Kein Unterricht mehr bis zu den Sommerferien? Mit neuen Überlegungen zu einer späteren Wiederaufnahme des Schulbetriebs im Land hat Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) für Irritationen gesorgt. Bisher waren Eltern, Lehrkräfte und Schüler davon ausgegangen, dass erst nach Ostern entschieden werde, wann und wie es an den Schulen weitergeht. Am Freitag nun kassierte Eisenmann die vorherigen Aussagen. Ein regulärer Schulbeginn nach Ostern sei „unrealistisch“.
Gestaffelter Beginn denkbar
„Vor dem Hintergrund, dass sich Bund und Länder darauf verständigt haben, die bestehenden Einschränkungen mindestens bis zum Ende der Osterferien zu verlängern, ist es unrealistisch anzunehmen, dass am Montag, 20. April, die Schulen im Land wieder in den regulären Schulbetrieb starten können“, sagte Eisenmann dem SÜDKURIER auf Anfrage. „Vor diesem Hintergrund bereiten wir uns auf unterschiedliche Szenarien vor, wie etwa einen schrittweisen Beginn des Schulbetriebs.“
Eine Entscheidung soll kommende Woche fallen. „Klar ist: Wir können nach den Osterferien nicht von null auf 100 starten. Das will ich auch den Eltern frühzeitig kommunizieren, damit sich niemand falsche Hoffnungen macht.“

In einem zuvor veröffentlichten Interview hatte Eisenmann zudem gesagt, es gebe auch Vorbereitungen für den Fall, dass die Schulen bundesweit bis zum Sommer geschlossen bleiben müssten. „Wir arbeiten an verschiedenen Szenarien. Zum Beispiel daran, dass man zunächst mit denen beginnt, die Prüfungen haben, oder daran, nicht alle Klassen zeitgleich zu unterrichten“, kündigte die Ministerin an. An den Prüfungsterminen im Mai wolle man aber möglichst festhalten.
Zeitpunkt ist problematisch
Bildungsverbände reagierten irritiert. „Als Interessenvertreter empfinde ich eine solche Aussage zum jetzigen Zeitpunkt als problematisch“ sagte Matthias Wagner-Uhl, Vorsitzender des Vereins baden-württembergischer Gemeinschaftsschulen. Er befürchtet, dass damit neue Verunsicherung bei Eltern und Schülern gesät wird. „Wichtiger wäre, zu einem klaren Zeitpunkt klare Vorstellungen zu kommunizieren.“
Auch der Philologenverband hält die Debatte für verfrüht. „Ich gehe nicht davon aus, dass vor Mitte Mai irgendein Unterrichtsbetrieb an den Schulen stattfinden kann“, sagte der Landesvorsitzende Ralf Scholl.
Manche Eltern völlig überfordert
Edgar Bohn, Vorsitzender des baden-württembergischen Grundschulverbandes, fürchtet, dass die Leistungsschere zwischen Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern und denen mit guter Förderung bei längeren Schulschließungen noch weiter auseinandergehen werde. „Das bereitet uns Bauchschmerzen“, sagte Bohn, „es gibt bei uns viele Rückmeldungen, dass Eltern mit dem Home Schooling völlig überfordert sind.“
Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) warnte vor diesem Effekt. Landeschef Gerhard Brand sagte, es sei deutlich geworden, dass leistungsstärkere Kinder sehr gut mit digitalen Bildungsformen zurechtkämen. „Leistungsschwächere Kinder tun sich damit deutlich schwerer. Aus der Distanz könnten die Lehrer ihnen nur schwer helfen.“
Das Kultusministerium zog ein positives Fazit aus den ersten Wochen häuslichen Lernens. „Wir bekommen viele positive Rückmeldungen. Und auch die Eltern versuchen, das Bestmögliche aus dieser Situation zu machen“, hieß es aus dem Ministerium.