
Mit dem Zug bin ich nach Nevers gereist, um von dort den Eurovelo6 fortzusetzen, nachdem ich vor zwei Jahren den Abschnitt von Montbéliard bis Nevers geradelt war. Jetzt sollte die Loire im Mittelpunkt stehen. Im Prinzip führt der Eurovelo 6 westwärts ab Digoin im Département Saône-et-Loire immer an der Loire entlang. Weil ich es aber in der gegebenen Zeit unbedingt bis ans Meer schaffen wollte, kürzte ich ab. Von Nevers radelte ich nicht den Bogen nach Norden über Orléans immer an der Loire entlang, sondern direkt nach Bourges.

Das ist vom Raderlebnis her etwas mager, zumal bei Temperaturen, die Ende Juli über die 40 Grad gingen. Bourges selbst ist aber allemal die Abkürzung wert: Ein intaktes Zentrum und eine grandiose Cathédrale St.Etienne aus dem 14. Jahrhundert, die zum Weltkulturerbe zählt.

An die Loire stieß ich erst wieder nach Azay-le-Rideau bei Bréhémont, wo die Indre in die Loire mündet.
Aber gemach. Von Bourges nach Vierzon radelte ich noch durch die Hitze, dann stieg ich in den Zug nach Chenonceau und baute mein Zelt in der Nähe des wunderbaren Schlosses auf, beobachtet von einem Wiedehopf, der im recht trockenen Gras herumpickt.
Das Schloss verdankt sein Aussehen und seine Ausstrahlung vor allem Frauen, wie etwa Katharina von Medici. Sie war es, die die Bogenbrücke überbauen ließ und so das Schloss unverwechselbar machte.

Azay-le-Rideau – auch da klingelt es in den Ohren der Schlossbewunderer im Loire-Tal.

Der wunderbare Renaissance-Bau, der erst vor Kurzem renoviert wurde und seither auch bis zum Dachstuhl besichtigt werden kann, ist vollständig möbliert, die aufschlussreiche Führung ist im Preis inbegriffen.

Dann endlich die Loire. Der naturbelassene Fluss, es ist der längste in Frankreich, mäandert zwischen Sandbänken, bewaldeten Ufern, schafft Inseln und schleift sie wieder, kräuselt sich, strömt ein Stückchen, hält sich in Sackgassen etwas auf, oder heißt Zuflüsse willkommen, wie etwa die Vienne bei Candes St. Martin.

Mal führt der Eurovelo 6 am Südufer, mal am Nordufer. Weil die Loire hier von Ost nach West fließt, inszeniert sie sowohl Sonnenauf- wie Sonnenuntergänge zur vollen Freude der Amateurfotografen und liefert ihnen schimmernde Spiegelungen und goldene Sandbänke.
Es ist genau dieses Spiel von Licht, Wasser, Sand und Strömungen, die die Stadt Saumur zur wohl fotogensten Stadt Frankreichs macht.

Das Stadtgebiet erstreckt sich über beide Ufer und einer Insel dazwischen, wo übrigens auch der Zeltplatz liegt. Am Südufer ragt die schlossartige Burg empor und spiegelt sich in der Loire. Eine alte Bogenbrücke verbindet die Ufer.

Ob morgens oder abends, diese Stadtsilhouette ist ein Ausbund an Schönheit, die sie der Loire verdankt.
Reichlich Natur bietet die Loire. Aber sie bietet auch viel Kultur. Baukultur beispielsweise. Zu den Schlössern kommen noch etliche Kirchen hinzu, zum Beispiel die von Cunault. Ihre Reliefs an der Nordfassade des Turms erzählen ganze Romane.
Nach Angers mündet die Maine in die Loire. Dort taucht ein aufrecht stehender Fels am Ufer auf. Er ist 15 Meter hoch und dient Kletterern als Übungsfels.

Ach, ein kleiner Einschub. Ist Frankreich nicht auch für sein gutes Essen bekannt. In Montjean-sur-Loire erlebe ich ein ausgezeichnetes Dreigangmenü mit einem Seehecht im Hauptgang. Einfach lecker.

In Nantes selbst ist die Loire etwas gebändigt. Ehemalige Flussarme sind überbaut, aber eine große Insel ist geblieben. Die Werften sind mittlerweile draußen in St. Nazaire. Die Kreuzfahrtschiffe, die dort gebaut werden, wären viel zu gigantisch für die Insel in Nantes. Auf ihr entstehen eigenartige Fantasiegebilde, wie zum Beispiel ein maschinengetriebener Riesenelefant.

Der Radweg führt an der nun schon sehr breiten Loire entlang. Der typische Westwind heißt die Radler nicht unbedingt willkommen. In der Ferne spannt sich die drei Kilometer lange Brücke über die Flussmündung, zu der direkt vor mir am schlickigen Loire-Ufer die wackligen Holzstege, die zu den Fischernetzen führen, im Kontrast stehen.

Dann ist er erreicht, der Kilometer 0 des Eurovelo 6 in St. Brévin. Ein kleines Häuschen steht da, Eric empfängt die Radler, man trägt sich ins Gästebuch ein, markiert auf der Karte, woher man kommt und bekommt noch gute Tipps.

Schluss mit westwärts. Zumindest mit dem Rad. Weiter geht‘s nicht. Höchstens nach Süden. Auf dem Eurovelo 1, der vom Nordkap nach Portugal führt.

Von da an geht es viel leichter, denn gegen die Südrichtung der Radroute hat der Wind nichts. Und die Fortsetzung lohnt sich. Man radelt vielfach in schön im Schatten der Pinienwälder, das Meer selbst hat auch seine Sehenswürdigkeiten, zum Beispiel die fünf Felsen, die direkt am Ufer aus dem Meer ragen oder bei Ebbe eben aus dem felsigen Strand.
Es geht schon in Richtung der Vendée. Dort kann man natürlich im Meer baden. Aber manche bevorzugen auch den Sprung von kleinen Brücken hinunter in die Kanäle und Becken der Marais Salants, der Salinen.

Und dann ist er erreicht, der Sehnsuchtsort für alle Weltumsegler: Les Sables d‘Olonne. Wenn im November 2020 die Vendée Globe startet, dann sind die Ufer brechend voll mit Menschen, die den Seglern Ade sagen. Dann, im Januar 2021, wenn sie wieder zurückkehren, übrigens auch. Egal ob es nachts ist oder tagsüber.

Für mich geht es retour. Mit Regionalzügen portionsweise über Orléans, das ich in der Hinfahrt ausgelassen hatte und wo ich morgens noch der Jeanne d'Arc Grüß Gott sage...

...und die schöne Kathedrale mit ihren besonderen Türmen bestaune.
Der nächste Zug führt mich zurück nach Nevers. Und weil ich noch etwas Zeit habe, genehmige ich mir noch ein Bad in der Loire. Das ist gar nicht selbstverständlich, in der Loire ist das Baden meist verboten.

Das war La Loire à vélo. Ein Radtour fast ohne Steigungen. Prädikat: Sehr empfehlenswert. Für Alleinradler, für Paare, für ganze Familien, für Groß und Klein. Bon voyage!
Radeln an der Loire
- Eurovelo 6: Der Fernradweg führt von der Loire-Mündung bei St. Nazaire nach Constanta am Schwarzen Meer und folgt im Wesentlichen der Loire, der Saône, dem Doubs, dem Rhein und der Donau.
- La Loire à vélo: So heißt der Abschnitt des Eurovelo 6 an der Loire. Er ist hervorragend ausgeschildert, führt vorwiegend auf autofreien Radwegen.
- Unterwegs: Wer Abschnitte mit dem Zug zurücklegen will, wählt am besten die TER-Regionalzüge, in ihnen ist der Radtransport ohne Vorreservierung immer möglich.
- Unterkunft: Viele Zeltplätze empfangen sehr gerne Radler. Die Nacht kostet zwischen 8,50 und 13 Euro.
- Im Netz: de.eurovelo.com/ev6
www.loire-radweg.org/