„Monet am Morgen“, heißt ein Angebot im Programm der Fondation Beyeler zur aktuellen Ausstellung des französischen Impressionisten mit mehr als 60 Gemälden. „Erleben Sie die Werke von Claude Monet in der Ruhe einer morgendlichen Stimmung. Beginnen Sie den Tag mit einer Kuratorenführung oder einer begleiteten Meditation.“

Ja, die Kunsthäuser sind nicht arm an Ideen, wie sie ihre Kundschaft immer wieder aufs Neue zum Ausstellungsbesuch verführen können. Monet am Morgen, aber auch am Mittag und Abend – selbstverständlich gibt es in der Fondation, die in diesem Jahr ihren 20. Geburtstag feiert und ihren Freunden etwas Besonderes bieten will, auch tagsüber Führungen und Meditationsübungen. Doch eigentlich braucht dieser Maler mit dem Prophetenbart keine werbliche Überredungskunst.

Wo Monet ist, da sind auch Moneten, kalauern seit Langem Kunstkritiker. Daher ist der Künstler, dessen Seerosen-Panorama in der Orangerie der Pariser Tuillerien André Masson zur „Sixtinischen Kapelle des Impressionismus“ erklärte, auch im festen Griff der Kuratoren. Allein in den vergangenen Jahren gab es Dutzende Blockbuster-Ausstellungen, die die jeweiligen Museumskassen klingen ließen. „Claude Monet … bis zum digitalen Impressionismus“ titelte die Fondation 2002 ihre Ausstellung, die sich allerdings nicht nur auf den Maler des Wassers und der Seerosen konzentrierte, sondern auch die folgenden Avantgarden mitnahm, die mit ihm sympathisierten.

Werke von Monet sind Teil der Sammlung der Fondation. Das neun Meter lange Triptychon „Le bassin aux nymphéas“, das Monet zwischen 1917 und 1920 in seinem Garten-Atelier in Giverny nahe Paris gemalt hat, gehört zu den Publikums-Lieblingen. Das Seerosenbild hängt im so genannten helllichten Monet-Saal auf der Südseite des Museums, der für das monumentale Werk wie geschaffen scheint. Die drei Paneele führen den Blick über die Fensterfront nach draußen zum Seerosenteich und Park der Fondation.

„Le bassin aux nymphéas“ bietet einen Ausblick auf das Spätwerk Monets und beschließt die Ausstellung. Die Grenzen des Malfeldes scheinen in diesem Triptychon aufgehoben; der Horizont ist über der oberen Rahmenkante verschwunden, was die Wasserfläche als Bildfläche noch näher rückt. Der Himmel ist ein Spiegelreflex im Wasser, alles ist auf Verdichtung des Eindrucks aus, den keine Begriffe mehr fassen. „Le bassin aux nymphéas“: Der Entwurf einer universellen Harmonie aus dem schlichten Medium der Farbe …

Auch vor diesem naturmytischen Bild – oder „offenem Fenster in die Natur“, wie Émile Zola solche Würfe nannte, – ließe sich meditieren. Wobei sich zumindest am Morgen andere Motive besser anböten, etwa der Wassertraum „Vormittag auf der Seine“ (1897). Mit einem Boot ruderte der Maler ganz früh los, um die Lichtspiele der aufgehenden Sonne einzufangen. Auch die „Kathedrale von Rouen“ (1894) aus der hauseigenen Sammlung – eine Momentaufnahme aus einer 33 Gemälde umfassenden Serie – lebt von der Morgenstimmung und verdankt sich Monets Blick.

Monet war kein Theoretiker der Malerei, anders als Wassily Kandinsky. Der Mitbegründer der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ sah 1896 in einer Ausstellung ein Gemälde aus Monets Serie der „Heuhaufen“; aber was sich ihm mitteilte, war Malerei und nicht, was der Titel erklären wollte. Kandinsky gewann daraus die Einsicht, dass für ein gemaltes Bild ein Gegenstand nicht zwingend sei. Später wurde er zum Protagonisten der abstrakten Kunst. Monet, der ohne gültigen Schulabschluss die freie Kunstschule „Academie Suisse“ in Paris besuchte, vertraute allein seinen Augen. „Monet ist nur Auge, aber, bei Gott, was für ein Auge“, lobte Paul Cézanne.

Die Fondation Beyeler zeigt nicht den ganzen Monet. Ulf Küster beschränkt sich auf die Schaffensjahre nach 1880 bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts mit einem Ausblick auf das Spätwerk. Es ist für ihn die spannendste Arbeitsphase, da sich Monet zu dieser Zeit, experimentierfreudig wie nie, finanziell auch auf einem guten Weg – in Giverny führte er ein präzise geführtes Unternehmen mit Treibhäusern, Lieferanten-Betrieb und einem halben Dutzend Gärtner, die für wechselnde blühende Motive sorgten – vom strikten Impressionismus löst und das Tor zur Abstraktion weit aufstößt. Licht, Schatten und Reflexion und ihre immer wieder neue Behandlung im Werk Monets bilden dabei das Leitmotiv der Ausstellung.

Das heißt, dass der Spaziergänger im Mohn vernachlässigt wird, andererseits ist aber auch der „mittlere“ Monet nicht komplett resistent, was den Impressionismus angeht. Das atmosphärisch dichte Gemälde „In der Barke“ (1887), das drei in Weiß gekeidete Damen mit Hut bei einer Boots-Tour auf der Epte zeigt, ist dafür ein erhabenes Beispiel. Monet war ein großartiger Landschafts- und Wiesenmaler. Küster hat wunderbare Beispiele aus Museen weltweit besorgt, dazu gehören die am Atlantik und die in Südfrankreich entstandenen farbenprächtigen visuellen Ereignisse „Die Hütte des Zollwärters“ (1882) oder „Blick auf Bordighera“ (1884).

Aber Monet konnte auch Stadt. Der zweitletzte Saal ist seinen London-Bildern gewidmet. Und auch in den Darstellungen der „Charing Cross Bridge“ (1903) oder des „Britischen Parlaments“ (1904) präsentiert sich der Maler als Reisender in Sachen Licht. Besonders interessierte ihn, die Sujets „durch den Nebel hindurch darzustellen“, weshalb er während der Wintermonate in London malte. Viele dieser Werke beendete er in seiner Atelier in Giverny, das heute eine Touristen-Attraktion ist. Hier schuf sich Monet ideale Produktionsbedingungen für seine monolpolartige Bild-Idee, die his heute für Furore sorgt: Blumen, Blumen, Blumen, gezähmte Natur.

„Monet“: Fondation Beyeler, Basel-Riehen. Bis 28. Mai 2017. Geöffnet täglich von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr. Der Katalog kostet 62,50 Schweizer Franken. Informationen auf www.fondationbeyeler.ch

Der Künstler

Claude Monet (1840 Paris – 1926 Giverny) zählt zu den bedeutendsten französischen Malern und gehörte (um 1860) zu den Gründervätern des Impressionismus, einer Stilrichtung, die lange Zeit von Hohn und Spott begleitet war. Das Charakteristische dieser Richtung waren zum einen die Freilichtmalerei und die Einflussnahme von natürlichen Lichteffekten und zum anderen die Verwendung von hellen und kräftigen Farben. Licht-, Farb- und Schattenspiele spiegeln sich in den Gemälden wider. Ab den 1880er-Jahren wandte sich Monet vom strikten Impressionismus ab, wie die Basler Ausstellung mit ihren 63 Werken zeigt, experimentierte mit Licht- und Farbspielen im Verlauf der Tages- und Jahreszeiten und stieß die Tür zur abstrakten Malerei auf.