Frau Kosova, die AfD wird von vielen am äußeren rechten Rand verortet, gilt als antisemitisch und rassistisch. Was hat Sie als Jüdin dazu bewegt, einer solchen Partei beizutreten? Oder stand Ihre Religion bei der Wahl der Partei im Hintergrund?

Das Judentum definiert nicht eine politische Ausrichtung im ersten Schritt. Es gibt Juden, die eher konservativ sind, andere weniger. Ich bin vom Hintergrund her eher konservativ, deshalb auch dort eher politisch beheimatet.

Der offen zur Schau getragene Antisemitismus in der Partei stört Sie nicht?

Es gibt problematische Personen und eine kritische Auseinandersetzung, das ist auch richtig so. Wir setzen uns gegen jede Form von Antisemitismus ein. Die AfD als Partei grenzt sich ganz klar ab vom Antisemitismus. Wir haben eine Unvereinbarkeitsliste, die Punkte beinhaltet, zu denen wir sagen: Das sind nicht wir und das passt nicht zu unserer Ausrichtung.

Björn Höcke hat das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet, Alexander Gauland bezeichnete die Nazi-Verbrechen als „Vogelschiss der Geschichte“. Wie haben Sie damals auf diese Aussagen reagiert?

Mit einer sehr scharfen Kritik. Sie kam nicht nur von mir individuell, sondern auch von vielen anderen Parteimitgliedern. So etwas können wir nicht tolerieren. Beide haben eingesehen, dass es ein großer Fehler war. Es hat eine kritische und offene Auseinandersetzung stattgefunden mit jenen, die sich so etwas geleistet haben. Damit war das für mich erledigt.

In der AfD gibt es auch Menschen wie Wolfgang Gedeon. Was macht das mit Ihnen?

Gedeon ist ebenfalls nicht unproblematisch. Inzwischen ist er ja fraktionslos, politisch isoliert, und deshalb auch nicht repräsentativ für unsere Partei. Nur ist ein Ausschluss aus der Partei extrem schwierig. Ob Gedeon aus unserer Partei ausgeschlossen werden sollte, entscheide nicht ich persönlich. Dafür gibt es entsprechende Gremien, das muss ich akzeptieren.

Zahlreiche jüdische Organisationen haben die Gründung der Gruppierung Juden in der AfD kritisiert. Wie gehen Sie damit um?

Wir haben mit Widerstand gerechnet. Aber wir haben Meinungsfreiheit, jeder darf seine Meinung frei äußern. Ich sage ganz klar, dass das Judentum keine politische Ausrichtung definiert. Wenn sich ein Jude für unsere Partei entscheidet, ist das sein gutes Recht, wie auch immer er zu dieser Entscheidung kommt. Die Arbeitsgruppe an sich ist nichts Außergewöhnliches. Wir haben Gruppen von Christen, Arbeitnehmern und Homosexuellen in der AfD, auch vertriebener Russlanddeutscher. Solche Arbeitskreise tragen zur Professionalisierung unserer Partei bei, sie dienen als Ansprechpartner, in diesem Fall für jüdische Themen.

Sie sind Vorsitzende der Gruppierung. Was wollen Sie mit der Arbeitsgruppe erreichen?

Wir geben unseren jüdischen Parteimitgliedern eine konservative Stimme, die es bis jetzt eigentlich noch gar nicht gab. Wir sehen uns als Vertreter der Juden in diesem politischen Spektrum. Der Antisemitismus, egal aus welcher Richtung er kommt, wird von uns angeprangert und öffentlich gemacht – ob er aus dem linken, rechten oder islamischen Spektrum kommt. Wir werden uns bemühen, den Dialog mit den jüdischen Verbänden herzustellen, auch in Israel. Der Austausch ist uns wichtig.

Sind Sie praktizierende Jüdin? Welche Rolle spielt Ihre Religion in Ihrem Alltag?

Ich versuche meinen Glauben so weit wie möglich zu praktizieren. Aber manchmal ist das im Alltag schwierig: Ich bin Ärztin und muss auch am Sabbath arbeiten. Ich versuche, mich koscher zu ernähren, trinke meinen Kaffee ohne Milch, esse kein Schweinefleisch. Was praktikabel ist, versuche ich einzuhalten. Meine Kinder möchte ich in einem jüdischen Kindergarten unterbringen, ich begehe jüdische Feiertage, soweit ich sie einhalten kann. Ich lebe meinen Glauben so, wie es kompatibel ist mit meinem Beruf und meiner Familie.

Welche Reaktionen erhalten Sie von anderen deutschen Juden?

Wenn ich die Masse betrachte, sind sie überwiegend positiv. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen, aber insgesamt wird das politische Engagement hervorgehoben, viele wünschen mir Kraft und Geduld bei der Umsetzung meiner Ziele. Ablehnung findet nicht statt.

Wie wichtig ist Ihnen die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen und den Holocaust? Engagieren Sie sich persönlich dafür, dass die Geschichte nicht in Vergessenheit gerät?

Es ist ein wichtiger Punkt und das muss auch so bleiben. Ein aktives Engagement in Verbänden habe ich nicht. Aber wenn ich irgendwo privat auf einer Reise bin und es gibt eine Gedenkstätte oder ich habe eine Möglichkeit, einen Holocaust-Überlebenden zu sprechen, nehme ich das durchaus wahr. Das ist ein wichtiger Teil unserer Geschichte und wird immer ein Teil unserer Geschichte bleiben.

Die AfD ist gegen die traditionelle Schlachtung von Tieren, die das Judentum vorschreibt. Das kann doch nicht in Ihrem Interesse sein?

Das ist nicht in unserem Interesse, wir sehen diesen Punkt ja auch kritisch. Aber auch deshalb, weil wir finden, dass diese Diskussion noch nicht zu Ende geführt ist. In der Schweiz ist das Schächten konsequent verboten worden. Es gab einen Bürgerentscheid und die Menschen haben den Tierschutz im Vordergrund gesehen. Aber das hat nicht dazu geführt, dass das jüdische Leben in der Schweiz verschwunden ist, im Gegenteil. So viel jüdisches Leben auf den Straßen habe ich in Deutschland noch nie gesehen, wie viele orthodoxe Juden dort über die Straße laufen. Ich bin der Meinung, dass unsere Gesellschaft sich auseinandersetzen muss: Wir haben Tierschutz und Religionsfreiheit. Wir müssen entscheiden, was stärker wiegt.

Ist die Gründung der Gruppierung nicht nur der Versuch einer Partei, ihr Image aufzupolieren? Haben Sie sich dafür instrumentalisieren lassen?

Keineswegs. Ich sehe immer wieder diese Frage, oder den Versuch, in diese Richtung zu argumentieren. Es war eine spontane Entscheidung aus der Mitte der Partei heraus. Die Partei spezialisiert sich. Auch andere Parteien haben solche Arbeitskreise. Das ist nichts Außergewöhnliches. Es ist wichtig und richtig für unsere Partei, dass wir den Arbeitskreis der Juden haben. Von einer Instrumentalisierung kann keine Rede sein. Es gab kein Diktat von oben, die Gründung kam aus der Mitte der Partei.

Beatrix von Storch sprach unlängst davon, dass sie nichts dagegen habe, wenn sich auch eine Gruppe von Muslimen in der AfD bilden würde. Wie stehen Sie dazu?

Es darf grundsätzlich kein Glaube ausgegrenzt werden. Wenn Muslime in die Partei eintreten, müssen sie auch die Möglichkeit haben, eine Arbeitsgruppe zu gründen. Aber wir sehen den fundamentalistischen Islam sehr kritisch. Es gibt einige, die mit unserer freiheitlichen Ausrichtung nicht klar kommen, ein diskriminierendes Frauenbild haben, die Homosexuelle und Andersgläubige verurteilen. Das ist eine Gefahr für unsere Demokratie, die man auch nicht unterschätzen darf. Im Islam gibt es extrem radikale Strömungen. Darauf muss man hinweisen. Aber von einer Pauschalisierung kann keine Rede sein.

Sehen Sie muslimische Einwanderung als Problem in Deutschland?

Ich sehe sie nicht als Problem. Es geht nicht darum, ob sie muslimisch ist oder nicht. Es geht darum, dass sie unkontrolliert stattfindet, dass der Staat teilweise den Überblick verliert, wer unsere Grenzen passiert. Das war der Ausgangspunkt unserer politischen Forderungen: dass es keine Massenmigration gibt.

Wie müsste die Flüchtlingspolitik in der Bundesrepublik idealerweise aussehen?

Es wäre schon schön, wenn die Gesetze eingehalten würden. Wir haben ein Grundgesetz, die Genfer Flüchtlingskonvention, Regelungen zur Einreise aus sicheren Drittstaaten. Die, die eine Bleibeperspektive haben, dürfen auch bleiben. Die anderen müssen gehen. Es gibt Asyl oder Flüchtlinge und es gibt das Thema Einwanderung. Diese beiden Elemente müssen klar voneinander getrennt betrachtet werden.

Sie selbst sind Kind einer Flüchtlingsfamilie, die die Nachfolgestaaten der Sowjetunion verlassen haben. Verraten Sie mit Ihrer Mitgliedschaft in der AfD nicht die Werte, für die Ihre Eltern damals die Flucht auf sich nahmen – eine offene und pluralistische Gesellschaft?

Erstens, wir sind keine Flüchtlinge im klassischen Sinne. Wir werden als Kontingentflüchtlinge eingestuft, aber wir sind ehrlicherweise Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion. Die Flucht im klassischen Sinne gab es nicht. Wir haben einen Antrag auf Ausreise in Usbekistan gestellt und dann zwei Jahre gewartet und die Genehmigung bekommen. Erst dann ist meine Familie ausgereist.

Sie sind Ärztin und in der Arbeitsmedizin tätig, derzeit aber in Elternzeit. Wollen Sie künftig nur noch politisch arbeiten und Ihren Beruf aufgeben?

Das hängt nicht immer alles von mir ab. Ich liebe meinen Beruf und würde auch weiter in meinem Beruf arbeiten. Sollte sich die Gelegenheit ergeben, dass ich politisch mehr unterwegs sein muss, bin ich bereit, die Herausforderung anzunehmen.

Wichtige Fakten zur AfD

  • Seit wann? Der erste Parteitag der AfD fand im April 2013 statt. Das Ziel der Alternative für Deutschland damals: Die Abschaffung des Euroraumes. Als Gründungsdatum gilt der 6. Februar 2013, Gründungsort war Berlin.
  • Der Name: Bundeskanzlerin Merkel nannte eine politische Maßnahme einmal „alternativlos“. Die AfD nennt sich Alternative für Deutschland, weil sie glaubt, sie könne der Politik der Kanzlerin etwas Besseres entgegen setzen.
  • Griechenland: Auslöser für die Gründung dieser Partei waren die Kredite und Bürgschaften, die dem völlig überschuldeten Griechenland gewährt wurden. Die AfD-Gründer hielten die Hilfen für einen kapitalen Fehler. Sie forderten, dass das Euro-Land aus eigenen Kräften wieder auf die Beine kommen muss und schlugen bereits damals nationalistische Töne an.
  • Gründer: Bernd Lucke, Wirtschaftsprofessor in Hamburg, zählt zu den Männern der ersten Stunde. Er war der erste Vorsitzende. Sein Kurs war wirtschaftsliberal bis konservativ. Der Wirtschaftsprofessor wurde inzwischen hinausgedrängt, sein Kurs als zu mäßig empfunden. Er selbst ist politisch in der Versenkung verschwunden.
  • Aktuelle Führung: Jörg Meuthen und Alexander Gauland sind Parteivorsitzende. Stellvertreter: Georg Pazderski, Kay Gottschalk, Albrecht Glaser.
  • Bundestag: Seit der Wahl vor einem Jahr ist die AfD mit 92 Abgeordneten im Bundestag vertreten. Damit ist sie die stärkste Oppositionspartei. Alexander Gauland und Alice Weidel sind somit auch Oppositionsführer.
  • Landesparlamente: Von 2014 bis 2018 zog sie in 16 Landesparlamente ein. Besonders stark ist die AfD in den östlichen Bundesländern vertreten. Mit Spannung erwartet wurde die Wahl in Bayern am 14. Oktober, wo die AfD erstmals angetreten ist. Sie holte dort 10,2 Prozent.
  • Mitglieder: Etwa 30 000 bundesweit (Stand Mai 2018).
  • Frauenanteil: Er liegt bei 16 Prozent.
  • Nachwuchs: Die Junge Alternative (JA). Sie ist auf Basis der jeweiligen Länder organisiert.
Uli Fricker