Wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Dienstag mitteilte, könnten bis zu 23 Millionen Menschen in der Türkei und Syrien von den Folgen des Bebens betroffen sein. Sorge bereitet dabei zusätzlich die Frage, wie internationale Hilfe ins Bürgerkriegsland Syrien gebracht werden kann

Wie die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad mitteilte, wurden in der Türkei bis Dienstagabend mehr als 5400 Todesopfer geborgen. In Syrien lag die Opferzahl bei über 1700. Da noch etliche Menschen verschüttet sind, wird mit einem weiteren Anstieg der Opferzahlen gerechnet.

Potenziell 23 Millionen Menschen den Folgen des Bebens ausgesetzt

Die hochrangige WHO-Vertreterin Adelheid Marschang sagte in Genf, ein Überblick über die betroffenen Gebiete in der Türkei und Syrien habe ergeben, dass „potenziell 23 Millionen Menschen“ den Folgen des Bebens ausgesetzt seien, darunter fünf Millionen ohnehin besonders verletzliche Menschen. Die WHO sicherte den betroffenen Gebieten langfristige Unterstützung zu.

Zahlreiche Staaten, darunter Deutschland, haben die Entsendung von Einsatzkräften und die Bereitstellung von Hilfsgeldern zugesagt. Sogar die Ukraine kündigte trotz des russischen Kriegs im Land an, 87 Rettungskräfte in die Türkei zu schicken.

Das könnte Sie auch interessieren

Scholz telefonierte mit Erdogan

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) telefonierte am Dienstag mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und sagte ihm umfassende Unterstützung zu. „Unsere Einsatzkräfte werden dabei helfen, Menschen aus den Trümmern zu bergen und hoffentlich Überlebende zu retten“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Zudem würden derzeit Hilfslieferungen mit Notstromaggregaten, Zelten und Decken für die Erdbebenopfer zusammengestellt.

Türkei, Hatay: Ein Luftbild zeigt die Trümmer im Stadtzentrum von Hatay. Rettungskräfte suchen weiterhin nach Überlebenden in den ...
Türkei, Hatay: Ein Luftbild zeigt die Trümmer im Stadtzentrum von Hatay. Rettungskräfte suchen weiterhin nach Überlebenden in den Trümmern tausender Gebäude. | Bild: dpa

Laut Faeser sind bereits 40 Einsatzkräfte der Hilfsorganisation International Search and Rescue (ISAR) sowie mehrere Rettungskräfte der Bundespolizei in die Türkei gereist. Ein 50-köpfiges Team des Technischen Hilfswerks (THW) wollte am Dienstag vom Flughafen Köln-Bonn in das Katastrophengebiet fliegen. Allerdings wurde das Anlaufen der internationalen Hilfe durch einen Wintersturm verzögert, viele Flughäfen in der Region waren gesperrt.

Die Versorgung der Erdbebenopfer in Syrien gestaltet sich noch schwieriger. Wegen des seit 2011 andauernden Bürgerkriegs wird das Katastrophengebiet im Norden Syriens teils von Rebellen beherrscht und teils von der Regierung in Damaskus, die vom Westen geächtet wird.

Baerbock fordert offene Grenzübergänge für benötigten Hilfslieferungen

Der Chef des syrischen Roten Halbmonds, Chaled Habubati, rief die EU zur Aufhebung ihrer Sanktionen und zu Hilfslieferungen auf. Die syrische Regierung versicherte, dass Hilfsgüter auch in die nicht von Damaskus kontrollierten Gebiete des Landes weitergeleitet würden.

Syrien, Harem: Zivilisten und Mitglieder der Weißhelme arbeiten an der Rettung von Menschen, die nach dem verheerenden Erdbeben an der ...
Syrien, Harem: Zivilisten und Mitglieder der Weißhelme arbeiten an der Rettung von Menschen, die nach dem verheerenden Erdbeben an der türkisch-syrischen Grenze unter einem zerstörten Gebäude eingeschlossen sind. | Bild: Anas Alkharboutli/dpa

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) forderte, dass in Syrien für die dringend benötigten Hilfslieferungen „die Grenzübergänge jetzt alle aufgemacht werden“. Auch andere deutsche Politiker wie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch und Grünen-Chef Omid Nouripour dringen auf internationale Hilfe auch für die Erdbebenopfer in Syrien. Dort sei die Lage „noch um ein Vielfaches schlimmer“ als in der Türkei, sagte Bartsch.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Überlebenden und Einsatzkräfte vor Ort benötigen dringend Unterstützung. Unter zahlreichen eingestürzten Gebäuden werden noch Menschen vermutet. Im syrischen Dschandairis wurde aus den Trümmern eines Hauses ein neugeborenes Mädchen gerettet, das durch die Nabelschnur noch mit seiner toten Mutter verbunden war. Auch alle anderen Familienmitglieder starben.

Bewohner werfen Behörden langsame Reaktion vor

In der türkischen Stadt Kahramanmaras warfen Bewohner den Behörden vor, zu langsam auf die Katastrophe zu reagieren. „Wo ist der Staat? Wo sind sie? Ich kann meinen Bruder nicht aus den Trümmern holen. Ich kann meinen Neffen nicht erreichen. Sehen Sie sich hier um. Um Himmels Willen, es ist kein Staatsbeamter hier!“, sagte Ali Sagiroglu.

Das Erdbeben der Stärke 7,8 hatte das türkisch-syrische Grenzgebiet am frühen Montagmorgen getroffen. In den Stunden danach wurde die Region von mehr als 50 Nachbeben erschüttert. Am Dienstag rief Erdogan für zehn betroffene Regionen im Süden und Südosten der Türkei für drei Monate den Notstand aus. Dadurch sollten schnelle Hilfseinsätze ermöglicht werden, erklärte er. (dpa)