Andreas Joas

Handball, 2. Bundesliga

Wilhelmshavener HV - HSG Konstanz 31:24 (17:8)

Nach einer völlig verkorksten ersten Halbzeit musste sich die HSG Konstanz im vierten Duell mit dem Wilhelmshavener HV zum ersten Mal geschlagen geben und vergab die große Chance, sich bis auf zwei Punkte an die Niedersachsen heranzuschieben. Stattdessen ist der Vorsprung des WHV nach dem 31:24 (17:8)-Heimsieg auf die Konstanzer auf fünf Zähler angewachsen.

Die Zuversicht vor dem wichtigen Spiel im hohen Norden war groß, die Unterstützung durch die weit gereisten Fans ebenso. Wie wichtig die Partie beiden Mannschaften war, offenbarten schon die ersten Minuten. Nervös, fehlerhaft, noch neben sich und vom Druck gelähmt wirkten die Protagonisten auf dem Spielfeld. Felix Klingler besorgte schließlich nach langen Minuten ohne Torerfolg beider Teams die 2:1-Führung für die Gäste. Es war die letzte für Konstanz. Denn während Wilhelmshaven sich langsam stabilisierte und zu einem normalen Spielfluss fand, wirkte Konstanz immer noch abwesend und wie in schwere Ketten gelegt.

Ein völlig gebrauchter Tag. Nichts wollte funktionieren, weder der Zugriff in der Deckung, noch irgendein Spielfluss und die Sicherheit im Offensivspiel. Stattdessen: Haarsträubende Fehler, dazu zahlreiche Fehlwürfe, selbst aus besten Positionen. Dennis Doden, der dadurch heißgelaufene Keeper der Hausherren, durfte sich in den ersten 30 Minuten zwölf Paraden und 60 Prozent gehaltene Würfe in sein Arbeitsbuch notieren. Dazu drei entschärfte Siebenmeter. Ausdruck des Sahnetages des großgewachsenen Schlussmannes, aber auch deutliches Zeichen dafür, dass Konstanz in längst vergessene Zeiten zurückfiel und die mit Abstand schlechteste Halbzeit in der Rückrunde ablieferte. Nichts mehr zu sehen von der Spielfreude und Variabilität der vergangenen Wochen. „Wir haben kaum einen Zugriff in der Abwehr gefunden“, gestand HSG-Trainer Daniel Eblen. „Wenn dann dazukommt, dass man vorne auch noch viele leichte Bälle verwirft – gerade aus der Nahwurfzone oder vom Kreis – kommt so ein Ergebnis zustande.“

Nach zwölf Minuten sah sich Eblen bereits gezwungen, die zweite Auszeit zu nehmen. Zwischenstand zu diesem Zeitpunkt: 3:7. Beim WHV funktionierte nun alles, der die Unzulänglichkeiten in der Konstanzer Offensive mit schnellem Konterspiel gnadenlos ausnutzte und so zu vielen einfachen Toren kam. Grundlage war eine aggressive, sehr früh attackierende Deckung (15:7/ 22.). Und wie so oft, wenn es nicht läuft, kommt auch noch Pech dazu: Konstantin Poltrum angelte sich ebenfalls einen Strafwurf, den Abpraller versenkte jedoch Rechtsaußen Vorontsov. Kurz darauf scheiterte Fabian Schlaich am Pfosten und im direkten Gegenzug trudelte ein Kullerball nach Parade von Poltrum doch noch zum 16:8 über die Linie.

Nach dem Seitenwechsel wirkte die HSG Konstanz dann wacher und präsenter. Eblen: „Es war klar, dass es mit der Hypothek in der zweiten Hälfte schwer werden würde, noch etwas zu holen.“ Doch der 43-Jährige holte die Erinnerungen an das erste Spiel an der Küste hervor, als es trotz Zehn-Tore-Führung am Ende noch einmal knapp geworden war. Tim Jud als vorgezogene Spitze in der 5:1-Abwehr, Mathias Riedel im linken und Paul Kaletsch wieder einmal im rechten Rückraum sorgten für eine spürbare Belebung und eine nun neu gestartete, offene Partie. Doch immer, wenn sich die Chance auf mehr bot, etwa nach dem 13:20 oder 18:25 (49.), scheiterte die HSG am Gebälk oder agierte unglücklich, kassierte eine Zeitstrafe oder vergab freistehend in Unterzahl. „Wir haben zu schnell versucht, alles aufzuholen“, meinte der HSG-Coach. „Wir waren dann zu hektisch und einfach nicht gut genug an diesem Tag gegen einen starken WHV.“ Erst ganz am Ende konnte der Rückstand auf sechs Tore verringert werden, mehr als eine Ergebnisverbesserung und eine für sich entschiedene zweite Halbzeit waren jedoch nicht mehr drin. „Für mehr hätte nach der Pause alles passen müssen“, so Eblen.

Nach der Länderspielpause kommt es für die HSG Konstanz in der Schänzlehalle am Samstag, 14. April, 20 Uhr, zum Derby gegen den letztjährigen Bundesligisten HBW Balingen-Weil-stetten.

Wilhelmshavener HV: Lüpke, Doden (Tor); Schwolow (6), Smits (3), Vorontsov (4/1), Kozul (2), Andrejew, Maas, Postel (6), Köhler, Ten Velde (10), Lehmann, Wolterink, Kalafut, Schweigart, Drechsler. – HSG Konstanz: M. Wolf, Poltrum (Tor); Schlaich (4/1), Riedel (2), T. Wolf (2/1), Oehler, Kaletsch (2), Krüger (1), Maier-Hasselmann (3), Gäßler, Jud (5), Wendel, Berchtenbreiter (4), Schwarz, Klingler (1). – Z: 1128.

"Wir sind zum ersten Mal richtig eingebrochen"

Bei der 24:31-Niederlage in Wilhelmshaven war Kreisläufer Chris Berchtenbreiter einer der besten Akteure der HSG Konstanz. Im Interview nennt der 24-Jährige die Gründe für den Einbruch in der ersten und die Steigerung in der zweiten Halbzeit

Herr Berchtenbreiter, was waren die Gründe für die Neun-Tore-Differenz in der ersten Halbzeit?

Wir konnten über 60 Minuten nicht an unsere sehr guten Leistungen in der Rückrunde anknüpfen. In der ersten Hälfte war das sowohl in der Abwehr als auch im Angriff eine schlechte Vorstellung. Während wir in der Deckung über 60 Minuten nie wirklich Zugriff bekommen haben, konnten wir uns nach der Pause in der Offensive etwas steigern. Wilhelmshaven war an diesem Tag aber zu gut und hat verdient gewonnen.

War die erste Halbzeit ein Rückfall in alte Zeiten?

Das würde ich so nicht sagen. Wir haben uns in der Rückrunde bislang ausgesprochen gut präsentiert und sind nun zum ersten Mal richtig eingebrochen. Das kann es immer mal geben und war eine Ausnahme in der Rückserie. Kaum einer Mannschaft gelingt es, immer konstant und optimal die eigene Leistung abzurufen. Wir messen der Niederlage deshalb keine allzu große Bedeutung bei und konzentrieren uns auf unsere gute Entwicklung nach der EM-Spielpause.

Woher kam die Steigerung nach dem Seitenwechsel?

Die erste Halbzeit war desolat, so ehrlich muss man sein. Wir waren uns bewusst, dass wir uns nochmal zusammenreißen und deutlich steigern müssen, um eine Klatsche zu verhindern. Wir haben es geschafft, uns langsam der Normalform anzunähern. Uns ist bewusst, dass wir für den hinteren Tabellenbereich ein sehr gutes Torverhältnis haben. Das kann am Ende noch zum Faktor werden, den wir uns für uns sichern wollen.

Kommt die Spielpause am kommenden Wochenende zum richtigen Zeitpunkt?

Wir hatten eine sehr lange Heimfahrt, um das Spiel zu verarbeiten. Trotzdem steckt das direkt nach der Rückkehr noch etwas in den Knochen, doch auf Ostern und ein wenig Zeit mit der Familie und Freunden haben wir uns schon alle sehr gefreut. Das hilft schon, wieder Kraft zu tanken und den Kopf frei zu bekommen. Wir haben nun ein paar Tage frei, können durchatmen und die Blessuren auskurieren. Und dann steigt die Spielfreude auch schon wieder und die Vorfreude auf das Derby gegen Balingen.

Ist dieses Duell gegen den HBW am 14. April in der Schänzlehalle etwas Besonderes?

Grundsätzlich ist auch dieses Derby für uns ein Spiel wie jedes andere. Es geht für uns um zwei Punkte im Abstiegskampf. Wenn dann eine volle Halle hinter uns steht und die Luft brennt, ist das umso besser. Wir werden alles für die zwei Punkte reinlegen – und werden mit unseren Fans im Rücken unsere Außenseiterchance bekommen.

Fragen: Andreas Joas