Graf Douglas, was ist daran falsch, wenn der Staat seine Kulturschätze schützen will?
Das ist nicht falsch. Der Staat soll die Kulturschätze lieben, schützen und pflegen. Die Frage ist: Was ist an diesem Gesetz falsch? Erst mal muss man sagen, dass 90 Prozent aller Bundestagsabgeordneten von dieser Materie keine Ahnung haben. Und als Frau Grütters den ersten Entwurf des Gesetzes vorgelegt hat, war deutlich zu lesen, dass auch sie keine Ahnung hat und diejenigen, die es für sie gemacht haben, noch weniger Ahnung haben. Sie hat halt immer wieder gesagt, auf Europa blickend, wir seien gezwungen, nach europäischen Richtlinien ein solches Gesetz zu entwerfen. Das ist eine Lüge…
Der Bezug zu Europa – das wäre meine zweite Frage gewesen…
Eine EU-Regelung besteht überhaupt nicht. Jedes Land kann das halten, wie es will. Engländer können ausführen, was sie wollen, aber der Staat hat immer das Vorkaufsrecht. Und in Frankreich – das ebenfalls auf eine Gesetzesnovelle blickt –, ist das auch so. Die Regierung kann kein Objekt zurückhalten, aber sie kann es kaufen.
Das war – gefühlt – meine siebte Frage... Aber warum lehnt der deutsche Staat diese Möglichkeit ab?
Das ist nicht nachzuvollziehen. Indem Frau Grütters sagt, dieses oder jenes Objekt darf das Land nicht verlassen, findet es auch automatisch im Land keine Käufer. Und damit versucht sie denjenigen, der Kunst verkaufen möchte oder aus wirtschaftlichen Gründen verkaufen muss, im Preis zu drücken.
Dass das Gesetz gemacht werde, damit der Staat billig einkaufen könne, ist die Meinung des Handels. Sie teilen diese Auffassung?
Ja, durchaus. Französische und englische Händler sagen mir: „Seid ihr wahnsinnig geworden?“ Ich selbst erlebe zurzeit ganz Schreckliches. Hunderte von Leuten fragen mich, was sie tun sollen. Hunderte bringen ihre Objekte ins Ausland. Sie sagen, wenn wir in Not sind und etwas davon verkaufen müssen, dafür einen ausländischen Interessenten haben, kann die Bundesrepublik sagen: „Das Objekt darf das Land nicht verlassen.“ Sie ist aber nicht dazu verpflichtet, es zu kaufen. In welcher Situation ist dann der Käufer?
Aber halten Sie es grundsätzlich nicht für richtig, gewisse Regeln einzuführen? Ich denke dabei an Raubkunst oder illegale Grabungen. Dazu stehen in dem Gesetz ja auch einige Artikel.
Das ist das Üble an dem Gesetz, dass eine ganze Reihe von Dingen richtig sind. Gerade in dieser Zeit, wo in Syrien oder anderen Ländern Krieg geführt und mit Raubkunst gehandelt wird, müssen wir in jedem Fall versuchen, dass diese Ware nicht auf den Markt kommt. Weder bei uns, noch in anderen Ländern. Das ist eben das Gemeine an diesem Gesetz, dass einige Punkte richtig sind und andere ins Leere greifen und damit den Handel lahmlegen. Dass wir uns davor schützen, dass hier Raubkunst verkauft wird und etwa bei Antiken eine eindeutige Provenienz brauchen, ist richtig. Und auch das ist richtig, dass der Staat möglicherweise sagt, wir würden gerne dieses und jenes Objekt kaufen und es soll nicht an uns vorbei verkauft werden, sondern wir wollen die Gelegenheit haben, ein Gebot zu machen. Deswegen sage ich: Vorkaufsrecht für den Staat – ja.
Sie sind prinzipiell nicht gegen das Gesetz, sondern gegen einige Details?
Wenn der Staat nicht in der Lage oder willens ist, Kunst zu kaufen, sollte er das Feld den Privaten überlassen. So ist es in den USA. Dann gehört es zur Selbstverständlichkeit, dass die Sammler ihre Kunst als Leihgabe zur Verfügung stellen. Mit dem neuen Gesetz läuten bei ihnen die Alarmglocken. Kaum geben sie ein Objekt als Leihgabe, wird es registriert und künftig ein Auge darauf geworfen. Im ersten Entwurf war den Beamten erlaubt, in die Häuser zu gehen und zu überprüfen, was alles da ist...
Das ist vom Tisch.
Aber dass so etwas überhaupt drinstand, ist erbärmlich. Die Kontrollwut bleibt, was Bürokratie nach sich zieht. Und jetzt muss jedes Land ein Komitee von Sachverständigen aufbauen. Es müssen neue Beamte eingestellt werden, die etwas von der Materie verstehen. Die finden Sie erst gar nicht.
Aber es gibt doch seit den 1950er-Jahren „Schutzlisten“, für die die Länder zuständig sind. Was ist damit?
Sie werden länger. Aber selbst diese Listen sind abstrus und falsch geführt worden. Manche Leute haben ihre Objekte da draufstellen lassen, obwohl sie gar nicht schützenswert sind, weil sie steuerlichen Vorteil davon erhoffen. Und auf diesen Vorteil verweist auch Frau Grütters. Aber die echten Sammler wollen das nicht, sie wollen Freiheit haben.
Wer entscheidet eigentlich, was national wertvolles Kulturgut ist?
Es gibt in jedem Bundesland ein Gremium, das von der Politik bestimmt worden ist. Da kommt jetzt vielleicht noch ein Händler dazu. Wenn sie einen Händler reinbringen, der ein Spezialist ist für mittelalterliche Handschriften, der hat keine Ahnung von zeitgenössischer Kunst. Aber die entscheidende Frage ist, was national wertvoll ist. Im Frankfurter Museum für zeitgenössische Kunst war dieser Zyklus von Gerhard Richter drin über Baader-Meinhof und Stammheim. Der hängt jetzt in New York. Das wäre national wertvoll gewesen. Das hätte man schützen sollen. Aber das greift überhaupt nicht mit diesem Gesetz.
Ist die Idee des Nationalen in einer globalisierten Welt noch relevant?
Diese Idee ist überholt. Was wir brauchen, ist der kulturelle Austausch. Dass die Kunst aus Afrika, aus Amerika, Asien oder aus China hier ausgestellt wird und dass unsere Kunst dort ausgestellt wird. Es gibt kein besseres Mittel, um die Völker zu verbinden. Wenn wir dieses Gesetz bekommen, dann müssen wir jedes Mal, wenn wir so etwas unterstützen wollen, erst mal in Stuttgart anfragen, ob wir das dürfen. Und wir wissen überhaupt nicht, wer da sitzt.
Frau Grütters hat mit diesem Gesetz viel Kritik einstecken müssen. Aber auch die Aufarbeitung des Falls Gurlitt wurde nicht zu einem Vorzeigestück.
Ein Desaster. Ich habe gesagt: Bei Sotheby's sind wir in Sammlungen reingegangen mit 500 Bildern und haben die in zwei Wochen katalogisiert, aber alles.
Auch die Herkunft von zweifelhaften Bildern wurden überprüft?
Alles. Wenn nötig, haben wir vier, fünf Stücke rausgenommen. Wo die Provenienz schwieriger war, haben wir extra Leute angesetzt. Als großes Auktionshaus müssen Sie das ruckzuck machen. Die haben in die Taskforce einen Haufen Laien reingeschickt.
Glauben Sie, dass das Gesetz noch aufzuhalten ist?
Wir kennen das doch vom Parlament. Da heißt es, wenn du mir zustimmst, dass die Autobahn A15 verlängert wird, stimme ich deiner Sache zu. Da gibt es einen Fraktionszwang und dann gehen solche Dinge durch, weil man Frau Grütters auf irgendeine Weise verpflichtet ist. Wenn das Gesetz kommen sollte, bringt das nur noch mehr Administration. Am Ende löhnt dafür der Steuerzahler.
Wie es Graf Douglas mit seiner eigenen Sammlung hält, lesen Sie im Gesamtinterview unter:
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