Die Zeiten für Familien waren mau damals. 2006, also ein Jahr vor Einführung des Elterngeldes, waren nur 673 000 Kinder zur Welt gekommen, so wenige wie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr. Es sollten wieder mehr Kinder geboren werden, und man wollte endlich die erfolglose Familienpolitik entstauben und ein neues Konzept anbieten, das Familien im ersten Jahr finanziell besser unterstützt. Und schließlich wollte man Väter animieren, sich mehr an der Erziehung ihrer Kinder zu beteiligen. Nun, zehn Jahre nach Einführung des Elterngeldes, ist es Zeit für eine Bilanz. Hält das Konzept, was es versprochen hat?
Betrachtet man zunächst die Geburtenrate, dann ist das Elterngeld gefloppt. 2006 lag diese gerade mal bei 1,3 Kindern pro Frau. Inzwischen ist die Geburtenrate zwar auf 1,5 Kinder je Frau gestiegen, doch es sind vor allem Mütter mit ausländischem Pass, die zu diesem Plus beitragen. Einen kleinen Anstieg immerhin gab es bei Akademikerinnen über 35 Jahren. Von einem Babyboom sind wir also auch heute noch weit entfernt.
Wer zu Hause beim Kind bleibt, erhält mit dem Elterngeld im ersten Jahr nach der Geburt 65 Prozent des letzten Nettoeinkommens, mindestens 300, maximal 1800 Euro. Wenn auch der Partner zu Hause bleibt, wird für zwei zusätzliche Monate Elterngeld bezahlt. Finanziell kann dies attraktiv sein. Doch in Familien, die nicht auf das oft bessere Gehalt der Väter verzichten können, führt es auch dazu, dass die Frauen zu Hause bleiben. Da es einkommensabhängig konzipiert ist, profitieren Familien mit geringem Einkommen eher weniger vom Elterngeld als solche mit höherem Einkommen. Doch es war nie als Umverteilungsinstrument gedacht. Denkbar wäre hier, den Mindestbetrag zu erhöhen.
Und die Väter? Zu hohe Einkommensverluste sind für 60 Prozent von ihnen der Grund, kein Elterngeld zu beantragen. Väter, die gut verdienen, wollen oft auch für zwei Monate nicht auf ihren Verdienst verzichten und sich mit 1800 Euro bescheiden. Jene, die es trotzdem tun, und es sich leisten können, mit Frau und Kind das Elternsein eventuell auf einer Reise zu genießen, haben Neider. Doch ins Familienleben hat sich der Staat nicht einzumischen, so dass es jedermanns freie Entscheidung ist, wie er diese erste Zeit nach der Geburt seines Kindes gestaltet.
Wenn Väter in Elternzeit gehen, dann wirkt sich das vielmehr positiv auf die Familie als Ganzes und auch auf die Partnerschaft aus. So haben Umfragen im Auftrag des Bundesfamilienministeriums ergeben, dass Väter, die Elterngeld genutzt haben, danach aktiver in der Kinderbetreuung sind und sich auch noch Jahre später mit ihrer Partnerin die Arbeit mit Kindern und Haushalt gerechter aufteilen. Sie haben erfahren, was es heißt, ein Kind den ganzen Tag zu umsorgen.
Ein weiterer Effekt ist, dass das Elterngeld die Berufstätigkeit der Frauen befördert hat. Heute sind fast 60 Prozent der Mütter mit dem jüngsten Kind zwischen zwei und drei Jahren erwerbstätig, vor zehn Jahren waren es nur rund 40 Prozent. Dies ist auch mit Blick auf die Rente wichtig.
Erwartungen bei Vätern übertroffen
Man könnte einwenden, dass immer noch die Mütter den größten Teil der Zeit zu Hause bleiben und 79 Prozent der Väter Elterngeld nur für zwei Monate beziehen. Doch während 2006 nur vier von 100 Vätern zu Hause blieben, sind es heute schon 34. Interessant ist, dass bei den Vätern oft Wunsch und Wirklichkeit auseinanderklaffen: Nach der idealen Elternzeit für Väter befragt, geben diese als Dauer sechs Monate an. Dass sie das Angebot noch nicht so stark und lange nutzen, hat oft betriebliche Ursachen: Der Vorgesetzte toleriert keine Auszeit, obwohl ein gesetzlicher Anspruch besteht, und die Väter fürchten den Karriereknick und Kollegen, die kein Verständnis haben, weil die Mitarbeiterdecke zu dünn ist und sie die Mehrarbeit übernehmen müssen. Hier muss sich noch einiges in den Unternehmen ändern.
Alles in allem ist das Elterngeld ein ermutigendes Modell für den Beginn einer gleichberechtigten Erziehung in Familien. 69 Prozent der jungen Väter zwischen 18 und 29 Jahren würden gerne ihre Arbeitszeit für die Familie reduzieren. Sie wünschen sich flexible Arbeitszeitmodelle. Familienfreundlichkeit ist keine leere Worthülse mehr, sondern ein strategischer Wettbewerbsvorteil. Gut ausgebildete Fachkräfte wollen wissen, welche flexiblen Arbeitszeit- und Führungsmodelle es gibt und inwiefern mobiles Arbeiten möglich ist, und das, bevor sie eine Stelle antreten. Am Ziel sind wir erst, wenn es das Wort Familienfreundlichkeit in unserem Wortschatz nicht mehr gibt, weil sie überall Alltag geworden ist.