passiert.
Ist das, was gerade der ARD passierte, das Schlimmstmögliche? Also gescheitertes Framing, sodass die Menschen ganz genau merken, dass ihnen gerade eine Erzählung mit einem ganz bestimmten Rahmen verkauft werden sollte?
Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die ARD die Umsetzung dieser Empfehlungen ernsthaft in Erwägung gezogen hat. Wenn ja, dann wäre das ein Offenbarungseid und ein Zeugnis, wie weit man vom Publikum entfernt ist. Das Manual ist wissenschaftlich gesehen leider nicht haltbar und ohne belastbare Belege. Die Macht der Sprache wird in dem Manual deutlich überschätzt und die Medien sind anscheinend gerade deshalb darauf hereingefallen.
Ist es richtig, dass die ARD versucht, Verleumdungs-Versuchen von extremer Seite mit eigenen Formulierungen zu begegnen oder würde es reichen, gute Arbeit zu machen? Und wie schlau ist es, dass Teil der Strategie eine negative Abgrenzung ist, die den freien Rundfunk und die freie Presse als rein profitgetrieben verleumdet?
Wie gesagt, die Empfehlungen des Framing Manuals sind aus wissenschaftlicher Sicht nicht ernst zu nehmen. Die ARD hat sich mit der Beautragung eines solchen Gutachtens bereits ein Eigentor geschossen.
Inwiefern sollten Wissenschaftler, die sich mit Framing beschäftigen, auch tatsächlich Frames entwickeln, bis hin zu konkreten Werbesprüchlein für Unternehmen wie die ARD?
Die primäre Aufhabe von Wissenschaftlern ist nicht, Unternehmen zu beraten, sondern exzellente Forschung und Lehre zu betreiben. In der Regel werden die Forschungsbefunde in Fachzeitschriften publiziert und dort streng begutachtet und erst dann der breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Den letzten Schritt vor dem ersten zu machen, halte ich für einen Fehler.
Zur Person
Jörg Matthes (Jahrgang 1977) ist Professor für für Werbeforschung an der Universität Wien und leitet dort das Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Er ist einer der angesehensten Framing-Experten im deutschsprachigen Raum, hat dazu bereits ein Buch geschrieben und sich zudem in seiner Doktorarbeit an der Universität Zürich mit dem Thema beschäftigt.