"An Weihnachten sind wir wieder zuhause!" So dachten fast alle Männer im August 1914, als sie in den Krieg zogen. Und so hatte man es den Soldaten in Deutschland, in Frankreich, in England und auch in der Donaumonarchie auch versprochen. Es kam anders. Zwischen August und Dezember 1918 starben bereits rund eine Million Soldaten an allen Fronten. Allein am 10. November 1914 fielen 2000 junge Deutsche bei Langemark in Flandern.
Christbäume an die Front
Weihnachten musste also an der Front gefeiert werden. Gut ist das auf alten Fotos zu sehen, die SÜDKURIER-Leser der Redaktion 2014 geschickt haben, als der Kriegsbeginn 100 Jahre zurücklag. Auf den Bildern sind Männer die sich am Heiligabend um Christbäume scharen. Dass die zu tausenden in allen Größen aus der Heimat geschickt wurden, hatte Kaiser Wilhelm II. persönlich veranlasst.

Die Soldaten versammelten sich in Hütten und Unterständen um ein dürres Bäumchen, sangen Weihnachslieder, machten Päckchen von daheim auf und ließen es sich bei Alkohol gut gehen. Praktisch waren dazu auch Mini-Bäumchen aus Metall, die man zusammenklappen, in eine Schachtel stecken und an die Front schicken konnte.

Andere machten es wie daheim und stellten einen Gabentisch auf. Dort standen dann die kleinen Geschenke um einen Baum. Eine gewisse Besinnlichkeit kann man diesen Bild nicht absprechen:

Wurde an den Weihnachtstagen an der Front weniger geschossen? Ja. Die Soldaten ließen sich in den Stellungen in Ruhe. Aber zu einer offiziellen Feuerpause, wie sie Papst Benedikt XV. angeregt hatte, konnten sich Politiker und Militärs nicht durchringen.

Aber die Feuerpause stellte sich von selbst ein – etwa dort, wo sich auf einer Länge von 50 Kilometern bei Ypern in Flandern Deutsche und Engländer gegenüberlagen – nur 50 bis 100 Meter voneinander entfernt.
Ein Schützengraben-Abschnitt bei Ploegsteert südlich von Ypern ist rekonstruiert. Nur diese Anlage erinnert zwischen Maisfeldern, Wiesen und Wäldern daran, dass es hier mal einen Krieg gab.

Wo noch im November erbittert gekämpft wurde, hörte man jetzt Weihnachtslieder. "Stille Nacht, heilige Nacht", drang es aus den deutschen Gräben. Wenig später stimmten die Gegner gemeinsam "O du fröhliche" in ihren Sprachen an. Im "In Flanders Fields Museum" in Ypern laufen Videos mit Schauspielern in historischen Uniformen, die diesem kleinen Frieden ein Denkmal gesetzt haben.
Dann passierte, was zuvor noch tödlich gewesen wäre: Engländer und Deutsche – vor allem die einfachen Soldaten – stiegen nach und nach aus den Gräben.

Die Männer gaben sich im Niemandsland die Hand und vereinbarten, im Niemandsland ihre Toten zu bergen. Dann wurden die ersten Zigaretten angezündet, und man bot dem Gegner welche von den eigenen an.

Später kamen auch Unteroffiziere und Offiziere hinzu und gaben dem Weihnachtsfrieden ihren inoffiziellen Segen.

Aber es blieb nicht beim Singen, Händeschütteln und ein paar Brocken Englisch der deutschen Soldaten. Die Männer brachten kleine Geschenke aus ihren Gräben. So waren in den deutschen "Liebesgaben aus der Heimat" viele Dinge, die auch dem Gegner Freude machten – wie Kekse, Weinbrand, Zigaretten und Tabak. Kronprinz Wilhelm von Preußen, selbst Führer einer Heeresgruppe, hatte "Kameraden" sogar Pfeifen mit Porzellankopf schicken lassen, auf den sein Porträt gedruckt war.
"Heil-Germania"-Zigarre gefällig?
Das "In Flanders Fields Museum" zeigt eine Auswahl von Geschenken: Mackintosh-Süßigkeiten, "Heil-Germania"-Zigarren, Caramel-Bonbons, englische Zigaretten, eine Pfeife – neben einer englischen Wollmütze und einem Fußball von damals.
Die kurze Versöhnung zwischen den Gräben ging als "Weihnachtsfrieden" oder "Christmas Truce" in die Geschichte ein. Er hatte sogar eine sportliche Note. Verbürgt ist, dass einige fußballverrückte Engländer plötzlich mit einem Ball auftauchten und anfingen, zu kicken.

Auch bei den Deutschen gab es Fußballfreunde. So spielten bald zwei Teams im Niemandsland gegeneinander.
Nur die Generäle sind sauer
Die Leutnants und Hauptleute hätten eigentlich gegen die Fraternisierung ihrer Leute vorgehen müssen, unterließen das aber. Die Generäle in der Etappe sahen das mit Entsetzen. Sie ließen später ihrer Missbilligung freien Lauf – etwa durch eine Urlaubssperre oder Versetzung.
Jugendliche bringen Bälle mit
An dem Ort, wo sich damals Engländer und Deutsche die Hand gaben, bei Comines-Warneton südlich von Ypern, hat Europas Fußballverband Uefa eine kleine Gedenkstätte errichtet. Kürzlich legten dort Jugendliche aus England, Belgien, Frankreich und Deutschland bei "Fußballd und Gedenken" – eine Initiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge – Kränze und Fanartikel ab. Bälle brachten sie auch. Nur die wiesen eindeutige Gebrauchsspuren auf.
