Im Dieselskandal hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) offensichtlich eine bisher unbekannte Schummel-Software bei Daimler entdeckt. Die Behörde leitete ein formelles Anhörungsverfahren gegen den Autobauer ein, wie Daimler am Sonntag gegenüber dem SÜDKURIER bestätigte.
Betroffen ist demnach das Mercedes-Benz-Modell GLK 220 CDI mit der Abgasnorm 5. Über den Vorgang hatte zuerst die „Bild am Sonntag“ berichtet. Demnach geht es um den Verdacht auf eine weitere „unzulässige Abschaltvorrichtung“.
Betroffen seien 60.000 Fahrzeuge, die zwischen 2012 und 2015 produziert wurden. „Wir kooperieren vollumfänglich mit dem Kraftfahrt-Bundesamt und prüfen den beschriebenen Sachverhalt“, heiß es von Daimler. Das Unternehmen werde dem Kraftfahrtbundesamt im Rahmen der Anhörung „unsere Sichtweise darlegen“.
Offenbar neues Verfahren
Die Behörde war offenbar bereits im Herbst 2018 auf die umstrittene Software-Funktion bei dem Motor OM 651 gestoßen. Weitere Emissionsmessungen bei einem GLK-Modell hätten den Verdacht dann erhärtet. So werde der gesetzliche Grenzwert für Stickoxide nur eingehalten, wenn die sogenannte Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung aktiv ist. Im Straßenbetrieb werde die Funktion dagegen deaktiviert.
Der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule in Nürtingen-Geislingen, Stefan Reindl, sagte dem SÜDKURIER, sollten die Vorwürfe zutreffen, handeles es sich dabei offenbar um ein neues Verfahren, das die Abgasqualität über die Veränderung der Öl- beziehungsweise Kühlmitteltemperatur beeinfluße. „Die Abgasreinigung arbeitet dann nur innerhalb des vorgeschriebenen Testbereichs auf dem Prüfstand voll“, sagte er. Bislang sei dieses Verfahren nicht bekannt.
Folgende Tricksereien wurden in der Automobilbranche bereits auffällig:
Thermofenster: Bislang hatte Daimler das Herunterregeln der Abgasreinigung in seinen Modellen mit dem sogenannten Thermofenster begründet. Je nach Außen- und Motortemperatur wird dabei die Einspritzung von AdBlue – das ist eine Chemikalie, die die Diesel-Abgase fast komplett reinigen kann -, gedrosselt. Daimler, aber auch andere Hersteller wie Opel berufen sich dabei auch den Schutz wichtiger Bauteile, wie etwa des Motors. Kritiker vermuten allerdings, dass so schlicht die Menge des verwendeten AdBlues verringert werden soll, um umständliches und teures Nachtanken für den Kunden zu vermeiden.
Lenkwinkelerkennung: Mit diesem Kniff arbeitete Volkswagen und dessen Töchter, also beispielsweise Audi. Nach Erkenntnissen des KBA erkennt eine Software, ob das Auto auf dem Prüfstand steht. Maßgeblich dafür sind die Lenkbewegungen, die im Labor standardmäßig erfolgen. Sobald die Software die Präfstandfahrt identifiziert hat, regelt sie die Drehzahl des Motors und steigert die Ad-Blue- Einspritzung. Das Abgas wird plötzlich sauber. Bei einer normalen Fahrt wird die Abgasreinigung dagegen heruntergefahren.
Zeiterkennung: Da der Prüfstandtest immer genau gleich lang geht, orientieren sich manche Betrugs-Softwares einfach nach der Zeit. Nach Ablauf der für die Prüfstandsfahrt nötigen Zeit, fahren sie die Abgasreinigung zurück. Fiat-Chrysler hat solche Systeme gnutzt.
Daimler musste 2018 Fahrzeuge zurückrufen, davon 280¦000 in Deutschland. Dass dabei die jetzt entdeckte Betrugssoftware unbemerkt entfernt wurde, wie ein Medienbericht nahelegt, bestreitet Daimler vehement. „Die Behauptung, dass wir mit der freiwilligen Service-Maßnahme etwas “verbergen’ wollen, ist unzutreffend, hieß es.
Mit Material von AFP