Herr Preiß, Sie sind Tierarzt und Jäger und haben schon viele Löwen in freier Wildbahn erlebt. Handelt es sich bei dem südlich von Berlin gesichteten Tier Ihrer Meinung nach um eine Löwin?
Es handelt sich definitiv um keine Löwin. Bei dem Tier, das abgebildet ist, ist der Kopf nicht ganz sichtbar, aber man sieht die Ohren. Wenn man diese sieht, könnte man meinen, dass es die Kopfform einer ganz jungen Löwin sei. Es könnte aber niemals eine ausgewachsene Löwin sein. Diese hätte völlig andere Kopfproportionen.
Woran erkennen Sie sonst, dass es sich nicht um eine Löwin handelt?
Auf dem Video sieht man, dass das Tier eine leichte Hebebewegung des Kopfes macht – eine typische Bewegung beim Wildschwein.
Dann hat das Tier nicht den Schultergürtel eines Löwen, sondern die saubere Rückenlinie eines Wildschweins und die kurzen Haare eines Wildschweins, das Sommerkleid hellgrau ist – deshalb sieht es auch nicht so dunkel aus, wie man das Wildschwein vom Winterkleid her kennt.
Außerdem meine ich, auf dem Video ein ungefähr 20 Zentimeter langes Schwänzchen zu erkennen. Der Löwenschwanz wäre etwa einen Meter lang und die Löwin würde diesen eher nach hinten oder nach oben tragen. Ich habe schon 50 Löwen in der freien Natur gesehen und das Tier, das abgebildet ist, ist ein ganz normales Wildschwein. Ich sage aber nicht, dass in Brandenburg nicht noch irgendwo eine Löwin herumläuft.
Nehmen wir an, eine Löwin wäre dort unterwegs. Könnte Sie sich überhaupt verstecken und überleben?
Verstecken kann sich eine Katze immer und überleben auch. Dort gibt es gute Wildschweinbestände.

Wenn sie sich auf Wildschwein adaptieren (anpassen, Anmerkung der Redaktion) würde, könnte sie davon sehr gut leben. In Asien wurden beispielsweise Tiger deshalb geschützt, weil sie große Wildschweinjäger sind und dadurch die Schäden an der Landwirtschaft gering gehalten haben. Dort waren sie zur Kurzhaltung der Wildschweine geschätzt.
Nehmen wir an, es wäre eine Löwin unterwegs, die in Privathaltung aufgewachsen ist. Was würde das bedeuten?
Dann wäre sie adaptiert an den Menschen. Dann würde sie, wenn sie Futter sucht, den Kontakt zu Menschen suchen. Aber nicht, um ihn zu fressen. Wenn ein Löwe in einem neuen Umfeld ist, würde er sich aber erst mal verstecken und orientieren. Und wenn er dann genügend Hunger hat, würde er Beute suchen. Das würde er aber definitiv in der Nacht tun. Die Jagdzeit für den Löwen ist halb vier morgens, wenn er mit seinen guten Augen alles sehen kann. In dieser Zeit müssen die Zeitungsausträger natürlich aufpassen. (lacht)
Was halten Sie davon, dass solche Tiere auch privat gehalten werden können?
Davon halte ich gar nichts. Ich finde es auch schon problematisch, sie im Zoo zu halten. Sie sind dann Botschafter für die Wildtiere und man sollte diesen Wildtieren ihren Raum geben. Die Menschen müssen sich dann ein bisschen zurücknehmen.
Beschäftigen Sie sich sonst mit Löwen?
Ich musste schon einmal einen Löwen für den Zirkus Krone behandeln. Das war eine schöne Löwin, die hier in Konstanz war. Und diese Großkatze hatte eine Gebärmutterentzündung und sollte bei ihrem Arzt in München operiert werden. Ich musste sie behandeln, damit sie antibiotisch geschützt ist und keine Probleme bekommt, bis sie in München operiert werden konnte.