Die Bedingungen für Erdbeeren sind gerade ideal. Die Früchte auf den Feldern von Hubert Knoblauch in Friedrichshafen sind rot und saftig und bereit für die Ernte. Frische regionale Erdbeeren, die ihren Preis haben. Doch die Konkurrenz ist in diesem Jahr groß. In den Supermärkten und Discountern stehen billige Beeren – meist aus dem Ausland. Das setzt die heimischen Erzeuger unter Druck. Wegen der niedrigen Preise lohnen sich Geschäfte mit dem Großhandel für viele nicht mehr.
Erdbeerernte aus Protest vernichtet
Im Münsterland pflügte ein Erdbeerbauer aus Protest gegen die schlechten Preise seine reifen Erdbeeren unter. Der Einzelhandel bot ihm für das 500-Gramm-Schälchen etwa einen Euro, hieß es in einem Bericht des WDR. Da das aber seine Kosten nicht deckt, vernichtete er seine Ernte, um Mais zu pflanzen. Auch im Südwesten müssen Erzeuger wie Hubert Knoblauch aus Friedrichshafen-Berg ihre Früchte zu Tiefstpreisen an den Großhandel verkaufen.

Vielen bleibe keine andere Wahl, da die Betriebe schon lange für den Handel produzieren. „Bei den niedrigen Preisen, die die Großhändler zahlen, ist aber keine kostendeckende Produktion mehr möglich“, sagt Hubert Knoblauch. Er selbst vermarktet nur einen kleinen Teil seiner Erdbeeren für Supermärkte und Discounter. Über die Hälfte seiner Früchte verkauft er im Hofladen oder direkt am Stand frisch vom Feld. Da kann er deutlich bessere Preise erzielen.
„Qualität statt hoher Ertrag“
Für Erdbeeren, die aber auch deutlich besser schmecken als die Großmarktware, sagt der Landwirt. Sein Betrieb sei nicht auf Menge ausgelegt, sondern auf Qualität. Das wüssten viele Kunden zu schätzen.
Für die Landwirte sei die Preissituation sehr bedenklich, sagt Knoblauch. Düngemittel, Pflanzenschutz, Energie – die Produktionskosten sind deutlich gestiegen, ebenso wie die Lohnkosten. Der Mindestlohn liegt derzeit bei knapp zehn Euro pro Stunde, in Spanien sind es rund sechs Euro, in Italien gibt es keinen Mindestlohn. Dadurch können ausländische Anbieter ihre Erdbeeren viel billiger verkaufen.
Kunden geben weniger Geld aus
Die Kunden seien sparsamer und gönnten sich weniger, sagt Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverband Baden-Württemberg. Dies habe Auswirkungen auf das Einkaufsverhalten bei Lebensmitteln allgemein und somit auch auf Erdbeeren.
„Die Deutschen sparen bei den Lebensmitteln“, sagt Katja Hertell, die mit ihrem Mann den Bruderhof in Eigeltingen betreibt. Das sei schon lange so. Die Hertells vermarkten ihre Früchte nur direkt, im Hofladen, am Erdbeerstand oder selbst gepflückt vom Feld. Die Ernte laufe gut an, berichtet sie. Allerdings kämen die Kunden eher zum Selbstpflücken auf die Erdbeerfelder und kauften weniger Ware im Korb. Wer die Früchte selbst erntet, zahlt bei Hertells nur rund die Hälfte.

Vorwurf: Handel streicht hohe Margen ein
Ihr Mann Wolfgang sagt, dass sie schon vor 25 Jahren dem Handel den Rücken gekehrt hätten. Eben weil der Preiskampf auf Dauer nicht zu gewinnen sei. Die Erfahrung machen nun andere heimische Landwirte. Laut Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer habe der Handel im Mai weiter günstige Ware importiert, obwohl schon heimische Ware auf dem Markt war. Das habe die Abnahmepreise für die deutschen Erdbeeren stark gedrückt. Trotzdem habe der Handel die Früchte teuer verkauft und hohe Margen eingestrichen.
Ein weiterer Vorwurf: Die deutschen Früchte würden den Kunden nicht unbedingt im Laden angeboten. Der Einzelhandel würde zeitgleich zur heimischen Ernte fast nur billige Konkurrenzprodukte aus anderen Ländern vermarkten, ärgert sich Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV), der die Obst- und Gemüsegenossenschaften im Land vertritt. „Dies erweckt den Eindruck, dass bewusst Preisdruck gegen die deutschen Produkte aufgebaut wird – anders ist das Angebot von Importware bei gleichzeitiger guter Verfügbarkeit der heimischen Ware nicht zu erklären“, sagt Glaser.

Glaser fordert den Einzelhandel auf, Solidarität mit der heimischen Landwirtschaft zu zeigen. Diese sei durch die hohen Kosten stark belastet. Das bringe viele Betriebe an den Rand des Verkraftbaren. „Es steht zu befürchten, dass vor diesem Hintergrund zahlreiche Betriebe aufgeben müssen“, so Glaser.
Handel passt sich der Nachfrage an
An einer guten Zusammenarbeit mit den heimischen Erzeugern sei der Einzelhandel auch weiterhin interessiert, sagt Hagmann vom Handelsverband. Sie sieht das Problem auch im Kaufverhalten der Kunden: Produkte, die weniger oder gar nicht mehr nachgefragt würden, könnten Händler nicht mehr in der gewohnten Menge beziehen. „Sie kaufen die Produkte schließlich ein, um sie zu verkaufen. Ansonsten müssten sie die Produkte vernichten.“
Aktuell kosten 500 Gramm importierter Erdbeeren bei Discountern teils nur 1,80 Euro. Beim Erdbeerstand um die Ecke liegt der Preis derzeit bei 3,50 Euro, wobei die Preise täglich nach Verfügbarkeit und Region variieren können.
„Keine Preissteigerung in diesem Jahr“
Auch hierfür sieht Handelsverbandschefin Sabine Hagmann eine Nachfrage: „Einen Markt für teurere regionale Produkte gibt es nach wie vor. Dieser ist aber aktuell kleiner geworden.“ Der Obst- und Eierhof Knoblauch sowie der Bruderhof von den Hertells profitiert auch von der treuen Stammkundschaft. „Zum Glück gibt es Verbraucher, die mehr ausgeben“, sagt Hubert Knoblauch. Das sichere unterm Strich einen guten Ertrag.

„Wir haben uns in diesem Jahr gegen eine Preissteigerung entschieden“, sagt Katja Hertell. Das soll den Absatz weiter sichern. Der Plan geht bislang auf. In der Mitte der Saison zeigt sich Hertell zufrieden mit dem Geschäft. Sie ärgert sich darüber, dass der Wert der heimischen Landwirtschaft nicht gesehen werde. Zu Beginn des Ukraine-Kriegs habe man den Wert heimischer regionaler Produkte betont. Doch das sei offenbar wieder vergessen.
Neben dem Direktverkauf gibt er etwa ein Viertel der Beeren an Wiederverkäufer ab. Was dann noch übrig ist, verkauft er an den Großmarkt. „Wir sind darauf angewiesen und sind froh, dass es den Großmarkt gibt.“ In dieser Saison kamen aber zeitgleich viele Beeren auf den Markt. Die Landwirte hätten Druck, dass sie die Ware los werden und müssten dann auch die niedrigen Preise hinnehmen. Am Ende zählt für Knoblauch, was unterm Strich steht. „Unser Durchschnittspreis ist ok. So, dass wir davon leben können“, sagt er.