Anfang März 1918, vor 100 Jahren, schöpften die Generäle Kaiser Wilhelms II. noch einmal Hoffnung. Sie wollten den Hauptgegnern England und Frankreich einen Siegfrieden aufzwingen. Dazu sollte eine allerletzte Kraftanstrengung helfen: Eine Großoffensive mit fast einer Million Soldaten an der Westfront.

Dort hatte sich der Krieg seit August 1914 festgefressen – trotz mörderischer Materialschlachten wie die bei Verdun. Aber die Deutschen spürten Auftrieb: Man hatte dem kriegsmüden Russland den Frieden von Brest-Litowsk diktiert. Folge: Eine halbe Million Soldaten wurde für die Westfront frei. Die große Chance auf den Sieg schien gekommen…

Aber den Deutschen lief die Zeit davon. Ein mächtiger Gegner, die Vereinigten Staaten, waren seit April 1917 im Krieg. Im März 1918 hatten sie schon 140.000 Mann Kampftruppen nach Frankreich eingeschifft. Jede Woche rückten mehr Männer nach. Für die deutsche Oberste Heeresleitung (OHL) stand fest: Wenn man mit der Offensive zu lange wartete, würden die Amerikaner den Deutschen die Suppe versalzen.

US-Soldaten an der Piave-Front.
US-Soldaten an der Piave-Front. | Bild: Sgt. A. Marcioni/National Archives and Records Administration/dpa

 

So drückte die OHL und deren starke Männer – die Generäle Paul von Hindenburg (Bild links) und Erich Ludendorff (rechts) aufs Tempo. Kaiser Wilhelm II, (Mitte) hatte nicht mehr viel zu melden, aber für ihn war klar: Der Krieg soll an ein Ende kommen. Damit das gelingt, hatten sich die Deutschen etwas ausgedacht: Die „Michael“-Offensive. Den Namen hat sie vom Erzengel Michael. Denn der stieß seine Lanze in den Kopf des feindlichen Drachen.

Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, Kaiser Wilhelm II. und General Erich Ludendorff
Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, Kaiser Wilhelm II. und General Erich Ludendorff | Bild: dpa

 

Für die Michael-Offensive trat die 2., die 17. und die 18. Armee zwischen Arras und La Fère zum Angriff an (siehe rote Pfeile auf der Karte). Auf einer Frontbreite von 70 Kilometern. Ein so gigantischer Angriff war bisher an der Westfront nirgends gestartet worden. Man habe nur die Wahl „zu siegen oder unterzugehen“, so General Ludendorff.

letzte offensive - online Kopie

 

Mit einem neuen Trick wollten die Deutschen die Front im Westen aufrollen: Die Sturmtruppen-Taktik. Zuvor waren die Soldaten in Wellen verlustreich gegen die Schützengräben der Gegner angerannt. Damit sollte Schluss sein. Neue Sturm-Bataillone (im Bild ein Soldat) sollten in Angriffskeilen die Front durchbrechen, Widerstand umgehen und die feindlichen Schützengräben flexibel ausheben. Die Ausrüstung dieser Soldaten war auf das Notwendigste beschränkt: Helm, Patronen, Gewehr, Gasmaske und zwei Säcke mit Handgranaten vor der Brust. Wochenlang wurden sie trainiert.

Säcke mit Handgranaten vor der Brust: Soldat der Sturmtruppen.
Säcke mit Handgranaten vor der Brust: Soldat der Sturmtruppen. | Bild: Bundesarchiv Sign. 183-R05148

 

Auch die Artillerie ging nach einer neuen Taktik vor. Der Offizier Georg Bruchmüller - genannt „Duchbruchmüller“ - hatte es entwickelt. Die Geschütze (im Bild ein schwerer Mörser) nahmen die feindlichen Stellungen nicht mehr tagelang unter Feuer, sondern ließen einen konzentrierten Geschosshagel nur für wenige Stunden auf die Stellungen herabregnen.

Ein schwerer deutscher Mörser mit 21-Zentimeter-Kaliber in einer Stellung.
Ein schwerer deutscher Mörser mit 21-Zentimeter-Kaliber in einer Stellung. | Bild: SÜDKURIER

 

Der Überraschungseffekt sollte sich voll auswirken. Am 21. März 1918 um 4.40 Uhr ging es los. Innerhalb von fünf Stunden fielen 1,16 Millionen Granaten auf die britischen Stellungen. Viele von unten enthielten tödliches Giftgas. Die britische 5. Armee an der Somme wurde innerhalb von drei Tagen aufgerieben, die Gegner ergriffen die Flucht.

 

Erstmals setzten die Deutschen auch Panzer ein. Den neuen Sturmpanzerwagen A7V, 30 Tonnen schwer. Es gab von ihnen allerdings nur 20 Stück – zu wenig, um den deutschen Truppen viel zu helfen.

 

Die deutschen Armeen rückten in der ersten Woche bis zu 50 Kilometer vor und waren daran, die Briten von ihren Nachschub-Häfen an der Kanalküste abzuschneiden. Ein Sieg lag zum Greifen nahe. Doch dazu hätte aber Amiens erobert werden müssen. Da aber kamen die Deutschen nicht hin. Grund: Es ging zu langsam voran. Geschütze mussten mit hungrigen Pferden und Ochsen gezogen werden. Der Boden an der Somme war vom Matsch aufgeweicht. Nachschub kam nicht nach vorn. Der Vorstoß verlangsamte sich, die Gegner konnten Reserven heranführen.

Pferde- und Ochsengespanne müssen Geschütze durch die verwüstete Landschaft ziehen.
Pferde- und Ochsengespanne müssen Geschütze durch die verwüstete Landschaft ziehen. | Bild: Ullstein

 

Die Deutschen hatten an der Westfront 700.000 Pferde, aber nur 23.000 Lastwagen. Die Alliierten verfügten über 100.000 Lkw. Weiterer Nachteil: die Deutschen Lkw mussten auf Stahlreifen fahren, weil es kein Gummi gab. Folge: Die schweren Wagen wühlten sich im Dreck fest. Deutsche Soldaten plünderten britische Depots und aßen sich die Bäuche voll. Auch das verzögerte den Vormarsch.

Deutsche Armeelastwagen. Sie müssen auf Stahlreifen fahren.
Deutsche Armeelastwagen. Sie müssen auf Stahlreifen fahren. | Bild: SÜDKURIER

 

So eroberten die Deutschen an der Somme zwar mehr als 200 Quadratkilometer. Doch am 4. April 1918 blies General Ludendorff die Michael-Offensive ab. Die Ziele wurden nicht erreicht, der Preis dafür war zu hoch: etwa 240.000 Mann Verluste – davon rund 35.000 Tote. Der Geländegewinn war teuer erkauft – und strategisch wurde nichts erreicht. Auch die weiteren „Hammerschläge“ der Deutschen im Westen bis Juli 1918 brachten nicht den erhofften Erfolg, sondern kosteten unzählige Menschenleben. 

Gefallene deutsche Soldaten nach der Offensive.
Gefallene deutsche Soldaten nach der Offensive. | Bild: dpa

 

Der deutsche Rückzug von August bis Oktober 1918 war die Folge – und damit die Niederlage des Kaiserreichs. Das Ende wurde mit dem Waffenstillstand am 11. November 1918 in Compiègne besiegelt.