Deutschlands drittgrößter Autozulieferer ZF Friedrichshafen entwickelt eine Lenkung, die ganz ohne Lenkgestänge auskommen soll und die perspektivisch auch das Lenkrad überflüssig macht. „Wir glauben, das ist weltweit einzigartig“, sagte ZF-Vorstandschef Wolf-Henning Scheider am Mittwochabend in Hannover.

Das neue Lenksystem ermögliche es, leichter einzuparken und könne sich dem Verhalten des Fahrers anpassen. Kritische Situationen ließen sich durch die neue Technologie leichter korrigieren, sagte der ZF-Chef. „Das Fahrzeug werde automatisch „immer in Ideallinie gehalten“.

Keine Mechanik – mehr Sicherheit

Die Lenkung, die laut Scheider ab kommendem Jahr von einem „global agierenden Automobilhersteller“ im industriellen Maßstab eingesetzt werden wird, funktioniert nach dem sogenannten By-Wire-Prinzip – das heißt, der Lenkimpuls wird nicht mehr mechanisch auf die Räder übertragen, sondern allein elektronisch ausgelöst. In der Militär- und Zivilluftfahrt sind entsprechende Systeme schon seit Jahren üblich.

Das Lenkrad kann einfach weggeklappt werden

Im Zuge der Automatisierung von Autos halten sie aber auch immer stärker im Straßenverkehr Einzug. Entsprechende Bremssysteme haben Firmen wie ZF, Bosch oder Continental auch schon seit längerem im Feld.

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Mit der jetzt vorgestellten Elektro-Lenkung schließe man aber das letzte „bislang fehlende Puzzlestück“ und sei in der Lage, seinen Kunden die komplette Fahrdynamik von Autos auf Basis der By-Wire-Technologie zur Verfügung zu stellen, sagte Scheider. „Die Lenkung ist die Königsdisziplin“, sagte Scheider.

Mehr Bremskraft, kürzerer Bremsweg: Auf einem Testfeld im niedersächsischen Jeversen prüft ZF elektronische Bremsen.
Mehr Bremskraft, kürzerer Bremsweg: Auf einem Testfeld im niedersächsischen Jeversen prüft ZF elektronische Bremsen. | Bild: Dominik Gigler, ZF

Je nach Fahrsituation ließe sich das Lenkrad künftig „komplett wegklappen“, sagte der ZF-Chef, der den Konzern nach rund fünf Jahren zum Jahresende verlässt. Die Lenksäule falle ganz weg.

Rennen mit Bosch und Conti um die Lenkung der Zukunft

Mit der neuen Lenk-Technologie erwarten sich Zulieferer weltweit Milliardenumsätze, insbesondere in hochautomatisierten Fahrzeugen und Elektroautos. Gleichzeitig stellen die E-Lenkungen eine willkommene Nachfolgetechnologie klassischer Lenksysteme dar, deren Herstellung unter starkem Margendruck steht. Unter den deutschen Zuliefergrößen scheint ZF nun die Nase vorn zuhaben. Ein Konkurrenzsystem von Bosch soll erst ab 2025 einsatzbereit sein.

Wilhelm Rehm, altgedienter ZF-Manager und Leiter der Nutzfahrzeugsparte. Sie wird im Konzern immer wichtiger.
Wilhelm Rehm, altgedienter ZF-Manager und Leiter der Nutzfahrzeugsparte. Sie wird im Konzern immer wichtiger. | Bild: zf

Neuer E-Truck von ZF geht an den Start

Auch für Lkw wollen die Friedrichshafener ihre neue Lenkung anbieten, wie ZF-Nutzfahrzeugs-Chef Wilhelm Rehm, sagte. Das Truck-Geschäft wird für ZF immer wichtiger und beläuft sich mittlerweile auf 18 Prozent des Konzernumsatzes von 38,3 Milliarden Euro im Jahr 2021. Zuletzt hatte sich ZF den US-belgischen Konkurrenten Wabco einverleibt und war damit zum Systemanbieter und größten Nutzfahrzeugzulieferer der Welt aufgestiegen.

44 Tonnen – rein elektrisch

Die Vormachtstellung sichern soll unter anderem ein neuer vollelektrischer Antriebsstrang (Cetrax 2), mit dem ZF künftig Laster bis 44 Tonnen Gesamtgewicht motorisieren kann. Dabei seien die E-Motoren mit Getrieben für eine bessere Effizienz gekoppelt, sagte Rehm. „Ein Alleinstellungsmerkmal“.