Es war, nein es ist der Menschheitstraum schlechthin: fliegen können. Egal ob Vogel, Flugzeug oder Skispringer: die Leichtigkeit, die Eleganz machen das Fliegen so faszinierend. Doch Leichtigkeit hat nichts mit dem Wort „einfach“ zu tun. Beispiel Skispringen: Diese Sportart scheint für einen Skisportler der kürzeste Weg in den Olymp zu sein. Vom Balken oben bis zum Abschwingen unten sind es etwa 15 Sekunden, macht bei zwei Druchgängen etwa 30 Sekunden Arbeitszeit. Etwas provokant ausgedrückt: In zwei Minuten ist man Sieger der Vierschanzentournee.
„Skispringer sind Künstler“, sagt der deutsche Cheftrainer
Beim Neujahrsspringen ist der langsamste Athlet mit 88,2 Stundenkilometer abgesprungen (der Bulgare Wladimir Zografski), der schnellste mit 90,7 (der Norweger Robert Johansson) – diese Spanne ist minimal. Die Weite der Sprünge variierte allerdings zwischen 105,5 Metern (der Deutsche Martin Hamann) und den 138 Metern von Landsmann Markus Eisenbichler – diese Spanne ist maximal. Und obwohl der beste deutsche Springer zweimal weiter flog als Ryoyu Kobayashi, gewann der Japaner – aufgrund der Windpunkte, weil unterschiedliche Bedingungen herrschten. Kurzum: Skispringen ist kompliziert. Der deutsche Cheftrainer Werner Schuster sagt es so: „Skispringer sind Künstler.“
Die Kunst der Flieger besteht darin, das Schwierige leicht aussehen zu lassen. „Man sollte nicht zu viel arbeiten, aber man muss konsequent trainieren“, sagt der Bundestrainer. Die Skispringer sind die Eiskunstläufer der Skisportler: Ihre harte Währung ist die Weite, die nicht unwichtige weiche Währung die Benotung ihres Flugstils, ihrer Landung durch fünf Kampfrichter. Die Luftikusse müssen also Alleskönner sein, bei maximaler Verdichtung der Arbeitszeit alles idealerweise perfekt machen. Ralph Eder, als Pressesprecher des Deutschen Skiverbandes für die Skispringer als auch die Alpinen zuständig, sagte in Engelberg, einem himmlischen Ort für Grundsatzdiskussionen: „Ein Marcel Hirscher hat in einem Slalom viel mehr Zeit, einen Fehler wiedergutzumachen, als ein Skispringer während eines Sprunges.“
Stimmt. Für seine Slalomsiege kurz vor Weihnachten in Saalbach-Hinterglemm benötigte der Alpinstar aus Österreich 1:54,98 Minuten, für insgesamt 138 Tore. 138 und mehr Möglichkeiten, einen Fehler zu machen. 138 und mehr Möglichkeiten, einen Fehler wiedergutzumachen. Ein Fehler beim Skispringen – der Wettkampf ist gelaufen.
„Was im Skispringen so interessant ist und es gleichzeitig so schwierig macht, ist, dass alles alles beeinflusst“, sagt Alexander Stöckl, der Cheftrainer der Norweger. Er gibt ein Beispiel: „Wenn du einen Ski hast, der ein bisschen weicher ist, dann beeinflusst das alles: Flugphase, Bindungseinstellung, wie der Springer wegspringt, wie er rotiert, was unten passiert – alles hängt mit allem zusammen.“ Man könne nicht irgendwo ein Schräubchen einfach fester drehen, sagt der Österreicher, man müsse dann überall nachziehen. Aber in welche Richtung? Und wie fest?
Drittes Springen Freitag um 14.00 Uhr
Skispringer sind Künstler, Tüftler, stets auf der Suche nach dem nächsten Innovationssprung: Sprunganzüge statt Kniebundhose, V-Stil statt Parallelstil – das Skispringen ist in einem dreidimensionalen Raum in ständiger Bewegung. Und die Kunst ist es für Markus Eisenbichler, bei den beiden Tourneespringen am Freitag, 14.00 Uhr (ARD/Eurosport), in Innsbruck und beim Abschluss am Sonntag in Bischofshofen ganz einfach alles so zu machen wie immer.