Wer über den Brenner nach Italien fährt, sollte einen zeitlichen Puffer einplanen. Immerhin staut sich der Verkehr auf der Brennerautobahn regelmäßig. Auch wenn das der Fall ist, muss aktuell Maut gezahlt werden – und zwar der volle Betrag. Doch das könnte sich bald ändern, wie ein Präzedenzfall in Italien nun nahelegt.
Gerichtsurteil in Italien: Keine volle Maut bei Baustellen
In Italien sorgt derzeit ein Urteil des Verwaltungsgerichts im Latium für Aufsehen. Dieses hat eine Strafe in Höhe von 700.000 Euro bestätigt, die von der Antitrustbehörde gegen die Autostrada Ligure Toscana (Salt) verhängt wurde, wie unter anderem die italienische Zeitung lanazione.it berichtet. Die Betreiberin der A15 (Autostrada della Cisa) hatte in den vergangenen Jahren trotz massiver Verkehrsbehinderungen, die unter anderem durch zahlreiche Baustellen und viele Spurverengungen zustande kamen, die volle Maut verlangt. Das Verwaltungsgericht sah darin eine unfaire Geschäftsmethode – und fällte ein einzigartiges Urteil, welches Präzedenzwirkung haben könnte: Wenn nicht die volle Leistung erbracht wird, kann auch nicht der volle Preis verlangt werden.
Relevant könnte das Urteil unter anderem rund um den Brenner werden. Genauer gesagt, könnte die Brennerautobahn A22 und deren Betreiberin, die Brennerautobahn AG, schon bald in den Fokus der Antitrustbehörde geraten. Das fordert zumindest ein Verbraucherschutzverein.
Maut am Brenner: Geringere Mautpreise bei Stau und Baustellen?
Die A22 führt von der österreichisch-italienischen Grenze am Brennerpass bis nach Modena. Laut dem Verbraucherschutzverein Robin ist sie „seit Jahren ein Symbol für Staus, Dauerbaustellen und Überlastung“. Eine reibungslose und schnelle Fahrt sei nicht möglich und „trotzdem wird von den Nutzern eine volle Maut verlangt“, kritisiert Robin in einer Pressemitteilung. „Während Autofahrer, Pendler und Transportunternehmen regelmäßig im Stau festsitzen, werden sie behandelt, als hätten sie für einen Premium-Service bezahlt“. Das sei nichts anderes als „eine moderne Form feudaler Abzocke“.
Der Verein fordert politischen Druck aus dem Trentino und aus Südtirol sowie ein Einschreiten der Antitrustbehörde in Rom. „Es darf nicht länger akzeptiert werden, dass die Brennerautobahn Narrenfreiheit genießt. Die Politik hat die Pflicht, die Rechte der Verbraucher zu verteidigen – und die Betreiberin endlich in die Schranken zu weisen“, heißt es in der Mitteilung von Robin. In dieser wird zudem Walther Andreaus, der ehrenamtliche Geschäftsführer des Vereins, mit einer klaren Forderung zitiert: „Es ist höchste Zeit, dass die Aufsichtsbehörde für Wettbewerb und Markt eingeschritten ist, um diese willkürliche und unfaire Geschäftspraktik zu unterbinden. Die Autobahn ist ein öffentliches Gut – und daher ist es untragbar, dass die Rechte der Verbraucher den Gewinnen der Betreiber untergeordnet werden. Mit überhöhten Mauteinnahmen dürfen nicht Finanzpolster gebildet werden, die für Zwecke außerhalb des eigentlichen öffentlichen Auftrags verwendet werden.“
Bei der Einordnung der Aussagen ist wichtig, dass Robin durch diese auch ein Eigeninteresse verfolgt. Klar ist aber auch, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts im Latium nun Bewegung in die Sache bringen könnte. Sollte es bezüglich der A22 zu einem ähnlichen Urteil kommen, könnten Nutzer der Brennerautobahn bald Entschädigungen erhalten, wenn sie im Stau stehen. Eine andere Option wäre, dass die Brennerautobahn AG die Mautpreise senkt, wenn sich Baustellen oder andere Gründe für Verzögerungen auf der Brennerautobahn befinden.
Die Fachzeitschrift Auto Motor Sport berichtet darüber, dass die Transportaufsicht ART derzeit an einem neuen Rahmen arbeitet, der Reduktionen oder Erstattungen bei spürbaren Leistungseinbußen bezüglich der Maut vorsieht. Diese wären beispielsweise bei baustellenbedingten Staus gegeben. Das System soll ab 2026 greifen, eine stufenweise Einführung bis 2027 oder 2028 erschein als möglich. Es würde eine Reform der Autobahngebühren darstellen.
Auch interessant: Derzeit wird der Brenner-Basistunnel gebaut, der einen schnellen Zugverkehr von Österreich nach Italien möglich machen soll. Zuletzt kam es bei den Bauarbeiten zu einem ersten Durchbruch.