Es ist im Kino nie ein gutes Zeichen, wenn dem Protagonisten ein Hirsch vors Auto läuft. Das lehrt die Erfahrung – und die bewahrheitete sich kürzlich auch wieder in „A Cure For Wellness“. Das eigentlich böse Omen für den jungen Fotografen Chris (Daniel Kaluuya aus „Sicario“, eine echte Entdeckung) ist in diesem Fall aber natürlich weniger das sterbende Tier im Unterholz, sondern vielmehr das rassistische Verhalten des Polizisten, der direkt im Anschluss den Unfall aufnimmt. Zumal „Get Out“ da in seinem Prolog schon nachdrücklich klargemacht hat, dass die Straße im Allgemeinen in diesem Film – wie auch in der amerikanischen Realität – für junge Männer schwarzer Hautfarbe nicht ohne Weiteres als sicherer Ort gelten kann.
Aber ob es drinnen automatisch so viel weniger gefährlich ist? Dass die Eltern seiner weißen Freundin Rose (Allison Williams), die es auf diesem Wochenend-Trip Richtung Provinz kennenzulernen gilt, noch nicht wissen, dass er schwarz ist, bereitet Chris jedenfalls ein wenig Bauchschmerzen. Keine Sorge, ihre Eltern seien keine Rassisten, versichert dagegen Rose – und sie scheint Recht zu behalten. Zumindest fällt die Umarmung zur Begrüßung herzlich aus, und natürlich versichert der Hausherr (Bradley Whitford) schon nach wenigen Minuten ungefragt, dass er Obama auch ein drittes Mal gewählt hätte, wenn er gekonnt hätte.
Aber warum will ihn Roses Psychologen-Mama (Catherine Keener) unbedingt per Hypnose vom Rauchen abbringen? Warum verhalten sich die schwarze Haushälterin (Betty Gabriel) und ihr Gärtner-Gatte (Marcus Henderson) so seltsam? Ganz zu schweigen vom einzigen anderen afro-amerikanischen Gast (Lakeith Stanfield) beim großen Gartenfest am nächsten Tag? Dafür, sich den Filmtitel zu Herzen zu nehmen und abzuhauen (das empfiehlt Chris' Kumpel, herrlich verkörpert von Lil Rel Howery), ist es jedenfalls bald zu spät.
Ähnlich wie der Hirsch auf der Motorhaube weckt auch der Name Jason Blum mit seiner Firma Blumhouse Productions gewisse Erwartungen. Doch ausgerechnet die könnten bei „Get Out“, dem Regie-Debüt des Sketch-Komikers Jordan Peele, in die falsche Richtung führen. Denn anders als etwa „Paranormal Activity“, „Insidious“ oder „Ouija“ setzt „Get Out“ nicht auf Übersinnliches, und auch der Brutalitäts-Faktor fällt für einen als Horror vermarkteten Film ziemlich gering aus. Was nicht heißt, dass es hier nicht gruselig zugeht, denn von Angst versteht Peele, der auch das Drehbuch schrieb, ziemlich viel. Nicht zuletzt von der Angst der Schwarzen vor der Angst, die die Weißen vor ihnen haben. Selbst wenn diese fünf Mal betonen, dass Tiger Woods ihr Lieblings-Golfer ist.
Dass Peele vom Rassismus in einem alles andere als "post-racial" Amerika mit Genre-Stilmitteln erzählt und auf einen Grusel-Gesellschaftskommentar irgendwo zwischen „Rat mal, wer zum Essen kommt“ und „Stepford Wives“, mit einer Prise „Rosemaries Baby“ und „Scream“, setzt, ist verdammt clever – und selbst im schwächeren letzten Filmdrittel ungemein effektiv. Denn dank vertrauter Mechanismen und Humor (sowie einer fantastischen Besetzung) steigt man selbst als weißer Deutscher sofort auf das Thema ein. Und ertappt sich womöglich sogar – oh Horror! – in der Täterperspektive.
Abspann
Originaltitel: Get Out
Regie: Jordan Peele
Darsteller: Daniel Kaluuya, Allison Williams, Catherine Keener, Bradley Whitford, Lil Rel Howery
Produktionsland: USA 2017
Länge: 104 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Verleih: Universal Pictures
Fazit: Bemerkenswert unterhaltsame und zeitgemäße Mischung aus Horror, Komödie und Gesellschaftskommentar zum Thema Rassismus.