Als das Spiel im Schwarzwaldstadion angepfiffen wird, sitzt einer mit düsterer Miene draußen auf der Bank. Als das Spiel im Schwarzwaldstadion abgepfiffen wird und der SC Freiburg den FSV Mainz 05 mit 3:0 geschlagen nach Hause schickt, erhält einer von Sportclub-Trainer Christian Streich eine innige Umarmung. Es handelt sich um ein und denselben Fußballer – und um eine Geschichte der besonderen Art.
Freiburgs Lucas Höler hatte in der Vorbereitung einen guten Eindruck hinterlassen. Alles deutete vor dem Saisonauftakt in der Bundesliga auf einen Einsatz von Anfang an hin für den offensiven Mittelfeldspieler, doch dann zeigte der Daumen des Trainers nach unten. Streich verfolgte einen speziellen Plan, den er die Woche über im Geheimtraining üben ließ. Mit Dreier- und wahlweise Fünferkette statt vier Abwehrspielern wollte der SC-Coach die Mittelfeldraute des Gegners umgehen und selbst über die Außenpositionen Druck erzeugen. Da war dann für Höler zunächst kein Platz.

Zunächst bedeutet aber nicht das komplette Aus für die Partie. Also nimmt es Höler „professionell“, wie er später berichtet, und sagt sich, „okay, komme ich von der Bank und haue alles rein“. In der 65. Minute ist es dann so weit. Streich hatte fünf Minuten zuvor schon Mike Frantz für Jerôme Gondorf aufs Feld geschickt, nun kommt der Einsatzbefehl für Lucas Höler. Mit den beiden Eingewechselten verschieben sich prompt die Koordinaten des Spiels. Freiburg wird dynamischer, Freiburg wird sicherer, Freiburg wird zielstrebiger, Freiburg wird überlegen. Die Chancen häufen sich. Zwischen der 68. und 75. Minute scheitern Nils Petersen und Philipp Lienhart an Mainz-Torsteher Florian Müller, Nico Schlotterbeck und Nicolas Höfler verfehlen mit Schüssen jeweils knapp das Ziel. Und dann kommt die 82. Minute und es kommt der große Auftritt von Lucas Höler. Petersen verlängert einen weiten Pass von Schlotterbeck mit dem Kopf, Höler nimmt die Kugel an, schiebt sie geistesgegenwärtig dem heranstürmenden Alexander Hack durch die Beine und verpasst kurz darauf auch noch Müller den Beinschuss, als sich der 05-Schlussmann breitschultrig und breitbeinig vor dem Freiburger Angreifer aufbaut. Doppelter Tunnel, das 1:0, „der Dosenöffner“, wie Höler sagt. Zwei Minuten später lässt Jonathan Schmid mit strammem Linksschuss das 2:0 folgen, weitere zwei Minuten später erzielt Luca Waldschmidt per Foulelfmeter das 3:0. „Dass wir so kurz hintereinander drei Tore kassieren, geht mir tierisch auf den Sack“, schimpft Mainz-Verteidiger Daniel Brosinski, „das ist ein typisches 0:0-Spiel und dann bringen wir uns hintenraus um den Punkt.“ Auch Christian Streich meint, „wenn es nullnull ausgeht, ist es okay, aber dann hatten wir eben diese herausragenden zwei Einzelmomente“. Erst Höler, dann Schmid, und wer zu so etwas in der Lage ist im Schlussspurt, der hat auch nicht unverdient gewonnen.

Für den SC-Trainer ist es die pure Genugtuung. „Er wollte dieses Spiel unbedingt gewinnen“, erzählt Lucas Höler noch, „das hat man auch an seiner Ansprache gemerkt vor dem Spiel.“ Das erklärt Streichs hoch emotionalen Freudenausbruch nach dem Schlusspfiff und die herzliche Umarmung für den Joker namens Höler.
Der Grund: Streich hatte die Mainzer sozusagen richtig auf dem Kieker. Zu viel Negatives hatte er einstecken müssen gegen die Rheinhessen in den vergangenen Jahren, das letzte Spiel in Mainz mit über 70 Prozent Ballbesitz 0:5 verloren, das Jahr davor beim 0:2 doch tatsächlich einen irregulären Video-Elfmeter in der Halbzeitpause kassiert. „Ich weiß gar nicht, wann wir gegen die das letzte Mal gewonnen haben“, räsoniert Freiburgs Trainer am Ende eines schönen Tages, „gefühlt ja noch gar nie.“ Und noch etwas verstärkt das Rundum-Positiverlebnis: Es ist der erste Startsieg des SC Freiburg seit 2001 (damals 3:0 gegen Bremen)!