Eklat bei der Christmette im Freiburger Münster: Nach einem Auftritt der Domsingknaben gegen Ende der Liturgie, die von Erzbischof Stephan Burger geleitet wurde, brandete minutenlanger Applaus auf. Einige Protestrufe waren zu hören. Burger musste die Mette unterbrechen.
Das katholische Fernsehen k-tv schaltete seine Übertragung ab und blendete folgende Zeilen ein: „Wir bitten um Verständnis, dass aufgrund mutwilliger Störung des Gottesdienstes die Übertragung nicht fortgesetzt werden kann.“ Als Burger den Schlusssegen erteilen wollte, war erneut Gelächter von den Kirchenbesuchern zu hören. Auch nach der Messfeier gab es Applaus und Sprechchöre.
Zoff um Kündigung von Domkapellmeister
Hintergrund ist der Rauswurf von Domkapellmeister Boris Böhmann, der an Heiligabend die Domsingknaben dirigierte. Ihm war im Sommer zu Ende Februar 2025 gekündigt worden.
Vor dem Gottesdienst wurden laut Badischer Zeitung auch Flyer verteilt, auf denen die Unterstützer von Böhmann die Rücknahme der Kündigung forderten und um Unterschriften unter eine Petition baten. Diese richtet sich demnach gegen das Domkapitel der Erzdiözese.
In dem Petitionsaufruf steht: „Unter den rund 300 betroffenen Sängerinnen und Sängern der Domsingschule herrscht große Unsicherheit und Bestürzung. Insbesondere den Kindern und Jugendlichen der Domsingknaben bricht in einer wichtigen Entwicklungsphase unter seiner mit großem pädagogischem Geschick geführten Leitung die Orientierung und Halt gebende Gemeinschaft weg. (...) Auch Gesprächsversuche der Chorvertreter mit dem Domkapitel wegen der zunehmend angespannten Situation verliefen in der Vergangenheit ergebnislos.“
Elternvertreter: Applaus war keine „mutwillige Störung“
Nach dem Vorfall entspann sich eine Debatte: Die Erzdiözese sprach von einem Protest „zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort“. Am Donnerstagabend hieß es in einem Offenen Brief der Elternvertreter der Freiburger Domsingknaben, dass der Applaus keineswegs eine „mutwillige Störung“ gewesen sei.
Vielmehr habe es sich um eine Anerkennung der musikalischen Leistung und der Arbeit von Böhmann gehandelt. „Dass der Livestream kurz darauf abgebrochen und diese Würdigung als ‚mutwillige Störung‘ bezeichnet wurde, vermittelt leider den Eindruck, berechtigte Anteilnahme sollte unterdrückt werden.“ Die Rede ist von einem Affront. In dem Brief wird auch die Rücknahme der Kündigung „als klares Signal eines Neubeginn“ gefordert.
Ein Sprecher des Erzbistums sagte auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), es sei nachvollziehbar, dass nach der Kündigung eines langjährigen Chorleiters Unruhe unter den Mitgliedern der Dommusik entstehe. Aufgrund von Daten- und Persönlichkeitsschutz dürften die einzelnen Gründe aber nicht öffentlich dargelegt werden. „Dies hat leider zu einer Schräglage in der Debatte geführt.“
Die Kündigung hat laut dem Sprecher eine lange Vorgeschichte. „In der Domsingschule herrschten zahlreiche Konflikte. Es gab immer wieder Versuche von Schlichtungen, die aber allesamt scheiterten.“ Die Entscheidung habe sich niemand leicht gemacht, aber sei der letzte Ausweg gewesen. Die Gründe für die Kündigung seien in mehreren arbeitsgerichtlichen Verfahren erörtert worden.
Konflikt mit Stellvertreterin?
Dabei werden Domkapellmeister Böhmann nach Auskunft des Freiburger Domkapitels weder Missbrauch noch übergriffiges Verhalten vorgeworfen. Nach Informationen der „Badischen Zeitung“ soll es vielmehr um einen bereits lange anhaltenden Konflikt zwischen Böhmann und seiner Stellvertreterin gehen. Offenbar wirft die Leiterin der Mädchenkantorei dem Kapellmeister vor, Entscheidungen zu verzögern und es etwa versäumt haben, ein Konzept gegen Missbrauch vorzulegen. Böhmanns Unterstützer sehen die Vorwürfe hingegen als unbegründet an.
Die Erzdiözese kritisierte die wiederholte Störung des Gottesdienstes als ungeeignete Protestform. „Viele Besucherinnen und Besucher, die mit dem Konflikt nichts zu tun haben, wurden damit mutwillig in eine Auseinandersetzung hineingezogen“, sagte der Sprecher. Konflikte und Meinungsverschiedenheiten ließen sich nicht auf diese Weise lösen. „Die Situation macht umso mehr deutlich, dass ein Neuanfang in der Leitung der Dommusik dringend geboten ist“, so der Sprecher.
Eine Klage Böhmanns gegen die Kündigung hatte das Arbeitsgericht Freiburg abgewiesen. Der Richterspruch ist aber bislang nicht rechtskräftig. (dpa)