Er sei selbst schon darauf gespannt, was er denn zur Eröffnung von Stuttgart 21 sagen werde, sagte Winfried Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. Schließlich sei er ja vor dem S21-Volksentscheid ein engagierter Gegner des Milliardenprojekts gewesen. Und er gehe davon aus, dass er zur Einweihung eingeladen werde.

Dass er dann noch baden-württembergischer Ministerpräsident ist, davon sollte Kretschmann aber nicht ausgehen. Seine Amtszeit endet im Frühjahr 2026. Und bis dahin dürfte nach derzeitigem Stand wohl allenfalls eine Teilinbetriebnahme des neuen Tiefbahnhofs erfolgt sein.

Bleibt der Kopfbahnhof in Betrieb, fährt auch die Gäubahn dorthin

Sollte aber der Stuttgarter Kopfbahnhof in der Zwischenzeit weiter erhalten werden müssen, könnten aber auch kaum die Gäubahn-Verbindung zum Hauptbahnhof abgebaut werden.

Das soll eigentlich im Sommer 2025 erfolgen, ein halbes Jahr vor der geplanten Inbetriebnahme von Stuttgart 21. Die Stadt Stuttgart hat zudem die freiwerdenden Gleisflächen längst städtebaulich eingeplant.

Aber Fahrgäste von und nach Singen, zum Bodensee oder aus Zürich und Italien müssten im Gegenzug am Regionalbahnhof in Stuttgart-Vaihingen umsteigen – und das jahrelang.

Dagegen und für den Erhalt der direkten Verbindung zum Bahnhof kämpfen seit Jahren mehrere Initiativen, Kommunen und überregionale Bündnisse entlang der Gäubahn-Strecke, zudem klagt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen eine Kappung. Zuletzt gründete sich am vergangenen Wochenende in Rottweil das Bündnis „Pro Gäubahn“.

„Ich gehe fest davon aus, dass die Bahn die Gäubahn-Anbindung erhalten wird, solange oben noch Schienenverkehr läuft. Ein Rückbau der Gleise wäre dann völlig absurd“, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Schienenexperte Matthias Gastel, Mitglied im Aufsichtsrat der DB Netz AG, gegenüber dem SÜDKURIER. „Das würde der Gäubahn massiven und unverantwortlichen Schaden zufügen.“ Die Stadt Stuttgart müsste sich mit einer Verzögerung dann eben arrangieren.

Digitaler Knoten kommt wohl später

Indes: Noch steht nichts fest. Dass die Arbeiten auf der Baustelle in Stuttgart und vor allem der Ausbau des Digitalen Knotens dem Zeitplan deutlich hinterherhinken – wie in den vergangenen Tagen mehrfach von Medien mit Verweis auf Bahnkreise berichtet – ist noch nicht offiziell bestätigt.

Doch am kommenden Mittwoch wird sich der Aufsichtsrat der DB Holding damit befassen, zwei Tage später sollen die Projektpartner, also das Land Baden-Württemberg sowie Stadt und Region Stuttgart, informiert werden.

„Wollen keinen Holperstart“

Landesverkehrsminister Winfried Hermann rechnet jedenfalls nicht mit einem pünktlichen Start, wie er am Dienstag in Stuttgart sagte. „Stand heute ist der Eröffnungstermin Ende 2025 nicht sicher. Das Einzige, was bisher sicher war: Später wird es immer noch teurer“, sagte der Grünen-Politiker.

„Es wurde ja schon berichtet, dass es eine Verschiebung um ein Jahr geben könnte, oder eine Teilinbetriebnahme oder noch Varianten dazwischen. Aber wir haben der DB klar signalisiert, dass wir keinen Holperstart wollen.“ Für Hermann heißt das: Keine halben Lösungen, sondern erst Vollbetrieb, wenn alles fertig ist – und nach einer ausgiebigen Testphase.

Matthias Gastel dagegen einen parallelen Teilbetrieb des neuen Bahnhofs und den Weiterbetreib des alten Kopfbahnhofs über eine gewisse Zeit für möglich. „Das ist mit uns aber nur zu machen, wenn die Fahrgäste einen echten Nutzen davon haben. Als Alibi, um den Termin zu halten, irgendetwas in Betrieb zu nehmen und dann nur drei Züge am Tag durch den Tiefbahnhof fahren zu lassen, wird es das nicht geben“, sagt Gastel.

Mehrere Initiativen für Gäubahn

Gegen die Kappung der Gäubahn-Anbindung laufen derzeit auch noch rechtliche Verfahren. Einerseits versucht das Bündnis aus Landesnaturschutzverband (LNV), Fahrgastverband Pro Bahn und dem ökologischen Verkehrsclub VCD, beim Eisenbahnbundesamt (EBA) gegen die Kappung der Strecke rechtlich vorzugehen.

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„Ende Februar wurde unser Widerspruch abgelehnt“, teilte LNV-Vorstandmitglied Stefan Frey am Mittwoch auf Anfrage mit, der LNV prüfe nun den Bescheid und bereitet sich darauf vor, vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gegen die Gäubahn-Kappung zu klagen.

Zudem ist ebenfalls vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart die Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die Gäubahn-Kappung anhängig. „Wir rechnen in Kürze mit einem ersten Verhandlungstermin“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch dem SÜDKURIER auf Anfrage.

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Zudem gebe es zum Erhalt der Gäubahn-Anbindung derzeit auch Gespräche mit Bahn-Vorstand und Arbeitsebene, so Resch weiter. „Es freut mich, dass unser Vorschlag des Doppelbetriebs S21-Tiefbahnhofs und gleichzeitig Erhalt des Kopfbahnhofes von der Bahn aufgegriffen wurde, erste Medien haben ja aus den Aufsichtsratspapieren zitiert.“

Provisorium – oder Dauerlösung?

Diese Lösung würde für mehrere Jahre den unmittelbaren Anschluss der Gäubahn an den Stuttgarter Hauptbahnhof sicherstellen, so Resch, und vielleicht noch mehr: „Der Parallelbetrieb wird sich schnell von einem Provisorium zu einer Dauerlösung entwickeln.“

Umso mehr, als dass die DUH laut Resch Hinweise darauf habe, dass sich die Eröffnung deutlich verzögern könnte. Es werde in Bahnkreisen nicht von einer zeitnahen Lösung der Probleme mit dem neuen digitalen Sicherheitssystem ECTS ausgegangen, so Resch. „Konkret wird offensichtlich nicht mit einem Jahr, sondern mit mehreren Jahren Verzögerung gerechnet.“