Herr Voigt, in Deutschland werden pro Jahr drei bis sieben Menschen von einem Blitz getötet. Das sind zwar nicht viele. Dennoch: Wovon hängt die Wahrscheinlichkeit ab, vom Blitz getroffen zu werden?

Es gibt hochgradig vom Blitzschlag gefährdete Punkte. Das trifft vor allem auf die alpine Bergregion zu, weil dort die elektrischen Ströme nach einem Einschlag wegen des Gesteins im Wesentlichen auf der Oberfläche fließen. Wenn man getroffen wird, liegt die Wahrscheinlichkeit, getötet zu werden, bei etwa 50 Prozent. In den anderen Fällen treten Verbrennungen oder Herzrhythmusstörungen auf.

 

Ein alter Spruch gibt Leuten, die Schutz suchen, den Rat "Vor Eichen sollst Du weichen, Buchen sollst Du suchen". Ist das was dran?

Das ist Quatsch. Alle Arten von Bäumen sind in dem Fall gleich gefährlich.

 

Warum ist das so?

Wenn irgendwo ein einzelner Baum steht, ist er das höchste elektrisch leitfähige Gebilde im Umkreis. Daher ist er das erste Ziel eines Blitzes. Und da passiert Folgendes: Wenn der Blitz im Sommer in den Baum einschlägt, findet er dort relativ hohen elektrischen Widerstand, weil das Holz trocken ist. Wenn ein Mensch neben dem Baumstamm steht, kann der Blitz aus dem Baum heraus in den Menschen einschlagen, weil dieser den Strom besser leitet als das Holz. Diese Gefahr ist groß. Daher gilt: Bei Gewitter nicht nah an den Stamm stellen, sondern weiter weg davon und in Kauf nehmen, dass man nass geregnet wird.

 

Mancher meint, er könne im Bodensee bei Gewitter ruhig im Wasser bleiben, weil es am Ufer genug Bäume gebe, in die der Blitz fährt. Stimmt das?

Das ist ein absoluter Mythos. Blitze schlagen auch in Wasseroberflächen ein. Dann verteilt sich der Strom gleichmäßig im Wasser und Schwimmer sind dann hochgradig gefährdet. Nur dass der Blitz in den Kopf des Schwimmers einschlägt, ist unwahrscheinlich, weil ein Kopf eine zu niedrige Erhebung ist. Wo genau der Blitz im Wasser einschlägt, ist vom Zufall abhängig.

 


Warum ist man bei Gewitter im Auto gut geschützt, wenn doch der Wagen aus Metall besteht?

Die Schutzfunktion besteht ja gerade darin, dass der Blitz in dieses Metall einschlägt, aber dann wegen der sehr guten Leitfähigkeit des Metalls nicht in das Wageninnere eindringt, sondern auf der Oberfläche des Autos fließen kann. Das nennt man einen Faraday'schen Käfig. So ist man im Inneren völlig ungefährdet. Zu DDR-Zeiten wurde übrigens erforscht, ob der Trabi, der ja eine Kunststoff-Karosserie hat, Blitzschutz bietet. Die Lösung bestand in einer Chrom-Leiste, umlaufend in Dachhöhe, die mit dem Fahrgestell des Trabi verbunden war. Man konnte nachweisen, dass selbst diese Art Regenrinne genug Schutz vor Blitzen bot.

 

Was sollten Fahrrad- und Motorradfahrer bei Gewitter tun?

Ein Zweirad sollte man abstellen und sich davon entfernen, denn es ist ein rein metallischer Gegenstand. Daher ist es dafür prädestiniert, dass hier der Blitz einschlägt.

 

Es gibt Blitze zwischen Wolken und Blitze, die die Erde treffen. In welchem quantitativen Verhältnis stehen diese Blitz-Arten zueinander?

80 Prozent der Blitze entladen sich zwischen Wolken, der kleinere Rest schlägt auf der Erde ein.

Bild 1: Gefährliches Wetter-Phänomen: Wo der Blitz einschlägt und wie man sich schützen kann
Bild: Quelle: dpa / Grafik: Gora

Sind wir in unserer Region stärker durch Blitze gefährdet?

Die Zahl der Einschläge liegt hier in der Region bei fünf Blitzen pro Quadratkilometer und Jahr. Die Spannbreite für Deutschland liegt zwischen drei und acht Einschlägen. Zum Vergleich: In Zentralafrika schlagen mehr als 1000 Blitze auf dieser Fläche pro Jahr ein. Der Bodensee bringt uns keine erhöhte Blitzgefahr.

 

Warum bestehen Blitze oft aus einem verästelten Gebilde aus Haupt- und Nebenblitzen?

In der Wolke entsteht ein leitfähiger Kanal, der "langsam" Richtung Erde wächst. Langsam heißt in diesem Fall: 300 Kilometer pro Sekunde. Dieses Wachstum passiert ruckartig, und in der Spitze kann sich der Kanal nach links oder nach rechts doppeln. Aber nur einer davon wird zum Hauptblitz, der andere Kanal verkümmert sozusagen. So entstehen die Verästelungen, die man auf Fotos sehen kann.

Fragen: Alexander Michel


Zur Person

Gunter Voigt
Gunter Voigt
Gunter Voigt ist seit 1999 Professor für Hochspannungstechnik und Elektrische Energieversorgung an der Hochschule Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) Konstanz Der Hochschullaufbahn ging das Studium der Elektrotechnik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen voraus.
 

Verhaltenstipps für Jugendliche

Bild 3: Gefährliches Wetter-Phänomen: Wo der Blitz einschlägt und wie man sich schützen kann
Der Verband der Elektrotechnik (VDE) hat zum Thema Schutz vor Blitzen den extra auf Jugendliche zugeschnittenen Erklär-Comic "Donner-Wetter" herausgebracht. Für viele Situationen wie Camping, Baden, Bergwandern oder Pop-Festivals gibt es praktische Handlungstipps. Die kostenlose Broschüre steht zum Download bereit auf: https://www.vde.com/de/Ausschuesse/Blitzschutz/kids/Seiten/donner-wetter.aspx