Michael Holm ruft drei Minuten später als verabredet zum Interview an.
Ich muss Sie um Verzeihung bitten, dass ich es nicht ganz pünktlich geschafft habe.
Herr Holm, das habe ich gar nicht gemerkt.
Ich komme noch aus einer Generation, in der Pünktlichkeit viel zählt. Damals sagten wir „Pünktlich wie die Eisenbahn“. Diese Redensart kann man heute ja nicht mehr verwenden. Ich fahre gerne mit dem ICE zu Konzerten und zu Veranstaltungen. Auf diesen Reisen habe ich sehr oft mit abenteuerlichen Umständen zu kämpfen.
Noch mehr schätzen Sie ein anderes Verkehrsmittel, wie man liest.
(lacht) Ich bin tatsächlich ein leidenschaftlicher Radfahrer. Ich gehe außerdem gern spazieren und achte darauf, dass ich jeden Tag auf meine 10 000 Schritte komme. Mein Leben lang schon genieße ich es, mich in der Natur zu bewegen. Früher habe ich das Reiten geliebt. Und das Skifahren. Im Winter in den Bergen, im Sommer auf dem Wasser. Bewegung aller Art ist mir stets sehr wichtig gewesen.
Beruflich ist bei Ihnen momentan ja eine Menge los.
Das ist für mich positiver Stress. Ich mag meine Arbeit wirklich gern.
Kann man dennoch sagen, dass Sie so ein bisschen aus dem Ruhestand zurückgeholt worden sind?
Ja, das kann man sagen. Ich habe mich von meinem guten Freund Michael Kernbach überzeugen lassen. Er meinte: „Du wirst 80, du musst deine Memoiren schreiben.“ Wir haben „Rückkehr nach Mendocino“ zusammen geschrieben, er hat mich ausgefragt und ich habe ihm erzählt, wie das alles so war, vor allem die goldenen 70er haben ihn fasziniert. Ich war anfangs ein wenig skeptisch, aber nach zwei Probe-Kapiteln war auch ich überzeugt.
Die erste Single auf „Holm 80“, „Allein mit dir“, kam ursprünglich 1978 heraus. Interessanterweise klingen Sie auf der Neuaufnahme jünger als vor 45 Jahren.
Ja, Wahnsinn, oder? Ich finde das auch. Das Lied hat plötzlich noch mal eine ganz neue, frische Energie bekommen. Hier haben wirklich Menschen zusammengearbeitet, die sehr viel Spaß an der Musik und eine immense Liebe zum Detail haben. Mich reißt das ganze Album selbst sehr mit.
Ihr Hit „Mendocino“ war 1969 Deutschlands meistverkaufte Single.
Auf „Mendocino“ konnten sich damals wirklich alle einigen. Der Song war fast wie eine Volksbewegung. In jeder Kneipe, in die du gingst, lief aus der Musikbox „Mendocino“. Ich erinnere mich gerne an diese Zeit. Und ich denke, mein Publikum auch. Musik ist sehr, sehr gut darin, Gefühle wieder hochzuholen. Das heißt, du hörst ein altes Lied und fühlst dich wie vor 50 Jahren.
Haben Sie diese Ära genossen?
Entschuldigung? (lacht) Selbstverständlich habe ich das. Ich war jung und die Zeit war sehr viel unkomplizierter, längst nicht so von Zukunftsängsten belastet wie heute. Und München war damals die Musikstadt Nummer zwei auf der Welt, die Superstars aus England und aus New York kamen und feierten in den Diskotheken.

Es kam vor, dass neben dir einer auf der Bank lümmelte, der aussah wie Keith Richards – und es war Keith Richards. Oder dass jemand neben einem gutaussehenden Lausbuben tanzte, der aussah wie Elton John – und es war Elton John.
Im Buch „Rückkehr nach Mendocino“ beschreiben Sie, wie ein Fan, respektive Groupie, aus dem Kleiderschrank Ihres Hotelzimmers sprang.
Ja, und die andere lag im Bett. Ich weiß nicht, wie die in mein Zimmer gekommen sind. Ich sagte: „Wunderbar, ich will nur schnell duschen.“ Da saß auch noch eine in der Badewanne. (lacht)
Sie haben den Avancen der weiblichen Fans nicht grundsätzlich widerstanden?
Ne, das habe ich nicht. Ich denke, man muss auch mal Ja sagen. (lacht) Aber ich habe von meiner Mutter gelernt, dass ein Gentleman genießt und schweigt.
Sie schreiben auch: „Heutzutage mag ich mir die Arbeitsatmosphäre im deutschen Showgeschäft in den 70ern kaum noch vorstellen.“ Sexismus, Homophobie und Mobbing waren allgegenwärtig.
Es war in Film, Funk und Fernsehen relativ breit verankert, dass dort Leute, Männer, die eine Leitungsfunktion hatten, sich teilweise sehr, sehr unangenehm aufführten. Auf der anderen Seite gab es auch Menschen wie Wim Thoelke, Hans Rosenthal oder Dieter Thomas Heck, die einen immer liebevoll, korrekt und mit Respekt behandelt haben.

Nun feiern Sie Ihren 80. Geburtstag. Was haben Sie geplant?
Ich freue mich riesig auf diesen Tag. Ich habe viele Freunde eingeladen. Wir werden richtig feiern, in einer Landgaststätte, von der ich weiß, dass das Essen gut und die Angestellten freundlich sind. Wir werden es uns gutgehen lassen und in Erinnerungen schwelgen.
Und in zehn Jahren dann „Holm 90“?
Von mir aus sehr gerne. (lacht)