Der St. Galler Autor Christoph Keller, 56, erhält den Alemannischen Literaturpreis 2020. Das teilte gestern die Stadt Waldshut-Tiengen mit. Keller wird mit der 10.000 dotierten Auszeichnung für seinen im Jahr 2019 erschienenen Roman „Der Boden unter den Füßen“ (Limmat Verlag) geehrt.

Die vierköpfige Fachjury würdigt damit die „sprachlich und kompositorisch meisterhafte Annäherung an die drängenden Fragen unserer Zeit“, die dem Autor mit seinem Werk gelungen sei. Der Festakt zur offiziellen Preisverleihung findet am Sonntag, 22. November 2020, in Waldshut-Tiengen statt.

Sinnkrise eines Brückenbauers

„Der Boden unter den Füßen“ handelt von der Sinnkrise eines Brückenbauers, der erfahren muss, dass eine seiner Konstruktionen eingestürzt ist und neun Menschen um ihr Leben brachte. Er entscheidet sich für eine freiwillige Quarantäne im heimischen Garten und fordert einen einstweiligen Stopp sämtlicher Brückenbau-Projekte wie auch für die kapitalistische Wachstumslogik insgesamt.

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„Indem der Autor seinen Ich-Erzähler zu dieser radikalen Form der Schuldverarbeitung greifen lässt, nimmt er in prophetischer Weise den durch die Corona-Pandemie angestoßenen Diskurs über nachhaltiges Wirtschaften vorweg“, heißt es in der Jury-Begründung.

Auf SÜDKURIER-Anfrage erklärte Keller, er fühle sich geschmeichelt, „einen der großen deutschen Literaturpreise“ zu erhalten und in einer Reihe zu stehen mit „von mir bewunderten Autoren wie Hermann Kinder und Peter Weber„. Es handele sich um den bedeutendsten Preis, mit dem er bisher ausgezeichnet worden sei.

Bis 2018 in New York

Christoph Keller, verheiratet mit der US-amerikanischen Lyrikerin Jan Heller Levi, ist erst vor zwei Jahren wieder dauerhaft in seine Heimatstadt St. Gallen zurückgekehrt. Zuvor lebte er in New York, wo er auf Englisch publizierte. Aufgrund einer 1978 festgestellten schweren Muskelerkrankung ist er seit vielen Jahren auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen: eine Erfahrung, die er immer wieder auch in seinen Werken literarisch verarbeitet.

Der Alemannische Literaturpreis wird alle drei Jahre verliehen. Seine Stifter sind die Stadt Waldshut-Tiengen, der SÜDKURIER sowie die Sparkasse Hochrhein. Mit dem Preis wird die deutschsprachige Literatur – auch die des Dialekts – des alemannischen Sprachraums einschließlich Vorarlberg (Österreich), Deutschschweiz und Elsass (Frankreich) seit 1981 gefördert und ausgezeichnet. Zu den bisherigen Trägern gehören unter anderem Arno Geiger (2017), Thomas Hürlimann (2014) und Peter Stamm (2011).