Alisa Lais, endlich geht‘s wieder los. Wie fühlen Sie sich vor den baden-württembergischen Meisterschaften?
In erster Linie freue ich mich natürlich, dass wir wieder Wettkämpfe bestreiten dürfen. Aber als euphorisch würde ich meine Stimmung nicht beschreiben.

Konnten Sie sich nicht gut vorbereiten?
Nun, wir sind gerade einmal seit gut sechs Wochen wieder im halbwegs regulären Training. Wochenlang waren die Hallen wegen der Corona-Pandemie geschlossen. An Kunstrad-Training war in dieser Zeit nicht zu denken.
Wie haben sie die Zeit überbrückt?
Ich habe versucht, mich fit zu halten. Joggen, Work-Outs, Stabi-Übungen und natürlich auch Rad fahren standen für mich auf dem Programm. Aber das ersetzt natürlich das Training nicht.

Hatten Sie nach der Öffnung der Hallen die Chance, den Rückstand aufzuholen?
Normalerweise trainiere ich drei Mal pro Woche, jetzt vier Mal. Rechnerisch fehlen mir nach diesen zehn Wochen Pause satte 30 Einheiten. Das hole ich dieses Jahr nicht mehr auf. Kadersportler hatten den Vorteil, dass sie – unter den gegebenen Hygienevorgaben – viel eher in die Hallen durften. Zudem gab es in den Bundesländern unterschiedliche Regeln fürs Training, so dass manche Teilnehmer durchaus einen Wettbewerbsvorteil haben werden.
Das bedeutet für Sie in Ravensburg?
Dass ich die neuen Übungen, die ich gerne eingebaut hätte, nicht fahren werde. Ich bin einfach noch nicht soweit, dass wir das riskieren können.
Im bisherigen Programm haben Sie auch den sehr hoch bewerteten „Maute-Sprung“. Bei den baden-württembergischen Meisterschaften vor einem Jahr hatten Sie sich bei diesem Sprung verletzt und mussten auf den Start verzichten. Wie gut sitzt der Sprung jetzt?
Seit über einer Woche trainiere ich den Sprung ohne Seil. Ich fühle mich sicher und bin überzeugt, dass ich ihn stehe.
Hand aufs Herz – wie aufwändig ist es, so eine Passage einzustudieren?
Wenn ich die Komponenten sehe, die ja alle perfekt passen müssen, um den Sprung wagen zu können, komme ich grob gerechnet auf fünf, sechs Jahre.

Wie bitte?
Naja, ich trainiere ja nicht nur eine Übung, sondern mehr oder weniger das komplette Programm. Aber für den Maute-Sprung muss ich den Sattelstand und den Lenkerstand so sicher beherrschen, dass ich den Sprung wagen kann.
Sie haben den Sprung am Anfang des Programms. Der Rest ist Kinderspiel?
Von wegen – die fünf Minuten Wettkampf erfordern höchste Konzentration. Wobei ich schon zugeben muss, dass ich zunächst unheimlich auf den Sprung fixiert bin und danach fast in ein „kleines Loch“ falle und aufpassen muss, dass ich da keine „Welle“ produziere, die unnötige Punkte kostet.
Was verstehen Sie unter einer Welle?
Das sind die kleinen Fehler, die immer wieder vorkommen und bei denen man vergeblich hofft, dass sie dem Kampfgericht entgangen sind.
Mit welchem Ziel starten Sie in Ravensburg? Ist ein Podestplatz drin?
Nun, in erster Linie möchte ich die eingereichten 179 Punkte möglichst bestätigen und mein Programm fehlerfrei absolvieren. Wenn das alles klappt, bin ich zufrieden. Sollte das dann auch noch zum Treppchen reichen, wäre das super – steht für mich aber nicht im Vordergrund. Schließlich kann man beim Kunstrad die Platzierung nicht wirklich beeinflussen, sondern ist auch etwas vom Glück oder Pech der höher eingereichten Konkurrenz abhängig.
Welche Wettkämpfe stehen nach Ravensburg noch auf dem Programm?
Abgesagt ist noch nichts. Deshalb gehe ich davon aus, dass ich den Deutschlandpokal und die German Masters fahren kann. Dort möchte ich mich dann wieder für die Deutschen Meisterschaften, die erneut in Moers stattfinden sollen, qualifizieren.

In Ravensburg werden vermutlich keine Zuschauer zugelassen sein. Wie gehen Sie als Sportlerin damit um?
Es wird ein komisches Gefühl sein, wegen der Coronaregeln nur zum Einfahren und fürs Programm in die Halle zu dürfen – und dann eigentlich gleich wieder abreisen zu sollen. Offen ist sogar, ob es eine Siegerehrung gibt. Trotzdem fahre ich den Wettbewerb lieber so, als gar nicht. Ich bin nach der langen Pause echt froh, dass es wieder los geht.
Nicht nur die Umstände sind dieses Mal etwas anders, denn auch Ihre Schwester Anne wird nicht mit dabei sein.
Ja, sie ist leider verletzt und hat schon einige Zeit nicht mehr trainieren können. Es wäre natürlich auch für mich viel schöner, wenn Anne dabei sein könnte.
Die Kunstrad-Wettkämpfe sind für Sie aber nicht die einzige Herausforderung in den kommenden Monaten?
Nein, ich muss bis Oktober auch meine Bachelor-Arbeit abgegeben haben. Damit bin ich auch noch sehr beschäftigt.
Und was ist für 2021 geplant?
Eigentlich wäre ich gern groß auf Reisen gegangen, was sich aber wegen der anhaltenden Corona-Pandemie eher schwierig gestaltet. Also werde ins erstmal ins Berufsleben einsteigen und weiterhin Kunstrad fahren.
Fragen: Matthias Scheibengruber