Als die Lokalmatadorin Liane Lippert aus Friedrichshafen (Team Movistar) nach ihrer beeindruckenden Solofahrt bei den Deutschen Straßenrad-Meisterschaften in Bad Dürrheim ihren Eltern in die Arme fiel, gab es gleich mehrere Gründe, die Sektkorken knallen zu lassen. Denn zu feiern gab es nicht nur die erfolgreiche Titelverteidigung der 25-Jährigen, sondern auch den Geburtstag der Mutter, die mit dem DM-Trikot der Tochter das schönste Geburtstagsgeschenk bekam, dass sie sich vorstellen konnte.

Mit 1:07 Minuten Vorsprung auf die Zweite Kathrin Hammes (EF Education-Tibco-SVB) erreichte Lippert am Samstag als Solistin das Ziel – nach 2022 und 2018 ist es ihr dritter nationaler Titel. Die Bronzemedaille ging, zehn Jahre nach ihrem letzten DM-Podium, im Sprint überraschend an Romy Kasper (AG Insurance – Soudal Quick-Step). Sie hatte im Ziel nach 135 Kilometer einen Rückstand von 1:14 Minuten auf die Siegerin.

Zu einem der ersten Gratulanten gehörte auch Liane Lipperts Familie, wie hier Vater.
Zu einem der ersten Gratulanten gehörte auch Liane Lipperts Familie, wie hier Vater. | Bild: Ralf Schäuble

Vor der 27 Kilometer langen Runde über die Baar mit den steilen Rampen in Öfingen und Aasen hatte selbst der beinahe Bergkönig der letzten „Tour de France“, Simon Geschke, Respekt. „Die Mädels waren in Ziel schon ganz schön fertig“ nickte er anerkennenden nach der DM-Entscheidung den Kopf. Damit meinte er aber nicht Liane Lippert. Bei Titelverteidigerin, Lokalmatadorin und Top Favoritin sah alles so einfach aus. 32 Kilometer vor dem Ziel in der zweitletzten Runde attackierte sie und fuhr in einem beeindruckenden Solo-Ritt zum Sieg.

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Aber ganz so leicht wie es den Anschein hatte, war es dann doch nicht. Bis zur Attacke war von der Deutschen Nummer eins nicht viel zu sehen. In dem immer kleiner werden Spitzenfeld, das zu dem Zeitpunkt gerade noch aus acht Rennfahrerinnen bestand, war sie so gut wie nie in der Führungsposition. „Als Einzelfahrerin habe ich einfach abgewartet und die andern erst mal machen lassen“ kommentierte sie ihre Renntaktik.

So sehen Siegerinnen aus: Liane Lippert verteidigte in Bad Dürrheim ihren DM-Titel.
So sehen Siegerinnen aus: Liane Lippert verteidigte in Bad Dürrheim ihren DM-Titel. | Bild: Ralf Schäuble

Das schwere Profil kumulierte sich auf 1810 Höhenmeter und führte zu einem brutalen Ausscheidungsfahren, bei dem nur die Besten eine Chance hatten. Taktische Geplänkel gab es kaum, Ausreißversuche hatten keine Chance auf Erfolg. „Der Grundspeed war sehr hoch“, bestätigte die erfahrene Romy Kasper, die sich mit ihrer Bronzemedaille selbst ein wenig überraschte: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich bei den Höhenmetern nochmals um die Medaillen fahren kann“, freute sie sich die 35-Jährige aus Forst.

Attacke bei der Abfahrt

Die verbliebenen Fahrerinnen an der Spitze rechneten mit einer Attacke von Liane Lippert an einem der giftigen Rampen, genau dem Terrain, das sie liebt und in dem sie so stark ist wie keine andere in Deutschland. Dieses Mal kam der Anritt allerdings in einer Abfahrt. „Ich habe gedacht, ich versuche mal etwas Neues“ Nach der zweitletzten Passage des Bergpreises in Aasen kam völlig überraschend der Angriff der 25-Jährigen. Schnell ging eine Lücke auf, die Liane Lippert selbst ein wenig erstaunte. „Ich dachte, was habe ich mir da nur eingehandelt, als ich merkte, dass ich alleine war. Es war ja noch ziemlich weit bis ins Ziel und eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass die eine oder andere mitzieht“ schilderte sie die Rennsituation.

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Dann hat sie aber selber „durchgezogen“ und legte stetig Meter um Meter zwischen sich und die Konkurrenz. Nach dem Anstieg in Öfingen waren es dann schon 1:17 Minuten und damit fast sicher, dass ihr der dritten DM-Titel nicht mehr zu nehmen sein wird.

Die Entscheidung um die verbliebenen Podiums-Platzierungen blieb spannend bis zum Ende. Kathrin Hammes aus Köln attackierte vor dem letzten Bergpreis und setzte sich leicht ab. Allerdings immer im Blickfeld ihrer drei Verfolgerinnen. Dennoch gelang es ihr, den Mini-Vorsprung bin ins Ziel zu verteidigen und damit Silber zu holen. Romy Kasper gewann dann den Sprint um Bronze vor Mitfavoritin und Nachwuchshoffnung Ricarda Bauerfeind aus Ingolstadt und der zweiten Lokalmatadorin, Clara Koppenburg aus Lörrach, der damit die zweite DM-Medaille nach Bronze im Einzelzeitfahren verwehrt blieb.