So klug, forsch und überzeugend seine Worte auch waren, Landrat Martin Kistler schrieb leider keine Fasnachtsgeschichte: Er hatte der erste sein wollen, der in der mehr als 500-jährigen Geschichte des hochnotpeinlichen Malefiz-Narrengerichts zu Düenge freigesprochen wird.

Nur leidlich von seinem trinkfreudigen Fürsprech (Bernd Müller) unterstützt, ging es ihm aber wie all den anderen vor ihm: Narrenrichter (Klaus-Dieter Ritz) und Ankläger (Klaus Danner) übergaben ihn den Henkern, die ihn erbarmungslos ans Folterrad ketteten.
Vergebens hatte der Angeklagte immer wieder gebetsmühlenartig "runtergebetet": "I bi dä Landrat und dä Landrat bin i und ihr räderet mi ni". Zusätzlich muss der Verurteilte zu einem späteren Zeitpunkt Gericht und Henker verköstigen, beim kommenden Schwyzertags-Wunschkonzert der Stadtmusik Tiengen das Badner Lied dirigieren und am 11.11. im Büßergewand beim Mehlsuppeessen der Zunft in der "Linde" erscheinen.

Er bekam diese Strafen für mafiöse Umtriebe, die ihn zum Landrat gemacht hatten, für die Behinderung der Modernisierung des Landkreises und besonders, für die Vernachlässigung Tiengens.

Das wortgewaltige Spektakel mit musikalischer Gestaltung durch die Stadtmusik Tiengen ging am Samstag-Vormittag im Innenhof des Storchenturms über die Bühne. Die Akteure glänzten mit humorvollen Worten voller närrischen Scharfsinn und die Zuschauer wurden bestens unterhalten. Zum ersten Mal war Klaus Danner als Ankläger zu erleben. Es schien, als ob der Ex-Polizeichef froh war, endlich wieder "Schurken" das Handwerk legen zu können, so leidenschaftlich spielte er seine Rolle.
Eingebettet war wie immer der Ritterschlag: Der letztjährige Delinquent, Oberbürgermeister Philipp Frank, hat Buße getan und wurde von Ehrenzunftrat Dietmar Fritz mit gezielten Schlägen auf den Allerwertesten in den Adelsstand erhoben. Erstmals war ein hoher Fasnachtswürdenträger aus Konstanz unter den Zuschauern: Marcus Nabholz, Präsident der Narrenvereinigung Kamelia-Paradies, hatte sichtlich Spaß am Tiengener Narrengericht.

Die Narrengerichte
Narrengerichte gehören zum überlieferten Brauchtum der schwäbisch-alemannischen Fasnacht und waren im Mittelalter häufig anzutreffen. Sie sind Ausdruck des sogenannten Rügerechts, das Narren traditionell zubilligt, an Fasnacht über ausgesuchte Menschen und ihre Handlungen humorvoll-satirisch „herzuziehen“.