Ob Comic Con, Marvel-Universum oder „The Big Bang Theory“: Die bunte Welt der Comics ist längst nicht mehr bloß ein Randphänomen unserer Gesellschaft. Die ausverkauften Messen, Renner an den Kinokassen und Hit-Serien belegen dabei nur beispielhaft, was für einen großen Einfluss die Bildergeschichten auf unsere Kultur haben. Wer denkt, dass es sich doch nur um triviale Massenzeichenware handelt, täuscht sich gewaltig! Die Geschichte des Comics geht bis in die Antike zurück – und bis in die zeitgenössische Kunst hinein.
Die Bilderstrecken damals wie heute treten in verschiedensten Formen auf: Man denke an die Trajanssäule, mittelalterliche Wandteppiche, Karikaturstreifen oder Mangas. Da der Comic auf einen besonders bildhaften Stil angewiesen ist, entwickelt er im Laufe der Zeit eine eigene Formensprache, die mit Sprechblasen und sogenannten Speedlines zur Darstellung von Bewegung universell verstanden werden kann. Um Handlung darstellen zu können, bedient sich das Medium an Mitteln der bildenden Kunst. Am Rande: Die Speedlines basieren oft auf Versuchen von Künstlern des Futurismus, Bewegungen grafisch zu veranschaulichen.
Sprache und Architektur
Doch der Comic hält auch selbst wieder Einzug in Literatur, Fernsehen und eben Kunst: So beschäftigt sich der Karlsruher Bildhauer Andre Wischnewski in seinen abstrakt-narrativen Arbeiten, die er aktuell für die Ausstellungsreihe „Frischzelle“ des Kunstmuseums Stuttgart entwarf, auf Grundlage des Comichefts mit der Wechselbeziehung von Sprache und Architektur.
Wischnewski stellt sich der Herausforderung, im Untergeschoss des Museums sowohl den räumlichen Besonderheiten als auch in direkter Umgebung anderen Werken der Sammlung des Kunstmuseums zu begegnen, indem er filigrane plastische Raumzeichnungen anfertigt. Die Konturen comictypischer Elemente wie Sprech-, Denk- und Gerauschblasen und ausgeschnittene Panels, also die Rahmungen von Bildsequenzen, erstrecken sich hier über die Wände, darüber hinaus, und rahmen auf diese Weise neben der Sammlung auch den Besucher als Teil der begehbaren Installationen. Wischnewski hat die Raumzeichnungen als dreidimensionale Weiterführung seiner Messerschnitte entwickelt. Dafür schneidet er aus Comicheften die fortlaufende Handlung heraus und legt so das Gerust von Rahmungen und genretypischen Lautmalereien frei, wodurch der Comic beim Durchschreiten als „reines Medium“ wahrgenommen werden kann.
Überhaupt übernimmt man hier als Betrachter einen aktiven Part: In dem Moment, da das Gerust des Comics vergrößert und zur räumlichen Plastik wird, ist der sich darin bewegende Besucher zugleich Protagonist und Zuschauer und füllt das leere Gerüst. Zusätzlich nimmt die Installation beispielsweise den Gartenzwerg (1972) von Dieter Roth, der sich dauerhaft an diesem Ort im Museum befindet, in ihren surrealen Raum auf.
Die „Frischzelle_26: André Wischnewski“ ist noch bis 6. September 2020 im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen. Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr, Freitag 10 – 21 Uhr. Weitere Informationen: http://www.kunstmuseum-stuttgart.de