Herr Gruber, trotz des wirklich sehr großen Krimi-Angebots im deutschen Fernsehen sind Sie in der ZDF-Serie „Soko Wien“ nun zum ersten Mal als Kommissar zu sehen. Wurde Ihnen so eine Rolle vorher nie angeboten oder hatten Sie bis dahin alle entsprechenden Angebote abgelehnt?
Das lag tatsächlich am Mangel an derartigen Angeboten. Ich wurde einfach nie für eine Rolle auf der guten Seite des Gesetzes angefragt. Der Verdächtige war ich oft, aber das war das erste Mal, dass jemand auf mich zukam und gefragt hat: „Du, kannst du dir vorstellen, einen Kommissar zu spielen?“
Ihre Antwort?
Ich habe gesagt: „Ich würd‘s gerne ausprobieren.“ Und jetzt spiele ich die Rolle seit zweieinhalb Jahren und muss feststellen: Es ist ein schöner Job und sehr abwechslungsreich, weil jede Folge einen neuen Fall behandelt. Mir fehlt bei der Figur nur ein wenig die Körperlichkeit, wie ich sie von den „Bergrettern“ kenne.
Stattdessen müssen Sie sich vermutlich anderen Herausforderungen stellen, oder? Stichwort: Schieß-Training.
Man stellt sich das viel actiongeladener vor, als es tatsächlich ist. Die „Soko Wien“ ist eher der „Papiertiger“ unter den Sokos, weil wir den Spagat schaffen müssen zwischen der Ausstrahlung um 18 Uhr in Deutschland und der in Österreich zur Primetime um 20.15 Uhr. Wenn es zum Beispiel jemanden erwischt hat, sind die Blutlachen immer sehr, sehr klein, weil wir um 18 Uhr einfach nicht viel Blut fließen lassen wollen.
In der Tat wirkt auch der Vorspann zur Serie ein bisschen aus der Zeit gefallen.
Er ist zeitlos. Sämtliche Sokos sollen einen relativ einheitlichen Look haben, und der Vorspann erinnert an die Mutter aller Sokos, die „Soko München“, mit der ich großgeworden bin. (lacht) Er sieht noch aus wie damals … Als Teenager habe ich das immer gerne angeguckt, wäre aber niemals darauf gekommen, dass ich irgendwann mal selbst in so einem Format mitspielen könnte.

War es schwer, sich als der Neue in ein Team einzufinden, das sich schon lange kennt?
Als Schauspieler bin ich es gewohnt, zu einer Produktion als Neuer dazukommen – zum Beispiel als Episoden-Darsteller. Das ist auch nicht so tragisch, weil man in 90 Prozent der Fälle wirklich herzlich aufgenommen wird. Wenn man als feste Figur in eine Serie einsteigt, die schon wahnsinnig lange und sehr erfolgreich läuft und der Hauptdarsteller – in dem Fall Stefan Jürgens – nach 14 Jahren aussteigt, sind die Fußstapfen natürlich groß und man muss aufpassen, dass man nicht versucht, in diese Fußstapfen zu treten. Man muss seinen eigenen Abdruck hinterlassen, ansonsten wird es schwierig.
Denn man will ja die Zuschauer nicht verärgern, indem man einfach den Platz eines anderen einnimmt. Das wäre der größte Fehler, den man machen kann. Als Zuschauer freue ich mich immer über neue Gesichter, aber natürlich bin ich am Anfang auch skeptisch – das wird jetzt beim „Soko Wien“-Publikum nicht anders sein. Aber das Team hat mich ganz herzlich aufgenommen. Und ich war durchaus aufgeregt an meinem ersten Drehtag. Ein eingespieltes Team ist nun mal ein eingespieltes Team.
Viele Zuschauer erinnern sich an Sie durch Ihre Zeit bei den „Bergrettern“. Denken Sie gern an die Zeit zurück?
Ja, natürlich, sogar unglaublich gern. Das war die abenteuerlichste Drehzeit, die ich jemals hatte. Was die Action angeht und den Spielspaß mit den Kollegen, kommt an „Die Bergretter“ nichts ran. Nach wie vor. Aber es gibt für alles seine Zeit. Ich war Ende 30, Anfang 40, als ich das gemacht habe. Wir haben wahnsinnig viele Stunts selbst gemacht. Damals war das perfekt für mich, ein riesengroßer Spielplatz für alle, die niemals alt werden wollen. Es hat gepasst wie die Faust aufs Auge, wir waren ein eingeschworenes Team. Aber jetzt wäre die Zeit nicht mehr die richtige.
Was hat den Ausschlag gegeben, dass Sie wieder bei einer Serie eingestiegen sind?
Das Angebot. Ich kannte Wien von Gastauftritten in verschiedenen Formaten und fand die Stadt immer spannend. Sie hat ein riesiges Angebot an Kultur und Kunst. Und sie steht in der Liste der lebenswertesten Städte auf Rang eins – nicht ohne Grund. Für mich ist Wien ein bisschen wie New York, ein Schmelztiegel. Die hohe Lebensqualität, gepaart mit der neuen Aufgabe, hat den Ausschlag dafür gegeben, dass ich zugesagt habe.
Als Münchner ist Ihnen Wien geografisch nicht allzu fern. Wie ist es menschlich? Ist man da als Bayer den Österreichern auch näher als einem Nordlicht?
Ich bin ja ein halbes Nordlicht, zu 50 Prozent Bremerhavener. (lacht) Aber ich bin als Münchner in die Serie eingestiegen und werde auch als solcher wahrgenommen. Der österreichische Bezug zu Süddeutschland ist schon ein engerer ist als der zu Norddeutschland. Aber das liegt natürlich auch an der Sprache. Ich hatte keine Verständigungsprobleme, aber es gibt doch Begriffe in der österreichischen Sprache, die man in Deutschland nicht jeden Tag hört.
Ich wusste am Anfang zum Beispiel nicht, was Kukuruz ist (Mais, Anm. d. Red.) oder, ein Beisl (Wirtshaus, Anm. d. Red.). Aber das lernt man im Lauf der Zeit und man passt sich sprachlich an. Meine Kollegin Lilian Klebow, die eigentlich auch Münchnerin ist, spricht nach fast 20 Jahren bei der Soko mit einem sehr authentischen Wiener Akzent.
Die Zuschauer haben Ihren ersten Auftritt in der „Soko Wien“ zwar erst jetzt zu sehen bekommen, aber Sie stehen schon seit mehr als zwei Jahren für die Serie vor der Kamera. Fühlt es sich schon so an, als hätten Sie nie was anderes gemacht?
So lange ist das nun auch wieder nicht her … (lacht) Aber ich habe in der Tat schon mehr als 40 Folgen abgedreht. Und ich bin froh, dass die Ausstrahlung jetzt beginnt.

Ihre Figur, Max Herzog, wird in seiner ersten Szene, als „der ungeduldige Kollege aus Deutschland“ vorgestellt, kurz darauf kriegt er einen Streifschuss ab. Haben Sie sich so einen Einstieg gewünscht?
Nein. Nicht ganz. Aber ein bisschen Drama muss sein. Max wird insgesamt recht vorsichtig eingeführt, in geringer Dosierung sozusagen, um die Zuschauer nicht so zu „erschrecken“, dass sie gleich denken: „Um Gottes Willen! Jetzt kommt der neue Piefke!“
Was sagen Sie eigentlich zu Ihrem Dienstwagen?
Zu dem hab ich einiges zu erzählen … Ich habe ja in der ersten Folge, übermütig wie ich war, die Hand ausgestreckt und den Schlüssel von Stefan Jürgens aufgefangen. Damit war für die Autoren klar: Wunderbar! Der Max Herzog fährt ab jetzt diesen wunderbaren Opel Commodore aus den 60er-Jahren. Es war einfach klar, dass Max den Wagen übernimmt, ohne dass darüber groß gesprochen wurde.
Die erste Karre, die wir hatten, die war schon sehr baufällig und wurde dann ausgetauscht gegen dasselbe Modell in derselben Farbe mit derselben Ausstattung, allerdings zum Glück als Automatikversion. Das klingt vielleicht banal, aber wenn man den ganzen Tag mit dem Auto rumfährt, gerade im Stadtverkehr, dann ist das wirklich praktisch, weil man sich auch aufs Spielen konzentrieren kann und nicht nur darauf, dass man den Gang reinkriegt.
Könnten Sie sich eigentlich vorstellen, so lange dabeizubleiben wie Stefan Jürgens als Major Carl Ribarski, der sich nun verabschiedet? Bei ihm waren es 14 Jahre …
Das ist ganz schwer zu beantworten zum jetzigen Zeitpunkt. Grundsätzlich bin ich jemand, der wahnsinnig gerne arbeitet. Und wenn das Produkt, das ich drehe, stimmt und auf einem bestimmten Niveau bleibt, dann bin ich sicher der Letzte, der sagt: „Ich möchte jetzt was anderes machen.“ Ich finde, die Abwechslung macht‘s. Und man hat neben der Soko auch noch Zeit, andere Dinge zu tun. Solange dieser Ausgleich gegeben ist, bin ich ein zufriedener Mensch.

Wenn sie den Namen Martin Gruber hören, denke nicht wenige ZDF-Zuschauer an den „Bergdoktor“ Dr. Martin Gruber. Sie werden öfter darauf angesprochen, oder?
Ja. Es ist nach wie vor so, dass die Leute sagen: „Ach, der Martin Gruber! Sind Sie nicht der Bergdoktor?“ Dann sag ich: „Nein, ich war mal der ,Bergretter‘ und jetzt bin ich ein Kommissar.“ (lacht) Ich war ja damals tatsächlich beim Casting zum „Bergdoktor“ dabei. Am Anfang wird man da immer gebeten, seinen Namen in die Kamera zu sagen und den Kopf ins Profil zu drehen. Und dann hab ich eben gesagt „Martin Gruber“ und hab mich nach links und nach rechts gedreht.
Dann hat der Caster mich angekuckt und gesagt: „Nein. Nein. Nein. Ist mir schon klar, dass du die Rolle gerne haben möchtest. Aber wie ist dein richtiger Name?“ So fing das an. Ich kenne den Hans Sigl persönlich, wir sind sehr gut befreundet und schmunzeln immer über solche Begebenheiten. Das Erste, was Hans mir damals geschickt hat, als er die Rolle bekam, war ein Fotos des Praxis-Schilds …
Als Sie bei den „Bergrettern“ waren, gab es ein sogenanntes Crossover mit dem „Bergdoktor“. Eine Episodenrolle hatten Sie in der Serie aber noch nicht. Wird mal Zeit, oder?
Wir haben schon ganz oft darüber gesprochen, aber das ist einfach „too close to home“, wie man sagt. In den Köpfen vieler Zuschauer ist Martin Gruber immer noch sehr präsent als Andreas Marthaler. Wenn ich beim „Bergdoktor“ auftauchen würde, käme bestimmt bei einigen der Gedanke: „Moment mal, das ist doch der Marthaler!“ Deswegen wird das in der Form in diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr passieren.