Die Krise in der Luftfahrtbranche in Folge der Corona-Pandemie trifft auch immer mehr Standorte am Bodensee. Wie der Luftfahrt-Spezialist Diehl-Aviation mitteilte, sollen bundesweit bis Ende 2022 rund 1400 von etwa 5500 Jobs gestrichen werden. Betriebsbedingte Kündigungen sollen vermieden werden. Stattdessen sind Altersteilzeit und Abfindungen vorgesehen, wie es hieß.
In Überlingen arbeiten gut 1300 Menschen für Diehl aus Nürnberg
Das Unternehmen mit Stammsitz in Laupheim nahe Ulm hat auch ein Werk in Überlingen am Bodensee. Dort arbeiten derzeit etwa 320 Mitarbeiter. Dazu kommen rund 1000 Beschäftigte bei der Diehl-Rüstungssparte, die ebenfalls am Standort angesiedelt, aber nicht von den Jobabbauplänen betroffen sind.
Wie viele Stellen sind auf der Kippe?
Aus informierten Kreisen verlautete, in Überlingen könnten etwa 60 bis 70 Stellen auf der Kippe stehen. Ein Diehl-Unternehmenssprecher bestätigte dies nicht. In der Bodenseegemeinde baut Diehl neben Rüstungsgütern wie Lenkwaffen in einem zivilen Gemeinschaftsunternehmen mit dem französischen Thales-Konzern – Diehl-Aerospace – insbesondere Cockpit- und Steuerungselektronik für Jets.
Weitere Standorte von Diehl-Aerospace gibt es in Frankfurt, Nürnberg und Rostock. Hier hat der Konzern eine Zielzahl für den Jobabbau ausgegeben: An allen vier Standorten sollen nach Unternehmensangaben „rund 200 Stellen wegfallen“.
Durch den jetzt angekündigten Jobabbau will Diehl nach harschen Gewinneinbrüchen 2019 und voraussichtlich tiefroten Zahlen im laufenden Jahr ab 2023 wieder in die Gewinnzone. Genau wie fast alle Luftfahrtunternehmen verbrennt das Stiftungsunternehmen in Folge der Corona-Pandemie jeden Tag Geld.

Aktuelle Branchenschätzungen gehen davon aus, dass das Vorkrisen-Niveau in der Zivil-Luftfahrt erst zum Ende des Jahrzehnts wieder erreicht werden könnte. Restrukturierungen sind daher aktuell ein Branchenphänomen.
ZIM insolvent, Airbus baut Jobs ab
Am Bodensee streicht beispielsweise auch Airbus in Immenstaad wegen fehlender Aufträge knapp 200 Stellen. Andere Firmen, wie ZIM Flugsitz aus Markdorf, haben zwischenzeitlich Insolvenz angemeldet.
Nach einer Ende April veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung H&Z rechnen 89 Prozent der Luftfahrt-Unternehmen bundesweit „mit weitreichenden, teils sogar existenzbedrohenden Folgen aus der Corona-Krise„. Mehr als zwei Drittel stecken in Liquiditätsengpässen.
Die Diehl-Rüstungssparte brummt
Der Diehl-Betriebsratsvorsitzende in Überlingen, Andreas Röhrig, sagte, dass die Unternehmensleitung für den Standort betriebsbedingte Kündigungen nicht klar ausgeschlossen habe, sei nicht hinnehmbar.
Immerhin werde nur einen Steinwurf entfernt, bei der Rüstungsschmiede Diehl Defence, seit Jahren eingestellt. „Auf der einen Seite des Hofes Leute entlassen und auf der anderen Seite einstellen, das geht nicht“, sagte Röhrig. Die Unternehmensleitung müsse härter daran arbeiten entsprechende sozialverträgliche Lösungen zu finden.