Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg waren vor einem Jahr in Zürich als Intendanten angetreten mit dem Anspruch, den Theaterbegriff zu erweitern – in Richtung Tanz, Musik, Film und Bildende Kunst. Schon rund ein halbes Jahr nach ihrem Start am Schauspielhaus kam die Corona-Krise. Und damit auch eine Zeit des „Zu-hausspielhauses“ mit virtuellen Formaten.

Kaum als Intendanten angetreten, zwang Corona sie schon ins Off: Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann.
Kaum als Intendanten angetreten, zwang Corona sie schon ins Off: Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann. | Bild: Gina Folly

Nach einer neuerlichen Befragung des Theaterbegriffes ruft inzwischen die zweite von Stemann und Blomberg verantwortete Saison. Gilt es doch, bei physischem Spiel vor Publikum Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus einzuhalten.

Gestartet wird mit Veranstaltungen, in deren Zentrum der amerikanische Choreograf Trajal Harrell steht, einer der acht (Stemann mitgerechnet) Hausregisseure. In „The Köln Concert“ antwortet Harrell mit einer Tanzkreation auf die berühmte Plattenaufnahme vom Solorezital, das der Pianist Keith Jarrett 1975 in der Kölner Oper gegeben hat.

Im März dann wird eine Hommage von Harrell an die afroamerikanische Choreografin und Bürgerrechtsaktivistin Katherine Dunham uraufgeführt.

Christoph Marthalers „Das Weinen (Das Wähnen)“ (mit Magne Håvard Brekke) hätte bereits im März uraufgeführt werden sollen. ...
Christoph Marthalers „Das Weinen (Das Wähnen)“ (mit Magne Håvard Brekke) hätte bereits im März uraufgeführt werden sollen. Das wird nun am 20. September nachgeholt. | Bild: Gina Folly

Leonie Böhm nutzt gerne kanonische Werke als Sprungbrett für radikale Selbst- und Fremderkundungen. Diesmal präsentiert sie in der Schiffbau-Box eine Lesart der „Medea“ nach Euripides – coronaschlank mit nur einer Schauspielerin und einem Musiker. Ihr Regiedebüt im Pfauen gibt Böhm mit „Schwestern“ nach Anton Tschechow.

Gespannt sein darf man auf die Uraufführung von Christoph Marthalers „Das Weinen (Das Wähnen)“ nach Texten des von Rätseln umwitterten Mehrspartenkünstlers Dieter Roth (1930-1998). Regisseurin Sana Gürler und Autor Lucien Haug zeigen Franz Wedekinds 1891 in Zürich veröffentlichtes Skandalstück „Frühlings Erwachen“ in einer Textbearbeitung und generationenübergreifenden Inszenierung.

„Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“ basiert auf Ottessa Moshfeghs gleichnamigem Roman von einer Aussteigerin im New York der Zeit kurz vor 9/11. Regie führt Yana Ross, die in dieser Spielzeit auch ein als „lustig, zynisch und fies“ angekündigtes Projekt mit dem Titel „Kurze Interviews mit fiesen Männern“ präsentiert.

Christopher Rüping hievt „Einfach das Ende der Welt“ nach dem Theaterstück von Jean-Luc Lagarce in die Schiffbauhalle und widmet sich, gemeinsam mit Necati Öziri, dem „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner. Nicolas Stemann nimmt sich im hundertsten Geburtsjahr von Friedrich Dürrenmatt dessen Klassiker „Der Besuch der alten Dame“ vor und bringt das Märchen vom „Froschkönig“ in den Pfauen.

Die Gruppe „Moved by the Motion“ um Wu Tsang stellt ein gattungsübergreifendes neues Projekt vor, und von Alexander Giesche ist eine Arbeit zu sehen, zu der Ludwig Abraham die Musik liefert.

Ferner gibt es Zürich-Premieren von Nicolas Stemann, Leonie Böhm, Johan Simons, Sebastian Nübling und Ives Thuwis sowie der drei zum Netzwerk des Hauses gehörenden Regisseure Christoph Marthaler, Milo Rau und Christiane Jatahy.

Weitere Informationen:
http://www.schauspielhaus.ch