Matthias Zimmermann

Nichts geht heute mehr ohne Computer. Ohne Server, Internet und Rechner kann keine Firma arbeiten. Datenleitungen gehören zur kritischen Infrastruktur. Auch privat hat so gut wie jeder zumindest ein Smartphone, viele dazu noch ein Tablet und einen PC oder einen Laptop. Kurz: Die Informationstechnologie hat unser Leben so nachhaltig verändert wie wohl keine andere Erfindung.

Doch die nächste Revolution steht schon in den Startlöchern. Quantencomputer sollen mit ihrer unvorstellbaren Rechenleistung einmal helfen, Probleme zu lösen, an denen bislang sogar die leistungsfähigsten Chip-basierten Superrechner scheitern. In der Chemie- und Pharma-Industrie könnten Quantenrechner helfen, die Struktur und Geometrie neuer Moleküle vorherzusagen und so die Entwicklung neuer Materialien, zum Beispiel für Batterien oder Medikamente, ermöglichen.

Ein Quantencomputer im Forschungszentrum Jülich.
Ein Quantencomputer im Forschungszentrum Jülich. | Bild: Oliver Berg/dpa

Schon heute werden dabei Prozesse an Großrechnern simuliert, bevor im Labor gearbeitet wird, erklärte jüngst Michael Marthaler, Chef und Gründer des Unternehmens HQS Quantum Simulations. Marthaler arbeitet mit der Chemie-Industrie daran, solche Simulationen auch auf Quantenrechnern durchführen zu können.

Selbst modernste Hochleistungsrechner genügen den Anforderungen nicht mehr. Sobald auf der Ebene von Atomen geforscht werde, sagt er, bekämen die Gesetze der Quantenmechanik eine viel größere Bedeutung. Die seien eben nur mit Quantenrechnern zu simulieren.

Wie ein Quantenrechner funktioniert

Mit Quantentechnologie könnten auch neue sichere Verschlüsselungstechnologien möglich werden. Gleichzeitig dürften damit aber alle aktuellen Verschlüsselungen geknackt werden können. Von der Krypto-Dämmerung ist inzwischen die Rede: Experten gehen davon aus, dass Geheimdienste rund um die Welt sich bereits so viele Daten wie möglich sichern, um sie in einigen Jahren entziffern zu können.

Banken und Ermittler haben Interesse

Die Finanzindustrie ist ebenfalls ein möglicher künftiger Nutzer der Quantentechnologie. Mit ihr könnten aus immensen Datenbeständen Anomalien oder seltsames Verhalten herausgelesen und so eventuell sogar Finanzkriminalität aufgedeckt werden. In der Logistik könnten Routen optimiert und Kosten gespart werden und sogar der Wetterbericht könnte genauer werden. Aber auch Militärs hoffen auf autonome Waffensysteme dank Quantentechnologie.

Auf absehbare Zeit ist all dies noch Zukunftsmusik. Doch weltweit wird mit großem Einsatz an den Grundlagen dafür geforscht. In der Spitze dabei ist Bayern. Die Staatsregierung fördert allein den Verein Munich Quantum Valley, der Unternehmen und Forschungseinrichtungen zum Thema vereint, mit 300 Millionen Euro.

Dieter Kranzlmüller ist Leiter des Leibniz-Rechenzentrums.
Dieter Kranzlmüller ist Leiter des Leibniz-Rechenzentrums. | Bild: Sven Hoppe/dpa

Einen wichtigen Etappenerfolg kann der Freistaat bereits verbuchen. Anfang Oktober wurde bekannt, dass das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) in Garching, wo bereits jetzt ein konventioneller Hochleistungsrechner und ein Quantencomputer stehen, einen von sechs europäischen Quantencomputern erhält. Was damit in Garching künftig gemacht wird, erklärt LRZ-Direktor Dieter Kranzlmüller so: „Wir wollen relativ schnell Nutzern Zugang zu diesen Systemen verschaffen.“

Die künftigen Quantencomputer haben noch viele technische Hürden zu überwinden, bis sie wirklich praktische Aufgaben lösen können. Es ist zum Beispiel längst nicht entschieden, welches von mindestens drei rivalisierenden Systemen sich durchsetzt. Aber selbst dann könnte man auf einem Quantencomputer nicht arbeiten wie auf einem normalen Supercomputer.

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Die Aufgabe am LRZ besteht darin, Software zu entwickeln, praktische Probleme in Mathematik umzusetzen und in eine Sprache zu übersetzen, mit der ein Quantencomputer arbeiten kann. Vor allem aber will sich das LRZ darauf konzentrieren, die Verknüpfung von Quantencomputern und konventionellen Supercomputern voranzubringen.

„Ein Quantencomputer kann theoretisch alles, was ein herkömmlicher Computer auch kann“, sagt Kranzlmüller. „Aber bei einem Großteil der Anwendungen wird das herkömmliche System auf absehbare Zeit überlegen und auch günstiger sein.“ Im Idealfall soll der Hochleistungsrechner den Quantencomputer in seine Rechenarbeit einbinden für die Aufgaben, bei denen das neue System überlegen ist. So soll die geballte Rechenkraft den größten Nutzen entfalten.

Je kälter, desto besser

Der Aufwand ist enorm. Die Quantencomputer müssen abgeschirmt von allen Außeneinflüssen bei extrem tiefen Temperaturen betrieben werden. LRZ-Direktor Kranzlmüller warnt daher vor übertriebenen Erwartungen: „Wir sind mit der Technologie an einem Zeitpunkt, an dem wir überzeugt sind, dass ein Durchbruch bevorsteht. Wann der kommt, ist offen, das kann morgen sein oder in fünf Jahren.“

Bis Quantencomputer normale Computer ersetzen können, sei er wohl in Rente. Aber: „Der nächste große Quanten-Experte studiert vielleicht schon heute in München, Augsburg oder anderswo.“