Beim Stichwort Gallier oder Kelten werden Leser der Comicreihe um Asterix hellhörig. Der listige Kerl ist der Held von René Goscinnys und Albert Uderzos Alben, die hierzulande Kult sind. Asterix verteidigt unermüdlich sein gallisches Dorf gegen die Römer. Dabei weiß er den Druiden Miraculix an seiner Seite, dessen Zaubertrank ihm übermenschliche Kräfte verleiht.
Asterix und Miraculix sind Fiktion. Vercingetorix, eine andere Figur der Reihe, ist dagegen historisch verbürgt. Der Arvernerfürst vereinte 52 v. Chr. etliche gallische Stämme zum Kampf gegen Rom, am Ende aber wurde er von Gaius Julius Cäsar besiegt und später hingerichtet. Die Niederlage in der Schlacht um Alésia, einer in Zentralfrankreich gelegenen Siedlung (Oppidum), ist für Goscinny/Uderzo kein Thema. „Alésia. Ich kenne kein Alésia!“, schimpft Majestix, der Häuptling der Unbeugsamen, in „Asterix und der Arvenerschild“.
In „Asterix der Gallier“ legt Vercingetorix zwar die Waffen nieder, aber sein Tod bleibt tabu. Mit der Schlacht um Alésia festigte Cäsar die römische Herrschaft in Gallien. Damit gingen 800 Jahre keltisches Leben allmählich zu Ende, wobei eine neue gallorömische Kultur entstand, in der es zur Verschmelzung von einheimischen und römisch-italienischen Traditionen kam.

Von Cäsars Aufzeichnungen zum gallischen Krieg („De bello Gallico“) wissen wir, dass sich die Kelten Galliens selbst Celtae nannten, während die Römer keltische Völker als Galli bezeichneten. Der Begriff Kelten geht wiederum auf griechische Überlieferungen zurück, bei denen die Volksstämme von den Quellen der Donau bis zum Hinterland von Massilia (Marseille) als Keltoi bezeichnet wurden. Tatsächlich siedelten sich die Kelten selbst in Schottland und Irland an.
In der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. setzte eine Wanderung ein, die einige Stämme bis nach Kleinasien führte. Was auch für ihre Kultur folgenreich war. Die „Hallstatt-Kultur“, nach der am Fuß des imposanten Dachsteinmassivs gelegenen Ortschaft genannt, deren Merkmals prunkvoll gestaltete Fürstengräber waren, wurde von der „Latènezeit“ abgelöst, der letzten Blütezeit der keltischen Kultur. Namengeber hier war der Fundplatz La Tène am Neuenburgersee in der Schweiz.

In der Sonderausstellung „Magisches Land“ des Archäologischen Landesmuseums in Konstanz geht es weniger um die Kelten in Europa oder Kleinasien, sondern vorrangig um ihren Kult im heutigen Baden-Württemberg. Dazu gehört auch das Völkchen der Druiden, die eine intellektuell und religiös hochgebildete Oberschicht bildeten. Cäsar notierte über diese geistigen und spirituellen Führer: „Den Druiden obliegen die Angelegenheiten des Kultus, sie richten die öffentlichen und privaten Opfer aus und interpretieren die religiösen Vorschriften“. Von Zauberkräften, die Miraculix zugesprochen werden, ist keine Rede.
Konstanz präsentiert die erste „Große Sonderausstellung im Rahmen der Keltenkonzeption“. Hinter dem Plan steckt die Idee, das reiche Erbe, das die Kelten in unserem Land hinterlassen haben, sichtbar zu machen und die verschiedenen Fundorte und Fundstücke „zu einer ganzheitlichen Erzählung zusammenzufügen“, wie Petra Olschowski, Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, im Begleitbuch schreibt. Dabei sollen touristische Angebote mit Bildungsangeboten verknüpft werden. Berlin und Stuttgart haben sieben Millionen Euro bereitgestellt, um dieses „Gesamt-Narrativ“ zu ermöglichen.
Eine halbe Millionen Euro floss in die Ausstellung „Magisches Land“. Kurt Felix Hillgruber hat sie im neu geöffneten Gebäudeflügel des Museums mit Unterstützung des Stuttgarter Ateliers Schubert einfallsreich eingerichtet. Insgesamt 200 originale Objekte werden ausgestellt, aber auch Repliken wie die Großsteinplastik „Krieger von Hirschlanden“ (um 500 v.Chr.), der in den 1960er-Jahren bei Ausgrabungen entdeckt wurde. Der nackte Krieger stellte einen vergöttlichten Ahnenvater dar, dessen erigierter Penis Vitalität über den Tod hinaus symbolisieren sollte.
Neben herausragenden Exponaten wie dem Silberring von Trichtingen, dem Sandsteinkopf einer Ahnenfigur aus Heidelberg, die eimergroßen Trinkbecher aus dem Fürstengrab von Kappel, viele kleinteilige Grabbeilagen wie Ringe, Kahnfibeln, Fossilien und Mineralien und Reitzubehör aus dem Grab der „Dame vom Bettelbühl“ von der Großsiedlung Heuneburg (bei Sigmaringen) oder auch Schuhanhänger von Großaltdorf, gibt es ein starkes interaktives Angebot. So kann der berühmte Kessel von Grundestrup (Dänemark), der eine breite Palette mythologischer Szenen zeigt, am Bildschirm „erarbeitet“ werden. Das Stück aus Silberblech, 1891 entdeckt, befindet sich im Nationalmuseum in Kopenhagen.
Moore und Felsentore
Kurt Felix Hillgruber stellt drei thematische Komplexe in den Mittelpunkt der Ausstellung. Zum einen die naturheiligen Orte, Gewässer, Moore, Felsentore – wie das Heidentor bei Egesheim im Landkreis Tuttlingen –, an denen zahlreiche Opfergaben dargebracht wurden, auch Menschenopfer. Große Grabhügel mit reich ausgestatteten Gräbern der keltischen Eliten, zum Teil durch plastische Darstellungen der Verstorbene ergänzt, Ausdruck praktizierter Ahnenverehrung. Ein schönes Beispiel ist der Magdalenenberg im Schwarzwald, der größte Grabhügel aus der frühkeltischen Epoche in Süddeutschland.
Die Götterwelt, ein weiterer Komplex, erschließt sich durch Zeugnisse aus der späten keltischen Zeit, nach der Eroberung durch die Römer – die Kelten hatten keine eigene Schrift. „Die Götter begleiteten den Lebensweg der Menschen von der Geburt bis zum Tod, brachten Erfolg und Gesundheit ebenso wie Not und Krankheit, stifteten Leben und Hass sowie Kriege und Frieden“, schreibt Martin Kemkes im Begleitbuch, dass zur Nacharbeit der Ausstellung empfohlen sei. Die Namensnennungen finden sich auf Weihesteinen, Altarinschriften und in ersten überlieferten Epen.
Am Ende der Ausstellung gewährt Hillgruber einen Blick auf das neuzeitliche Keltentum und seine esoterischen Ausprägungen, wie eine von Aufklärung, freimaurerischen Ideen sowie Traditionen verschiedener Religionen beeinflusste Druidenbewegung, die 20.000 Mitglieder umfasst. Ob Miraculix Ehrenmitglied des Ordens der Barden, Ovaten und Druiden ist, entzieht sich unserer Kenntnis…
„Magische Land – Kult der Kelten in Baden-Württemberg“. Archäologisches Landesmuseum Konstanz. Bis 9. Januar 2022. Di bis So und an Feiertagen 10-17 Uhr. Begleitband 25 Euro. www.alm-bw.de