Nachdem das Bodenseefestival in den vergangenen Jahren thematisch in die Ferne geschweift ist – im letzten Jahr mit „Russland – vorwärts zu neuen Ufern“ nach Osten und im Jahr zuvor mit „Variations on America“ nach Westen, bleibt der Blick in diesem Jahr in Mitteleuropa. Die Benelux-Länder stehen im Fokus, also das Staatengebilde aus Belgien, den Niederlanden und Luxemburg.

Eine überraschende Entscheidung, denn als sich die drei Staaten 1958 im Benelux-Vertrag zusammenschlossen, war damit eine Wirtschaftsunion geschaffen. Auf dem Weg zur heutigen EU mag das ein wegweisender Moment gewesen sein. Die Frage bleibt jedoch, inwieweit das wirtschaftliche Bündnis auch als eine kulturelle Union verstanden werden kann. Schon das zweisprachige Festivalmotto „Regio zonder Grenzen/Région sans Frontières“ deutet es an: Das Länder-Trio Benelux ist bildet keine kulturelle Einheit, sondern beherbergt eine Vielzahl an kulturellen Identitäten. Und diesen möchte das Bodenseefestival auf den Grund gehen. Vom 11. Mai bis zum 10. Juni 2019 präsentiert es Künstler aus den drei Benelux-Staaten.

Coup der Festivalmacher

Wieder bietet das Festival zwei Artists in Residence auf – eine Musikerin, die die klassische Musik repräsentiert, und einen Grenzgänger zwischen Klassik und Popkultur. Als klassische Artist in Residence konnte die niederländische Geigerin Janine Jansen gewonnen werden – ein Coup der Festivalmacher, gehört die 41-jährige Musikerin doch unangefochten zur Spitze der Violinsolistinnen. Entsprechend rar sind die Termine im Festival. Beim Eröffnungskonzert am 11. Mai mit dem SWR Symphonieorchester in Friedrichshafen (Leitung: Christoph Eschenbach) spielt sie Sibelius' Violinkonzert. Danach ist sie noch in Weingarten mit ihrem Klavierpartner Alexander Gavrylyuk und Violinsonaten der Romantik zu hören (14. Mai), in Friedrichshafen mit dem Chamber Orchestra of Europe (Leitung: Antonio Pappano) und Karol Szymanowskis 1. Violinkonzert und schließlich in Ravensburg als Kammermusikerin mit Werken von Mozart und Brahms (5. Juni).

Zwischen Club und Konzertsaal

Stärker „in Residence“, also vor Ort, ist der Luxemburger Pianist und Elektronikkünstler Francesco Tristano.

Francesco Tristano ist Pianist, fühlt sich aber auch an den Klangreglern im Club wohl.
Francesco Tristano ist Pianist, fühlt sich aber auch an den Klangreglern im Club wohl. | Bild: Marie Staggat

Das Besondere: Tristano ist sowohl in der Clubszene als auch in klassischen Konzerthäusern zu Hause. Er spielt, um ein Beispiel zu nennen, Bach originalgetreu, bearbeitet ihn ein anderes Mal aber auch mit den Mitteln von Techno und Elektronik. Für die Deutsche Grammophon erstellte er Programme basierend auf Cage und Bach („Bach/Cage“, 2011), Buxtehude und Bach („Long Walk“, 2012) und Ravel und Strawinsky in „Scandale“ (2014).

Beim Bodenseefestival ist er zunächst als Leiter der Bühnenmusik im Konstanzer Theater zu erleben. Dort kommt Robert Menasses viel diskutierter EU-Roman „Die Hauptstadt“ auf die Bühne (Regie: Mark Zurmühle). Premiere ist am 17. Mai.

Francesco Tristano entdeckte während seines Musikstudiums an der New Yorker Juilliard School die House- und Elektroszene für sich. Tagsüber besuchte er als einer der letzten Studenten eine Masterclass bei der Bach-Legende Rosalyn Tureck, während ihn nachts elektronische Klänge inspirierten. Als Clubmusiker präsentiert er sich am 18. Mai in Ravensburg, am 30. Mai in Dornbirn und am 2. Juni in Konstanz (Zirkuszelt, Klein Venedig).

Klassisch wird es am 19. Mai auf Schloss Achberg, wo Tristano Werke von Bach, Ravel und sich selbst am Klavier präsentiert, sowie am 25. Mai in Ravensburg. Hier spielt er Bachs „Goldberg-Variationen“, die er mit visuellen Mitteln zu „Goldberg City Variations“ ergänzt. In den Konzerten mit dem Kammerorchester Chaarts kombiniert Tristano schließlich Klavierkonzerte von Johann Sebastian Bach mit Eigenkompositionen (29. Mai Friedrichshafen und 31. Mai Salem).

Musik aus der Zeit von Rubens

Über die Veranstaltungen mit den Artists in Residence hinaus bietet das Bodenseefestival ein wie immer bunt gemischtes Programm. Vom Orgelkonzert über das Singwochenende, die lange Nacht der Literatur und das Literaturschiff bis zu Jazzkonzerten (etwa mit der niederländischen Saxofonistin Candy Dulfer am 13. Mai in Friedrichshafen) und Ballettabenden (5. und 6. Juni in Friedrichshafen) ist alles dabei.

Die Musik der franko-flämischen Schule des 15. und 16. Jahrhunderts spielt im diesjährigen Programm naturgemäß eine starke Rolle – Kunst und Musik des Kulturraums, zu dem heute Belgien und die Niederlande zählen, waren damals für ganz Europa prägend. Erwähnenswert ist das Konzert der Viola-da-Gamba-Spielerin Hille Perl, die mit dem Ensemble Los Otros Musik aus dem Umfeld von Peter Paul Rubens spielt (18. Mai, Salem), das Chorkonzert mit dem Vocalconsort Berlin, das ein Programm mit Werken des Renaissancemusikers Orlando di Lasso präsentiert (23. Mai, Weingarten), sowie das Konzert von Amacord mit Vokalmusik der franko-flämischen Schule (29. Mai, Münsterlingen).

Den Abschluss findet das Bodenseefestival wieder im Schlosspark Salem, wo am Pfingstmontag, 10. Juni, für die ganze Familie in lockerer Atmosphäre ein Picknickkonzert gegeben wird.

Bodenseefestival: 11. Mai bis 10. Juni an vielen Orten rund um den See. Infos:
www.bodenseefestival.de. Tickets bei den jeweiligen Veranstaltern vor Ort oder direkt über die Website http://bodenseefestival.de