Mr Malek, in „Bohemian Rhapsody“ sind Sie Freddie Mercury. Wie haben Sie es empfunden, eine solche Legende verkörpern zu müssen?
Man muss natürlich irgendwie versuchen, alles abzubauen, was an Mythos und Legende um ihn herum existiert. Ich kann schließlich keinen gottgleichen Künstler spielen, der auf der Bühne einen direkten Draht in den Himmel zu haben scheint. Daran auch nur zu denken, wirkt sich lähmend aus. Aber je mehr ich mir vor Augen geführt habe, dass unter all diesem Überbau ein Mensch aus Fleisch und Blut steckte, desto eher erkannte ich eine Aufgabe, der ich gewachsen war.
Welche Seiten am Mensch Freddie Mercury haben Sie am meisten fasziniert?
Ich fand es spannend, nicht nur auf diesen Ausnahmekünstler zu blicken, sondern auch auf den kleinen Farrokh Bulsara, als der er sein Leben begann. Ein kleiner Junge aus einfachen Verhältnissen, der als Einwanderer nach England kommt, wo die wenigsten aussahen wie er – und sein ungewöhnliches Gebiss die Sache nicht leichter machte. Sein Leben ist die sehr komplexe und facettenreiche Geschichte einer Suche nach Identität, nicht nur, was das Leben in einem fremden Land angeht, sondern später natürlich auch in sexueller Hinsicht.
Gutes Stichwort! Im Film bezeichnet er sich an einer Stelle als bisexuell, seine langjährige Freundin Mary sagt, er sei schwul. Welchen Blick haben Sie selbst auf seine sexuelle Identität?
Eine Sache, die ich nach all dem Archivmaterial, das ich gesichtet habe, stets bewundert habe, ist die Tatsache, dass Freddie sich in keinem Interview je dazu verleiten ließ, irgendetwas zu sagen, was er nicht sagen wollte. Darin war er ein Meister. Er hat sich nie in irgendeine Schublade stecken oder ein Label verpassen lassen, sondern es geschafft, einfach immer nur er selbst zu sein. Das machte ihn auch zu einem solch ungewöhnlichen Performer, denn er konnte sich zu jedem Zeitpunkt in jemand anderen verwandeln und jedem einzelnen Zuschauer und Zuhörer als Identifikationsfläche dienen. All das war mir wichtig, in „Bohemian Rhapsody“ zu zeigen, und ihn nicht durch irgendeine Definition einzuschränken.
Gleichzeitig hätte es sicherlich viele Fans gegeben, für die ein öffentliches Coming-out viel bedeutet hätte. Oder er hätte viel tun können im Kampf gegen die Stigmatisierung von Aids-Kranken.
Nach allen Einblicken, die ich in seine Persönlichkeit gewinnen konnte, war der Grund dafür, dass er all das nicht wollte, weniger die Angst um seine Karriere. Aber er wollte nicht festgelegt sein auf irgendetwas. Ihm ging es um größtmögliche Freiheit. Heute zeige ich diese Seite von mir, morgen jene, aber immer bin ich mir selbst treu. Akzeptiert das oder lasst es bleiben, aber ich verbiege mich nicht. Das war sein Motto.
Mercurys Manager Paul Prenter war, wie auch der Film zeigt, lange Jahre sein engster Vertrauter, bevor es zum Zerwürfnis kam. Wie würden Sie die Beziehung der beiden beschreiben?
Ich denke, dass jeder, der näher mit Freddie zu tun hatte, sich wahrscheinlich auf die eine oder andere Weise in ihn verknallt hat. Wie genau es um Pauls Gefühle bestellt war, kann ich natürlich unmöglich sagen. Ich weiß nur, dass er mir immer bis zu einem gewissen Grad ein Rätsel geblieben ist, egal, wie viel ich auch recherchiert und mit wem ich auch gesprochen habe. Auf jeden Fall war er jemand, der Freddie vieles besorgen konnte, was er brauchte oder wollte – und sicherlich in mancher Situation nicht nur sein Bestes im Sinn hatte.
Aber die beiden waren nie ein Paar, oder?
Nein, das nicht. Allerdings weiß ich nicht, ob nicht vielleicht trotzdem mal etwas zwischen ihnen gelaufen ist. Freddie hat ja nichts anbrennen lassen. Aber dazu ist mir nichts Näheres bekannt.
Sie haben sicherlich viel mit den Queen-Mitgliedern Brian May und Roger Taylor gesprochen, die eng in die Entstehung von „Bohemian Rhapsody“ eingebunden waren. War diese Nähe immer nur hilfreich?
Es war zumindest nicht hinderlich, sagen wir es so. Aber man darf nicht vergessen, dass die beiden einen ihrer engsten Freunde und Wegbegleiter viel zu früh an eine furchtbare Krankheit verloren haben und darunter noch immer leiden. Das merkte man ihnen immer an, sobald die Sprache auf Freddie kam. Deswegen habe ich mir immer Mühe gegeben, nicht zu aufdringlich zu sein mit meinen Fragen. Viel aufschlussreicher war es ohnehin oft, die beiden einfach erzählen zu lassen, genau zuzuhören und auf diesem Weg etwas über Freddie und das Verhältnis der Band-Mitglieder untereinander zu erfahren.
Zu den stärksten Szenen gehören die Konzerte und Auftritte von Queen, in denen Mercurys Bühnen-Energie spürbar wird. Wie viel Rampensau und Showman steckt eigentlich in Rami Malek?
Die größte Parallele zwischen Freddie und mir ist sicher der Wunsch nach Privatsphäre. Aber auch wenn ich vermutlich deutlich schüchterner und zurückhaltender wirke als er, würde ich schon auch behaupten, dass ich eine gewisse Präsenz habe. Rampensau ist vielleicht nicht das passende Wort. Aber Showman bin ich schon, sonst wäre ich wohl kaum Schauspieler geworden.
Fragen: Patrick Heidmann
Zur Person
Rami Malek, 37, wurde durch die Hauptrolle in der Serie „Mr. Robot“ bekannt, für die er einen Emmy bekam. In der „Nachts im Museum“-Reihe spielte er den Pharao, auch im zweiten Teil von „Bis(s) zum Ende der Nacht“ war er zu sehen. Malek, dessen Eltern aus Ägypten stammen, soll mit Lucy Boynton liiert sein, die er beim Dreh von „Bohemian Rhapsody“ traf. (sk)