Es waren schreckliche Szenen vor dem Einkaufszentrum Neumarkt in Brugg. Vor mehr als drei Jahren soll ein damals 50-Jähriger seine vierjährige Tochter gepackt und mehrfach mit dem Kopf voran auf den Boden geschleudert haben. Vorausgegangen waren Streitigkeiten mit der Mutter und Großmutter des Kindes. Der Beschuldigte muss sich seit Dienstag, 10. Januar, vor dem Bezirksgericht Brugg verantworten. Unter anderem ist er wegen versuchtem Mord angeklagt.
Grausamkeit wird noch mal deutlich
Am ersten Prozesstag sagten zwei Angehörige und drei weitere Zeugen vor dem Bezirksgericht in Brugg aus. Ihre Aussagen machten die Grausamkeit der Tat noch einmal deutlich. Sie deckten sich weitestgehend mit den Schilderungen in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft.
Verteidiger kündigt an, sein Mandant sagt nicht aus
Wie die ‚Aargauer Zeitung‘ berichtet, habe der Verteidiger angekündigt, dass sein Mandant keine Aussagen machen werden. Dennoch habe der Gerichtspräsident Fragen zu den persönlichen Verhältnissen gestellt. Der Beschuldigte habe aber vor Gericht dazu nicht ausgesagt, auch nur wenige der weiteren Fragen, die sich um Arbeitsstellen, familiäre und finanzielle Verhältnisse und seine Integration gedreht hätten. Immerhin beantwortete er der AZ zufolge zu Beginn des zweiten Prozesstages die Frage, ob er es bereue, seine Tochter verletzt zu haben kurz mit „sehr“.
Die schweren Verletzungen des Mädchens
Laut Anklageschrift hat das Mädchen ein schweres Schädelhirntrauma und drei Schädeldachbrüche erlitten. Es leide noch heute an den Folgen. Und es sei nach Aussage der Staatsanwältin am zweiten Verhandlungstag nicht absehbar, ob das Kind körperliche Schäden zurückbehalten werde.
Gutachter hat keine Erklärung
Der Gutachter könne sich im Beziehungskonflikt zwischen dem Beschuldigten und seiner Ex-Partnerin die Gewalt gegen das Mädchen nicht erklären. Das Kind sei vorher in keiner Weise involviert gewesen. Er habe eher eine Gefahr für die Mutter und Großmutter des Opfers gesehen.
Siebenseitige Anklageschrift
In der siebenseitigen Anklageschrift erläuterte die Staatsanwaltschaft vor dem Prozess detailliert die Vorgeschichte und den Tathergang. Offensichtlich lernten sich der Beschuldigte und die Mutter des Kindes 2013 über eine Internet-Datingseite kennen. 2015 kam den Schilderungen zufolge die gemeinsame Tochter zur Welt.
In der Neumarkt-Passage eskaliert der Streit
Die Streitigkeiten sollen begonnen haben, als die in der Türkei lebende Mutter vorübergehend in die Schweiz zurückkehren wollte, um ihrer Tochter unter die Arme zu greifen, weil die eine Operation hinter sich hatte. Damit war der Beschuldigte offensichtlich nicht einverstanden. Es soll regelmäßig zu Auseinandersetzungen gekommen sein. Die Frau habe sich vom Beschuldigten getrennt und wegen zahlreicher Drohungen und Beschimpfungen Anzeige gegen ihn erstattet. Daraufhin sei er Anfang August 2019 vorläufig festgenommen worden.
Bis die Streitigkeiten am 17. August 2019 in der Neumarkt-Passage eskalierte, wie es in der Anklageschrift steht. Das damals vierjährige Kind habe schwere Verletzungen erlitten. Deutet man die Schilderungen, rettete das Eingreifen einer Mitarbeiterin einer Drogerie und von Passanten dem Mädchen wahrscheinlich das Leben.
Das beantragt die Staatsanwaltschaft
Entgegen der Anklageschrift beantragte die Staatsanwaltschaft am Ende ihres Plädoyers am zweiten Prozesstag statt 20-Jahre eine Freiheitsstrafe von 19 Jahren und neun Monaten und eine ambulante Maßnahme. Zudem solle der Beschuldigte für 15 Jahre des Landes verwiesen werden. Weil eine Angehörige des Opfers den Vorwurf der Beschimpfung und Bedrohung zurückgezogen habe.
Die Urteilsverkündung ist für Freitag, 13. Januar, vorgesehen.