Das frühere Funkloch, in dem der Chef der Bundesnetzagentur unterwegs ist, liegt in einem Landidyll. An den Straßen werden Reitturniere und Schützenfeste beworben, Fachwerkhäuser säumen den Weg. Eine Katze geht in aller Ruhe über die Straße. Doch die entspannte Atmosphäre hatte einen Preis: Bis vor Kurzem war in Mehren im Westerwald (Rheinland-Pfalz) noch tote Hose in Sachen Handynetz – auf einer Fläche von drei mal zwei Kilometern gab es keinen 4G-Empfang fürs Handy.
Netzbetreiber müssen Funklöcher schließen
Inzwischen haben die drei Netzbetreiber gemeldet, dass das Funkloch Geschichte ist. Um das zu überprüfen, hat die Bundesnetzagentur einen Messwagen geschickt, und deren Präsident Klaus Müller ist auf eine Stippvisite vorbeigekommen. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, sagt Müller und bezieht sich dabei auf die Angaben der Deutschen Telekom, von Vodafone und Telefónica Deutschland (O2). Die hatten die Pflicht, bis Anfang dieses Jahres 500 4G-Funklöcher zu schließen. Das Dörfchen Mehren ist eins davon.

Nur ein Teil der 500 Funklöcher wurde geschlossen, in anderen berufen sich die Firmen auf rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten – dass beispielsweise kein Grundstückseigentümer zur Vermietung einer Fläche bereit war. In Mehren hingegen hat es geklappt: Das Funkloch ist passé, angeblich. Mitten im Wald wurden Funkmasten errichtet. Nun ist die Frage, ob sie auch gut senden.
Der Messingenieur Markus Busch ist vier Tage lang mit einem Kollegen in einem Transporter unterwegs, um die Qualität des Netzes zu analysieren. Es geht nicht nur über Straßen, sondern auch über Feld- und Waldwege. „Überall da, wo wir fahren können, fahren wir.“ Auf dem Dach des Wagens sind mehrere Antennen. Der Innenraum ist voll mit Technik, ob Scanner, Laptops oder spezielle Messinstrumente.
Langsam fährt der Transporter durch die hügelige Landschaft – und zwar jede Strecke mehrfach, damit die Messungen eindeutig sind. Dabei wird ein Pilotsignal empfangen, das unabhängig ist von der aktuellen Nutzung anderer Menschen. Es gibt also gewissermaßen keine Ausrede, warum die Download-Rate gerade im Keller ist.

Auf Monitoren ist zu sehen, wie der Empfangspegel jedes Anbieters mal steigt, mal sinkt. Alles wird dokumentiert und später ausgewertet. Von Mehren geht es nach Ziegenhain und Hahn – eine Route, die im Internet auf Wanderkarten zu finden ist. Auch Wandersleute sollen zumindest mancherorts gutes Netz bekommen in Deutschland – so besagt es eine Auflage, zu der sich die Telekommunikationsanbieter bei der Frequenzauktion im Jahr 2019 verpflichtet haben. Eine Download-Rate von mindestens 100 Megabit pro Sekunde soll auch in 500 bisherigen 4G-Funklöchern (“weißen Flecken“) möglich sein.
Allerdings ist das quasi ein Idealwert – sind mehrere Menschen in einer Funkzelle unterwegs, teilen sie sich die Netzkapazität. Das ist bis zu einem gewissen Grad unproblematisch. „Viele Menschen sind auch heute noch mit zwei Megabit pro Sekunde zufrieden“, sagt Fachmann Busch.
Wann kommen die Beamten an Bodensee und Schwarzwald?
Bei Veranstaltungen, zu denen viele Menschen kommen, kann es aber doch noch hapern, selbst wenn die Ausbauauflage erfüllt wurde. „Zwischen dem subjektiven Nutzererlebnis und der Sendeleistung einer Funkstation ist immer eine Diskrepanz“, sagt Behördenchef Müller. Die Erwartungshaltung in der Bevölkerung steige – „Filme streamen, Handy-Games spielen und große Dateien runter- oder hochladen, das wollen die Menschen auch unterwegs machen – egal wo.“ Das bedeutet aber auch, dass die Telekommunikationsanbieter viel Geld in Sendemasten stecken müssen, die relativ wenig genutzt werden.
Ist es sinnvoll, bis an die letzte Milchkanne gutes Netz zu haben? Im Internetzeitalter ja, sagt Müller. Daher plant die Behörde auch, ihren Messwagen in die entlegenen Winkel anderer Bundesländer zu schicken, um dort die Jagd auf Funklöcher aufzunehmen. Ein Zeitplan stehe noch nicht fest, sagte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur dem SÜDKURIER. Aber in etwa „zwei bis vier Wochen“, würden sich die Teams auch in Richtung Baden-Württemberg in Bewegung setzen. Der Messwagen werde dann „vermutlich auch in Richtung Bodensee unterwegs sein“, so die Sprecherin.
Bald Vollversorgung im Land
Dass er dabei fündig wird, scheint ausgemacht. Wie eine Anfrage der FDP-Fraktion im Stuttgarter Landtag vom Frühjahr 2022 ergab, herrscht im Südwesten noch keinesfalls Mobilfunk-Vollversorgung. Nach Angaben der Bundesnetzagentur seien zwar 94 Prozent der Landesfläche durch mindestens einen Netzbetreiber mit 4G-Diensten versorgt.
Im Umkehrschluss heißt das, dass der Mobilfunkstandard auf rund 2200 Quadratkilometern noch nicht verfügbar ist – vom schnellen 5G-Netz gar nicht zu sprechen. Hier ist die Netzabdeckung noch deutlich geringer. Immerhin ist die Landesregierung optimistisch, „dass die weißen Flecken im Mobilfunknetz in Baden-Württemberg aufgrund der Versorgungsverpflichtungen der Mobilfunknetzbetreiber und dem Mobilfunkförderprogramm des Bundes bis Ende 2024 zum größten Teil ausgebaut sein werden“, wie es in der Antwort der Landesregierung heißt.

Während es bei den Überprüfungen des Messwagens im Westerwald um Ausbaupflichten von 2019 geht, richtet Behördenchef Müller den Blick nach vorne. Im kommenden Jahr will seine Behörde Auflagen für die nächste Frequenzvergabe festlegen, ein erster Vorschlag hierzu soll in den kommenden Wochen publiziert werden.
Wie fallen die Ergebnisse der Messfahrten im Westerwald aus? Ingenieur Busch lächelt. „Es sieht gut aus: Der weiße Fleck ist nicht mehr weiß und nicht mehr grau – er ist gar kein Fleck mehr.“ Die Angaben der Netzbetreiber seien richtig gewesen. Ob das in allen angeblich geschlossenen Funklöchern so ist, bleibt allerdings offen – die Behörde macht nur Stichproben-Messungen.