Die bislang beispiellosen Produktionskürzungen in der Automobilindustrie schlagen auf die Zulieferbranche durch. In vielen Unternehmen verhandeln Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter fieberhaft über die genauen Ausgestaltungen der Maßnahmen. Dass die Produktion in den kommenden Tagen auch in vielen Zulieferbetrieben zurückgefahren wird, steht außer Frage.
Das planen ZF Friedrichshafen und Bosch
Am Mittwoch kündigte mit der ZF Friedrichshafen einer der weltweit größten Automobilzulieferer entsprechende Schritte an. „Wir gehen davon aus, dass wir sowohl einzelne Produktlinien als auch ganze Werke pausieren lassen werden, um der Nachfrageunterbrechung der Autohersteller zu folgen“, sagte ein ZF-Sprecher unserer Zeitung.
Zugleich bereite man sich darauf vor, den Wiederanlauf der Produktion für die Kunden nach der Corona-Pause bestmöglich zu unterstützen, sagte er. Die konkreten Änderungen im Produktionsprogramm würden derzeit festgelegt. Übergeordnetes Ziel sei es, die Kunden so lange wie möglich zu beliefern. Eine Sprecherin des weltgrößten Zulieferers Bosch sagte unserer Zeitung, einzelne Werke in Frankreich, Italien und Spanien setzten ihre Produktion vorübergehend aus. In Deutschland werde die Produktion aufrecht erhalten.
Das haben die Autohersteller angekündigt
Zwischen Dienstag und Mittwoch hatten in einem bislang beispiellosen Vorgang nahezu alle namhaften deutschen Automobilhersteller massive Einschränkungen ihrer Produktion angekündigt. Am Dienstag beschloss der Wolfsburger Volkswagen-Konzern, alle deutschen sowie zahlreiche europäische Fabriken von VW-Pkw und Standorte der konzerninternen Zuliefersparte ab Donnerstag für mindestens zehn Tage zu schließen. In den Stunden danach folgten weitere Konzernmarken wie Audi und Porsche mit ähnlichen Ankündigungen.
Auch Daimler, BMW und Opel haben mittlerweile angekündigt, ihre Werk zum Großteil für Wochen herunterzufahren. Dazu viele ausländische Hersteller. Begründet werden die Maßnahmen mit dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Dahinter stehen allerdings auch massive Absatzeinbrüche. So ist der chinesische Automarkt, der bei VW für rund 40 Prozent der Verkäufe sorgt, seit Jahresbeginn um 80 Prozent eingebrochen.
So reagieren Mahle und Zeppelin
Der Stuttgarter Mahle-Konzern, nach ZF Deutschlands viertgrößtes Zulieferunternehmen, geht davon aus, „dass die Werksschließungen einiger Kunden zu Kurzarbeit führen werden“, wie ein Mahle-Sprecher dem SÜDKURIER sagte. Betroffen davon sei dann wahrscheinlich auch der Kolben-Standort in Rottweil. Man stehe dazu „im Austausch mit den Arbeitnehmervertretern.“ Auch der Baumaschinen-Konzern Zeppelin prüft derzeit die Voraussetzungen für Kurzarbeit.
Das planen Marquardt und der Maschinenbauer Chiron
Vom Familienunternehmen Marquardt in Rietheim-Weilheim wiederum, das als Hersteller von mechatronischen Komponenten stark von deutschen Premiumautobauern wie Daimler abhängig ist, heißt es, man eruiere derzeit, welche Maßnahmen man für die eigenen Werke ableite. Ein Marquardt-Sprecher wollte er den Einsatz von Kurzarbeit nicht ausschließen.
Auch im Maschinenbau kommen die Einschläge näher. Der Tuttlinger Spezialist für Fräsmaschinen Chiron geht davon aus, seiner Belegschaft in den kommenden Tagen Details über Produktionsanpassungen mitteilen zu müssen. Ein mögliches Szenario könnte die Einführung einer Vier-Tage-Woche sein, sagte ein Sprecher. Einen Beschluss der Geschäftsführung gibt es aber noch nicht. Chiron ist insbesondere von den weitgehenden Reisebeschränkungen in vielen Ländern betroffen. So könnten Maschinen teils nicht vor Ort montiert, andere gar nicht mehr ausgeliefert werden.
So sehen die Kurzarbeitergeld-Regeln aus
Bundesweit gibt es derzeit einen Ansturm auf das wegen der Corona-Krise erweiterte Kurzarbeitergeld. Die Firmen beantragen die Leistung in großem Stil bei der Bundesagentur für Arbeit (BA), heißt es vom Bundesarbeitsministerium. Die BA übernimmt dabei 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns. Bei Arbeitnehmern mit Kind sind es 67 Prozent. Gut weg kommen Mitarbeiter der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie, deren Gehälter laut Tarif auf 80,5 bis 97 Prozent des vorherigen Nettos aufgestockt werden. Weitere Bereiche mit Zuzahlungsvereinbarungen sind die Chemieindustrie oder die früheren Staatsbetriebe Deutsche Bahn und Deutsche Telekom.
Als Corona-Sonderregel können Betriebe Kurzarbeitergeld bereits nutzen, wenn 10 Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind. Den Arbeitgebern werden zudem die Sozialversicherungsbeiträge, die sie bei Kurzarbeit zu zahlen haben, in voller Höhe vom Staat erstattet. Voraussetzung ist allerdings, dass Arbeitszeitkonten, die in vielen Branchen tarifvertraglich vereinbart sind, bereits geleert sind.
Niemand müsse sich Sorgen machen, ob das Geld fließe, wenn es auch ein paar Tage dauerte und Telefonleitungen vorübergehend dicht blieben, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).